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Leben mit Ebola. Zwei Frauen bereiten sich auf dem Flughafen in der nigerianischen Millionen-Stadt Lagos auf ihren Abflug vor. Auch das Sicherheitspersonal tritt derzeit mit Mundschutz und Einmal-Handschuhen seinen Dienst an.

© AFP

Ebola-Epidemie in Westafrika: Ein Experiment mit Ebola

Die Weltgesundheitsorganisation erlaubt den Einsatz nicht zugelassener Medikamente gegen das tödliche Virus. Aber viele Fragen sind noch offen. zum Beispiel die, wer das Mittel bekommen soll.

Die Diskussion begann mit zwei US-Amerikanern, die um ihr Leben rangen: Kent Brantly und Nancy Writebol hatten sich beim Kampf gegen das tödliche Ebolavirus in Liberia mit dem Erreger infiziert. Gegen die Krankheit gibt es keine zugelassenen Medikamente, darum entschieden sich die Ärzte für ein Wagnis. Sie gaben den beiden Patienten „ZMapp“, einen Mix aus mehreren Antikörpern, der von der Firma Mapp Biopharmaceutical in San Diego entwickelt und zuvor nur an Affen ausprobiert worden war. Die Tiere hatte das Medikament vor der Krankheit geschützt.

Plötzlich standen Mediziner und Forscher, die in Westafrika versuchen, die Ebola-Epidemie einzudämmen, vor einem Dilemma: Sollten sie im Kampf gegen das Virus Medikamente einsetzen, auch wenn nicht nachgewiesen ist, dass sie wirksam und sicher sind? Ja, sagt nun ein Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Die Experten waren einstimmig der Meinung, dass es unter diesen besonderen Umständen ethisch vertretbar ist, noch nicht zugelassene Therapien einzusetzen“, sagte Marie-Paule Kieny am Dienstag in Genf. Das Gremium, das aus zwölf Ärzten, Forschern und Bioethikern besteht, hatte bereits am Montag getagt und seine Empfehlungen am Dienstag bekannt gegeben. Die Entscheidung sei richtig und wichtig, sagt Arthur Caplan, Bioethiker an der New York Universität. Sie räume mit den Bedenken auf, dass es grundsätzlich ausbeuterisch sei, nicht zugelassene Medikamente einzusetzen.

1013 Menschen sind bereits an Ebola gestorben

Das Ebolavirus breitet sich in Westafrika seit mehreren Monaten aus. Inzwischen haben sich mindestens 1848 Menschen mit dem Erreger infiziert, 1013 von ihnen sind gestorben. Gesucht wird ein Medikament, das den Kranken helfen könnte. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Forschergruppen vielversprechende Kandidaten untersucht. „Zum ersten Mal haben wir eine Reihe möglicher Medikamente und Impfstoffe, die eine große Hilfe im Kampf gegen Ebola sein könnten“, sagte Kieny. „Aber keins von ihnen hat die Tests an Menschen durchlaufen, die nötig sind, um zugelassen zu werden.“

Antikörper zur Behandlung - erprobt an Affen

Bei „ZMapp“ zum Beispiel handelt es sich um drei verschiedene gegen das Ebolavirus gerichtete Abwehrstoffe, Antikörper genannt. Sie werden gentechnisch in Tabakpflanzen hergestellt und müssen injiziert werden. Ein weiterer Hoffnungsträger ist „TKM-Ebola“ des kanadischen Herstellers Tekmira Pharmaceuticals. Es wurde von US-Armeeforschern bei der Suche nach einem Gegenmittel gegen die potenzielle Biowaffe Ebolavirus entdeckt. Für die Produktion hat Tekmira vom Pentagon 140 Millionen Dollar erhalten. Der Wirkstoff basiert auf einem neuartigen, noch wenig erprobten Verfahren, genannt RNS-Interferenz. Damit soll gezielt ein wichtiges Viruseiweiß blockiert werden. Mehrere Firmen entwickeln zudem Impfstoffe. Sie können bereits Erkrankten nicht mehr helfen, aber zum Beispiel medizinisches Personal schützen. Die Forscher arbeiten mit VSV, einem für Menschen harmlosen Virus, dem ein Ebola-Gen „eingepflanzt“ wurde. Tests an Affen waren zumindest erfolgreich.

Was passiert mit den Daten?

Sollten diese Mittel zum Einsatz kommen, sei es „eine moralische Pflicht“, die Daten, die dabei gewonnen werden, zu sammeln und der Wissenschaftswelt zur Verfügung zu stellen, mahnte das Ethikgremium der WHO. Außerdem sollten die Medikamente möglichst im Rahmen einer klinischen Studie eingesetzt werden. Peter Smith, einer der Forscher im Gremium, gesteht, dass das unter den Umständen eines riesigen Ausbruchs äußerst schwierig sei.

In jedem Fall gebe es noch zahlreiche ethische Fragen, die nicht geklärt seien, sagt Caplan: Wer soll für die Medikamente zahlen? Wer übernimmt die Haftung, sollte es zu schweren Nebenwirkungen kommen? Und am kniffligsten: Wie sollten die  Reserven der vorhandenen Medikamente aufgeteilt werden?

ZMapp ist praktisch schon aufgebraucht

Die winzigen Vorräte an ZMapp sind praktisch schon aufgebraucht. Für zwei Ärzte in Liberia soll das Serum nun exportiert werden. Nach Angaben des Herstellers Mapp Biopharmaceutical wird es Monate dauern, bis neuer Wirkstoff verfügbar ist, Tabakpflanzen brauchen Zeit zum Wachsen. Ähnliches gilt für die anderen Wirkstoffkandidaten. Das Gremium hat also noch einige knifflige Probleme zu lösen, wenn es sich Ende des Monats erneut in Genf trifft.

Hinzu kommt, dass nicht klar ist, ob irgendeines der Medikamente wirklich hilft. Vor allem Brantlys Befinden soll sich nach der Injektion von ZMapp zwar deutlich gebessert haben. Doch ob das Medikament tatsächlich die Ursache der Besserung war, ist unklar. „Es ist wichtig, keine falschen Hoffnungen zu wecken, dass Ebola jetzt behandelt werden kann“, sagte Kieny. „Das ist nicht der Fall.“

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