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Verbote und mehr Kontrollen. Viele Waffenbesitzer wehren sich gegen die verschärfte EU-Richtlinie.

© dpa

EU-Maßnahme nach Terror von Paris: Jäger und Sportschützen empören sich über schärferes Waffengesetz

Die EU-Kommission will als Konsequenz aus dem Anschlägen von Paris mehr Kontrolle über Waffen. Lobbygruppen reagieren mit Kritik.

Der Besitz und Handel von Waffen wird nach dem Willen der EU- Kommission künftig strenger geregelt. Neue Verbote von Waffen, eine engmaschigere Überprüfung der Besitzer, strengere und einheitliche Richtlinien zur Deaktivierung von Waffen sowie mehr Vorschriften für den Handel im Netz sollen helfen, Terror und organisierte Kriminalität einzudämmen. Fünf Tage nach den islamistischen Anschlägen in Paris am 13. November legte die EU-Kommission das Maßnahmenpaket vor. Präsident Jean-Claude Juncker glaubt, dass die Regeln „verhindern helfen, dass Terroristen Waffen in die Hände bekommen“.

Doch das Vorhaben hat viele Gegner. Kommissionssprecherin Lucía Caudet bekommt derzeit den Unmut von Verbänden und Privatpersonen zu spüren. „Wir müssen den Jägern und Schützen besser erklären, um was es geht und dass wir offen für Anregungen sind.“ Gerade gab es den ersten Austausch im Rat, die Richtlinie wird wohl nicht vor dem Sommer in Kraft treten. Doch allein über die Webseite der Kommission sind binnen der ersten zwei Wochen rund 13 000 Rückmeldungen eingegangen. Mehr als 270 000 Menschen haben eine Onlinepetition gegen die Verschärfung unterschrieben.

Reaktivierte Kriegswaffen beim "Charlie Hebdo"-Attentat

„Es trifft die legalen Waffenbesitzer, die bereits streng kontrolliert werden“, sagt Jürgen Kohlheim, Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes. Die Sportler stören sich vor allem an dem geplanten Verbot „halbautomatischer Feuerwaffen mit automatischen Mechanismen“. Dies betreffe womöglich nicht nur die Kalaschnikow, die als funktionstüchtige Waffe in Deutschland ohnehin verboten ist. Kohlheim befürchtet einen Rundumschlag gegen halbautomatische Waffen.

Die Regelungen zu deaktivierten Waffen sollen schon ab März in Kraft treten. Damit wird der Besitz gefährlicher Geschütze verboten, auch wenn sie nicht mehr genutzt werden können. Dies wurzelt nicht zuletzt im Attentat auf die „Charlie Hebdo“-Redaktion, bei dem reaktivierte Kriegswaffen verwendet wurden – mit der Kalaschnikow über dem Sofa ist es also wohl bald vorbei. Für Sammler gilt dann die Waffenscheinpflicht. „Eine Waffe birgt immer ein Risiko“, erklärt Lucía Caudet. Jürgen Kohlheim ist überzeugt, dass ein nach deutschen Standards rückgebautes Gewehr nur „ein großes Stück Metall mit Holzschaft“ ist. Sinnvoll sei stattdessen ein härteres Vorgehen gegen den Schwarzmarkt vor allem in den Balkanstaaten.

"Paris war eine willkommene Gelegenheit"

Der Ärger über den Vorstoß der EU-Kommission beruht aber auch auf der Brüsseler Kommunikation. Eine Waffenlobby-Anfrage bezüglich neuer Richtlinien an die Feuerwaffen-Taskforce der Generaldirektion Justiz kam noch Anfang November mit dem Hinweis zurück, es gebe keine Informationen. Seit der Vorstellung der Sicherheitsagenda im April ist klar, dass sich beim europäischen Waffenrecht etwas tun wird. Dass die Vorschläge nun so plötzlich auf dem Tisch liegen, ist für Jürgen Kohlheim ein Beweis, dass sie schon vor den Anschlägen weitgehend fertig waren. „Das wirft kein positives Licht auf die demokratischen Verhältnisse in den EU-Strukturen.“

„Viele Jäger haben das Gefühl, dass Paris eine willkommene Gelegenheit war, uns das Paket unterzuschieben“, sagt Friedrich von Massow, Justitiar des Deutschen Jagdverbands. Zur regelmäßigen Prüfung des Jagdscheins sollen nun auch medizinische Untersuchungen kommen, wie sie in anderen EU-Ländern Pflicht sind. „Wir befürchten eine Art MPU für Waffenbesitzer.“ Er warnt vor weiteren Waffenverboten. Es sollten auch solche mit „militärischem Ursprung“ genutzt werden dürfen. „Sie treffen präziser – das ist im Sinne des Tierschutzes.“ Der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler kritisiert die geplanten Restriktionen ebenfalls. „Den ‚Anscheinsparagrafen‘ hat man erst 2003 aus dem Gesetz genommen“, sagt Sprecher Roland Zobel. Eine Verbot wegen des Aussehens sei unsinnig.

Waffengegner fordern Komplettverbot von Sportwaffen

Protest gegen das geplante Maßnahmenpaket kommt aber auch von Waffengegnern. Es sei „nicht einmal halbherzig“, sagt Roman Grafe von der Initiative „Keine Mordwaffen als Sportwaffen“. Er fordert ein Komplettverbot privater Sportwaffen aller Kaliber. „Nach unseren Recherchen wurden in Deutschland seit dem Winnender Amoklauf 2009 mehr als 60 Menschen mit Schusswaffen von Sportschützen getötet.“

Ob das neue Gesetz überhaupt eine Seite zufriedenstellen kann, ist also zweifelhaft.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 15. Dezember 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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