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Jörg Kachelmann wirkt zumindest äußerlich gelassen.

© dapd

Vergewaltigungsvorwurf: Beweisaufnahme im Kachelmann-Prozess

Im Kachelmann-Prozess hört sich das Gericht den Notruf des angeblichen Vergewaltigungsopfers an – und schließt erstmals die Öffentlichkeit aus.

Es ist das erste Mal, dass im Mannheimer Gerichtssaal die Worte von Simone D. gehört werden, dem angeblichen Opfer Jörg Kachelmanns. Aber ihre Stimme kommt nur vom Band, selbst will sie bis zu ihrer eigenen Aussage dem Vergewaltigungsprozess fernbleiben. Es handelt sich um den Anruf bei der Schwetzinger Polizei, am Morgen nach der angeblichen Tat, 9. Februar um 8 Uhr 11. Simone war bei ihren Eltern, in der Nähe der eigenen Wohnung. Erst telefoniert der Vater mit den Beamten, dann reicht er den Hörer an die Tochter weiter. Sie spricht gefasst, wirkt konzentriert.

„Guten Tag, mein Name ist Simone D. (Name geändert), ich bin heute Nacht vergewaltigt worden. Ich weiß nicht, was ich machen soll.“ „Von wem?“, fragt der Beamte. „Von meinem Freund.“ „Ist er noch da?“ „Nee, der ist weg.“

Dann schildert sie, sie sei bei ihren Eltern und gehe jetzt in die eigene Wohnung zurück, macht Angaben zu Alter und Adressen, gibt ihre Telefonnummer.

„Eine Frage noch: Wie geht’s“, will der Beamte wissen. „Ich bin okay“.

Es war diese Meldung, die für den Wettermoderator mehr als 130 Tage Untersuchungshaft bedeutete und ihm ein Verfahren einbrachte, das ihn bis zu 15 Jahre ins Gefängnis bringen kann. „Beeindruckend“, nennt Kachelmanns Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock das Dokument und spielt auf die auffällige Ruhe der Zeugin an. Am Mittwoch, dem dritten Prozesstag, trat das Gericht in die Beweisaufnahme ein, die ersten Zeugen kamen zu Wort. Und das Gericht machte deutlich, dass es an seinem Plan festhält, die Hauptbelastungszeugin erst nach den Freundinnen Kachelmanns zu hören.

Strafverfolger ließen Kachelmann bewusst nach Vancouver fliegen

Nach ihrer Meldung ließ Simone polizeiliche Befragungen und rechtsmedizinische Untersuchungen über sich ergehen. Erst dabei kam heraus, dass sich der Verdacht gegen einen Prominenten richtete. Simones Freund Kachelmann machte sich auf den Weg zum Frankfurter Flughafen, er wollte nach Vancouver, zu den Olympischen Winterspielen. Wie am Mittwoch deutlich wurde, entschieden sich die Strafverfolger bewusst, ihn ziehen zu lassen. Es lag nach Angaben einen Kommissars bis dahin nur eine Vernehmung mit der Frau vor. Der Polizist berichtete weiter, von der Lufthansa habe man erfahren, dass Kachelmann ein Ticket für flexible Buchungen besitze. Man blieb in engem Kontakt, bis die Fluggesellschaft den Wettermoderator auf die Passagierliste für den Rückflug setzte.

Am 20. März erfolgte dann die Festnahme. Polizisten beobachteten Kachelmann bei der Gepäckaufnahme, wie er eine andere Freundin begrüßte, „innig“ sagte der eine, „ein Rumgeknutsche“ der andere. Arm in Arm ging es zum Parkplatz, dann die Ansprache. Es sollte keinen Wirbel geben, berichteten die Polizisten, keine Öffentlichkeit. Die Polizisten sprachen den Wettermann an, er habe ruhig gewirkt, keine emotionalen Reaktionen gezeigt, kaum geredet, sei den Anweisungen gefolgt. Dabei hätte man ja „Wut oder Empörung“ erwarten können, sagte Kommissar Hans-Dieter F. dem Gericht. Dafür stand der Freundin „das Entsetzen im Gesicht“.

Ein Kriminaltechniker erzählte dem Gericht, wie sie zuvor das Dachgeschoss der Nebenklägerin unter die Lupe genommen hätten. „Wir haben uns größte Mühe gegeben, wie bei einem Tötungsdelikt“. Vor jedem neuen Asservat habe man die Handschuhe gewechselt. Auf dem Bett seien die Decken gerade gezogen gewesen, vor dem Bett auf dem Teppich lag ein Messer. Auch den Brief fand man, den, wie später herauskam, die Nebenklägerin selbst an sich geschickt hatte. Zwei Blätter, davon eine Kopie mit einem Flugticket, ausgestellt auf Kachelmann und eine Nebenfreundin, dazu ein Blatt mit dem Hinweis „Er schläft mit ihr“.

