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Der Autor Carl Jakob Haupt mit dem Berliner Künstlerpaar Eva & Adele.

© Nikita Teryoshin

Der Zustand der Kunst in Berlin: Bilder von allem, Bilder vom Nichts

Es war ein verregneter Superkunstsommer in einem Jahr, in dem Galerien cooler als Clubs geworden waren und die ganze Stadt hoffte, in der Kunst Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit zu finden. Der Autor Carl Jakob Haupt und der Fotograf Nikita Teryoshin haben sich auf die Suche gemacht. Eine Vorschau auf unser Magazin "Tagesspiegel BERLINER".

Statt den Freitagabend, wie es doch eigentlich auch ganz schön ist und oft war, in einem Club oder einer Bar oder auch in einem angesagten Restaurant zu verbringen, stand ich also in einer Kunstgalerie. Und mit mir standen hunderte, vielleicht waren es auch tausend andere Leute, die doch eigentlich auch ganz gut in eine Bar oder einen Club gepasst hätten, weil sie den richtigen Modegeschmack hatten, gute Frisuren und weil sie so lässig an ihren Zigaretten zogen und an den Verdampfern, die die Zigarette bald verdrängen werden, aber nicht den Krebs. Wir alle waren auf der Suche nach Antworten und wir suchten sie in der Kunst.

Eröffnung bei Johan König.
Eröffnung bei Johan König.

© Nikita Teryoshin

Wie konnte das passieren? Wie war ich überhaupt hier hingekommen und wie all die anderen? Es war ja beileibe nicht meine erste Ausstellung, auf der ich nun stand, und die Kunst als Störung im Raum war immer da gewesen, allein schon weil ich in Kassel gelebt hatte und die dortigen Stadtbewohner riesenhafte Kunstwerke ankauften, von der Documenta, und sie in ihre Stadt stellten. Die Documenta war ohnehin immer sehr aufregend gewesen, weil für einen kurzen Sommer neue Leute in unsere graue Stadt kamen, die viele für die hässlichste Stadt Deutschlands halten, was aber nicht stimmt, weil das doch Wuppertal ist. Und da waren natürlich die guten Partys in den Kunstunis, die Rundgänge und Semesterabschlüsse, auf denen wir jungen Angeber dann eher die Störung im Raum waren, aber sicher keine Kunst, zumindest keine gute.

Und später, in Berlin dann, war sie ja sowieso überall, die Kunst, an Hauswänden und in zu hellen Galerien auf der Auguststraße und auf der Potse und in dem Bunker des Sammlerehepaars Boros und in den Museen. Die härtesten Trinker in meiner Lieblingskneipe waren natürlich Künstler und weil sie kein Geld hatten, malten sie Bilder und bezahlten damit. Aber das waren doch immer nur Ausnahmen, dachte ich, und Individualschicksale, einzelne, die in der Kunst ihr Glück suchten, mehr aber auch nicht, und vor allem war es doch nicht die Gesellschaft und es waren nicht so viele.

Eröffnung bei Johan König.
Eröffnung bei Johan König.

© Nikita Teryoshin

Bis vor ganz kurzer Zeit galt der Großraum-Underground-Club Berghain als Kathedrale der angesagten Berliner Immerjungen, als der Ort, wo man sich einmal in der Woche versammelt, als Gemeinde, und sich dem Dienst an etwas Höherem verschreibt und den Liedern lauscht, die eigens für diese Dienste komponiert worden waren, und die Antwort im Tanz lag, im Rausch, in der Bewegung und keine Fragen offen blieben. Jetzt plötzlich standen alle in einer echten Kirche, einem nicht weniger riesenhaften Bau, der es in seiner kargen Brutalität sehr wohl mit dem Berghain aufnehmen konnte, aber wirklich mal ein Gotteshaus war, und nun ist er eine Kunstgalerie mit sehr hohen Decken, die bis zum Himmel zu reichen scheinen.

Wenn Sie wissen wollen, wie es weitergeht, was die Perserin mit den viel zu hohen Schuhen über die Documenta sagt oder der Galerist Johan König über seine Verkaufsstrategie, dann lesen Sie weiter im kostenlosen ePaper unseres Magazins "Tagesspiegel BERLINER". Der obenstehende Link bringt Sie zu einer wirklich schnellen und unkomplizierten Registrierung!

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