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Fest im Sattel. Emomali Rachmon (61) regiert das bitterarme Tadschikistan seit 1992. Erst im November trat er eine weitere siebenjährige Amtszeit an.

© picture alliance/dpa

Autos aus Deutschland in Tadschikistan: Präsidentenclan soll gestohlene Luxuskarossen fahren

Hunderte gestohlene Luxusautos aus Deutschland wurden nach Tadschikistan verschoben – die Spur führte die Ermittler zum Clan des Präsidenten Rachmon.

Es ist eine lange Fahrt von Berlin nach Duschanbe. Die Hauptstadt Tadschikistans erreicht ein Reisender mit dem Auto nach mehr als 5000 Kilometern in gut 70 Stunden, falls das Wetter mitspielt und die Grenzposten keine Probleme machen – doch die machen oft Probleme, wenn die Übergänge nicht gar geschlossen sind. Die ärmste aller ehemaligen Sowjetrepubliken ist ein Hochgebirgsland, dessen höchster Gipfel früher „Pik Stalin“ und dann „Pik Kommunismus“ hieß und das sich von den Zeiten, in denen solche Namen Brauch waren, nicht allzu weit entfernt hat. Ausgerechnet der Führungsclan dieses Landes um den Autokraten Emomali Rachmon soll 200 in Deutschland geklaute Luxuskarossen fahren.

Ins Rollen kam die Geschichte, weil die auf Autodiebstahl spezialisierte Ermittlungsgruppe „Westwind“ der Berliner Kriminalpolizei die Autos per Satellitensignal in Tadschikistan aufgespürt hatte. Vor zwei Jahren sollen zwei deutsche Polizisten eigens nach Tadschikistan gereist sein, um nach gestohlenen Luxusautos zu suchen. Da Anfragen nach Zentralasien jedoch unbeantwortet blieben, bat Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) den damaligen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) um Hilfe, der ebenfalls vergeblich insistierte. Sogar ein Besuch des tadschikischen Außenministers in Berlin soll wegen der Affäre abgesagt worden sein.

Für die zentralasiatischen Republiken ist Deutschland sehr wichtig

Während die fünf zentralasiatischen „Stan“-Republiken (Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Turkmenistan und Tadschikistan) in der deutschen Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen, ist die Bundesrepublik für sie der wichtigste diplomatische Anker außerhalb der russischsprachigen Welt. Deutschland war eines der ersten Länder, das nach dem Zerfall der Sowjetunion Beziehungen aufgebaut hat und besitzt als einziges EU-Land eine Botschaft in allen fünf Staaten. Mehr als eine Million Bürger wanderten seit 1990 nach Deutschland aus, eine Viertelmillion ethnische Deutsche leben nach Angaben des Auswärtigen Amtes dort.

Kein Wunder also, dass die tadschikische Botschaft dementierte: „Völlig unbegründet“ seien die Vorwürfe, jedes Auto besitze legale Papiere. Doch so leicht wird die Affäre nicht aus der Welt sein, denn die Administration des seit 1992 regierenden Rachmon genießt nicht gerade viel Vertrauen in Europa. Erst im November hat sich der 61-Jährige für weitere sieben Jahre im Amt bestätigen lassen, als „Wahl“ betrachten internationale Beobachter den Urnengang nicht.

Das rohstoffreiche Tadschikistan ist etwas größer als Griechenland und liegt an der ehemaligen Hauptroute der Seidenstraße. Statt Pelze oder Porzellan verlassen in den vergangenen Jahren jedoch überwiegend Arbeitsmigranten und Drogen das Land, ihr Hauptziel ist Russland. Auf bis zu 1,5 Millionen wird die Anzahl der Menschen geschätzt, die in den Jahren der Rachmon-Herrschaft dorthin immigriert sind – bei einer Einwohnerzahl von knapp acht Millionen ein beträchtlicher Exodus. Ohne die Überweisungen der Landsleute aus Russland wäre Tadschikistan pleite.

Auf der anderen Seite, an seiner südlichen Grenze zu Afghanistan, wird Tadschikistan der radikalen Islamisten nicht Herr, die über die Berge ins Land strömen, wofür sogar seine Nachbarn Kritik üben, in den Augen der westlichen Welt nicht gerade beispielhafte Transformationsstaaten. Die Uhren ticken also noch anders in Tadschikistan, einem Bergland am anderen Ende der Welt. Dass GPS-Ortungssysteme mittlerweile sogar Luxusautos in den Ausläufern des Pamir-Gebirges entdecken, hat der Rachmon-Clan vermutlich nicht für möglich gehalten.

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