Der dritte Prozesstag zeigte auch, wie es weitergehen wird in diesem Verfahren. Der Vorsitzende Richter Michael Seidling lehnte Anträge der Verteidigung ab, Ex-Freundinnen als Zeuginnen „abzuladen“, wie es in der Gerichtssprache heißt. Auch soll es dabei bleiben, dass die Nebenklägerin erst nach den anderen Gefährtinnen Kachelmanns aussagt. „Die Reihenfolge ist sinnvoll und sachgerecht.“ Ein Einfluss auf die Schöffen sei nicht zu befürchten, sie könnten die Aussagen – wie Berufsrichter – differenziert beurteilen. „Keine der Zeuginnen wird von Vergewaltigungsszenen berichten, es geht um die Schilderungen sadomasochistischer Liebesspiele“, so Seidling. „Die Aussagen werden voraussichtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.“ Zudem habe sich die Nebenklägerin vielfach zur Tat geäußert, „ihre Bekundungen lassen kaum Spielraum für Manipulationen.“

Reihenfolge der Zeugenauftritte ist umstritten

Der Streit um die Reihenfolge der Zeugenauftritte hat einen handfesten Hintergrund. Anders als die Verteidigung es behauptet, ist es durchaus nicht ungewöhnlich in der kritischen Konstellation „Aussage gegen Aussage“ bei einem Vergewaltigungsprozess die Belastungszeugin, das angebliche Opfer, erst spät anzuhören. Das Gericht kann so zunächst die Aussagen anderer sammeln und möglicherweise neue Anknüpfungspunkte finden, um die Zeugin mit neuen Tatsachen und Fragen zu konfrontieren. Motto: Wer schon etwas weiß, kann leichter Neues erfahren. Doch auch das Gegenargument aus Sicht der Verteidigung ist verständlich. Nebenklagevertreter Thomas Franz hat die Pflicht, seine Mandantin über den Ablauf der Hauptverhandlung zu informieren, auch über Zeugenaussagen anderer. So kann sich die mutmaßliche Opferzeugin besser auf ihre Aussage vorbereiten, Widersprüche vermeiden, Lücken schließen – und notfalls, auch das ist möglich, eben auch lügen.

Dafür setzte sich die Verteidigung mit ihrem Antrag durch, die von ihr geladenen Sachverständigen vor Gericht zuzulassen. „Das Gericht ist dazu verpflichtet“, betonte Richter Seidling. Der Angeklagte habe aus Fairnessgründen das Recht, die Beweisaufnahme mitzugestalten. Es solle gerade vermieden werden, dass ein Gericht als voreingenommen gilt, weil es nur die von ihm bestellten Sachverständigen zulasse.

Damit haben auch die beiden Rechtsmediziner Bernd Brinkmann und Markus Rothschild ein Fragerecht in dem Verfahren, ebenso wie der Psychiater Tilman Elliger. Brinkmann und Rothschild hatten die Nebenklägerin ebenfalls untersucht, sind aber, anders als der vom Gericht bestellte Sachverständige Rainer Mattern, zu dem Schluss gekommen, dass es Hinweise auf Selbstverletzungen gebe, das Verletzungsbild jedenfalls „ungewöhnlich“ sei. Simone D. hatte Kratzer an Hals und Bauch, auf den Innenseiten der Oberschenkel fanden sich großflächige Hämatome.

Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge kündigte an, Brinkmann und Elliger wegen Befangenheit abzulehnen. Ihre Gutachten hätten ergeben, dass sie nicht unvoreingenommen seien. Auch der gemeinsame Restaurantbesuch Elligers mit Kachelmann nach dessen Haftentlassung spiele eine Rolle, „wenn auch nicht die tragende.“

Am Nachmittag sagte erstmals eine der früheren Freundinnen von Kachelmann aus, die 24 Jahre als Psychologiestudentin Miriam K. Sie hatte Kachelmann am Flughafen abgeholt, als der aus Vancouver zurückkehrte. Das Gericht schloss die Öffentlichkeit für die Dauer der Aussage aus – ein Hinweis darauf, dass auch weitere Vernehmungen mit Kachelmann befreundeter Zeuginnen ohne Zuschauer stattfinden werden. „Es kommen Lebensumstände aus dem Intimbereich zur Sprache, auch sexuelle Gewohnheiten“, begründete Richter Seidling den Entschluss. Die Interessen der Zeugin seien „deutlich schutzwürdiger“ als die der Öffentlichkeit in dem Verfahren.

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