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Wikileaks-Gründer: Assange sieht sich in einer Welt von Feinden

Erst Partner, jetzt Gegner: der "Guardian" und Wikileaks. Deren Kopf Julian Assange wittert nun angeblich eine "jüdische Verschwörung".

Das Telefonat, um das sich alles dreht, hat am 16. Februar stattgefunden. So schreibt es zumindest der eine Beteiligte, Ian Hislop, Chefredakteur des „Private Eye“ in seinem Editorial. Und von Wikileaks-Kopf Julian Assange kommt kein Widerspruch. Darüber, was im Verlauf dieser Kommunikation dann genau zur Sprache kam, geben das britische Satire-Magazin und der prominenteste Hacker der Welt divergierende Auskünfte. Nach Hislops Version hat sich Assange über eine Verschwörung gegen Wikileaks ausgelassen, unter Führung von Juden. Auch wenn er das mit den Juden gleich zurückgenommen habe. Julian Assange dementiert per Twitter. Und die „New York Times“ schreibt jetzt die Geschichte von Assange und seiner „jüdischen Verschwörung“.

In der jüngsten Ausgabe seines Magazins zitiert Hislop Assange: „Private Eye“ beteilige sich an einer „Verschwörung“ gegen Wikileaks, die von der britischen Tageszeitung „Guardian“ angeführt werde. Allen voran der Journalist David Leigh, Chefredakteur Alan Rusbridger und ein weiterer Journalist, „alles Juden“. Auf den Hinweis von Hislop, Rusbridger sei nicht wirklich Jude, habe Assange geantwortet, er sei „eine Art Jude“. Schließlich sei er, Rusbridger, mit Leigh verwandt, dessen Frau Rusbridgers Schwester ist. Auf Nachfrage, ob er meine, dass seine, Assanges jüdische Verschwörung den Fakten standhalten würde, habe Assange plötzlich zurückgezogen: „Vergessen Sie die Sache mit dem jüdisch“. Auf der Verschwörung habe er aber bestanden.

Jetzt besteht Assange vor allem auf einem: Hislop habe „beinahe jede wichtige Aussage verdreht, erfunden oder falsch erinnert“. „Speziell ,jüdische Verschwörung’ ist komplett falsch, sowohl im Sinn als auch im Wortlaut.“ Das sei sowohl „ernst“ als auch „erschütternd“. Statt eine „Verleumdung“ zu korrigieren, versuche Hislop eine erste Verleumdung mit einer anderen zu rechtfertigen.

„Private Eye“ hatte in seiner vorherigen Ausgabe eine Geschichte über einen Israel Shamir gebracht. Shamir, der in dem betreffenden Text Wikileaks zugeordnet wird, ist darin als Holocaust-Leugner benannt. Auf diese Story bezieht sich Assange mit seinem Hinweis auf eine erste Verleumdung. Um sich beim Chefredakteur zu beschweren, hatte er zum Telefon gegriffen. Im Wissen, dass Shamir schon im „Guardian“-Buch über die Zusammenarbeit mit Wikileaks bei der Veröffentlichung der geheimen US-Depechen als Antisemit beschrieben worden war.

Shamir habe niemals für Wikileaks gearbeitet, verkündet Assange, und solle das auch in Zukunft nicht tun. Shamir sei kein Vertreter von Wikileaks und habe auch nie Geld von der Organisation bekommen. Genauso wenig sei er ein Vertrauter Assanges. Allein ein Interview mit ihm habe stattgefunden, wie mit vielen Journalisten. Und er habe einen Teil der Diplomatenkabel einsehen können. In der Erklärung indes fehlt ein nicht unerheblicher Aspekt: eine Distanzierung von antisemitischen Positionen.

Und eine echte Distanzierung von Shamir ist auch bei genauer Textexegese am Mittwoch genauso wenig zu finden. Er zählt vermutlich in der in Gut und Böse eingeteilten Welt des Julian Assange zur guten, weil Assange unterstützenden Seite. Im Gegensatz zu den „Guardian“-Leuten David Leigh und Alan Rusbridger.

In der Kooperation rund um die Diplomatenkabel, die Irak- wie die Afghanistan-Tagebücher von Wikileaks mit dem „Guardian“, der „New York Times“ und dem „Spiegel“ beginnen die Friktionen schon im Herbst des vergangenen Jahres. Wochen bevor die Diplomatenkabel dann wirklich veröffentlicht wurden. Nicht völlig zu Unrecht führt Assange deshalb jetzt aus, dass das ganze Problem aus dem November 2010 stammt. Seitdem wandle zumindest David Leigh schon auf dem Kriegspfad.

Assange, der auch hinter den Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn aus Schweden schon ein Komplott gewittert hatte, ist ein schwieriger Partner. Aus der Euphorie über den journalistischen Schatz, den Wikileaks den drei Medien frei Haus geliefert hatte, entwickelt sich eine schnell vehementer werdende Distanzierung. Zuletzt waren die angelsächsischen Partner so weit von ihrem News-Lieferanten entfremdet, dass man der Meinung war, man könnte die US-Kabel auch ohne Absprache mit Assange veröffentlichen. Nur ein Krisengipfel in London konnte das Auseinanderfallen der Medienallianz verhindern.

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