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Viel Bier, viel Fröhlichkeit - und kein Rauch: Ausgelassene Stimmung auf dem Oktoberfest.

© Tobias Hase/dpa

Fünf Jahre Nichtrauchergesetz in Bayern: Neue Klientel für die Wirtshäuser

Vor fünf Jahren verbannten die Bayern per Volksentscheid den Qualm aus den Gaststätten. Das prophezeite Kneipensterben und Schlägereien auf dem Oktoberfest bleiben aus. Und gemütlich ist es im Wirtshaus weiterhin.  

Birgit Netzle war eine führende Größe im Nein-Lager. Damals vor fünf Jahren, als die Bayern per Volksentscheid über ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie abstimmten, trommelte die Münchner Wirtin gegen die Verbannung des Qualms, warnte vor Bevormundung und Gängelei, kündigte eine regelrechte Raucher-Revolution an. Heute ist die Frau im feschen Dirndl, die das ziemlich schicke bayerische Restaurant Asam-Stüberl in München leitet, völlig gewendet. "Seit nicht mehr geraucht werden darf, kommen viele Familien mit kleineren Kinder ins Restaurant", sagt sie. "Wir haben das völlig unterschätzt, es wurde eine neue Klientel für das Wirtshaus erschlossen." Und die Gastronomie-Mitarbeiter, um deren Gesundheitsschutz es ja eigentlich gegangen war, seien ebenso froh - "auch die rauchenden", meint Netzle und stellt sich auf die Seite der Nichtraucher-Aktivisten, der damaligen Gegner. 

Vor fünf Jahren wurde in Bayern beispiellos hart darum gekämpft, ob das alte Nichtraucherschutzgesetz mit all seinen Schlupflöchern bestehen bleiben oder ob man einen harten, klaren Schnitt machen und das Qualmen grundsätzlich verbieten sollte. "Bayern sagt Nein", ließ die Zigaretten-Lobby überall plakatieren, 1,6 Millionen Feuerzeuge mit diesem Aufdruck wurden verteilt. Birgit Netzle und der "Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur" (VEBWK) beschworen ein Wirtshaussterben und überhaupt das Ende der bayerischen Gemütlichkeit. Es wurde gewarnt, dass es in den Zelten auf dem Oktoberfest zu Massenschlägereien käme, wenn Ordnungshüter das Verbot durchsetzen müssten. Und Netzle prophezeite damals, dass wohl bald nur mehr gesundes Essen erlaubt sei - was das Aus etwa für den bayerischen Schweinsbraten bedeuten würde. 

Mit 61 zu 39 Prozent setzte die Bevölkerung aber am 4. Juni 2010 das damals rigoroseste Rauchverbot durch. "Das hat gezeigt", so sagt der damalige Kampagnenleiter Rainer Glaab (SPD), "dass die Tabakindustrie auch mit viel Geld nichts erreicht hat." Margarete Bause, Grünen-Vorsteherin im Landtag, sieht den Volksentscheid als "großen Erfolg für die direkte Demokratie". 

Die Ausnahmen vor dem Gesetz erzeugten Chaos

Die Zeit davor war wegen der vielen gesetzlichen Ausnahmen von Chaos geprägt. "Raucherclubs" sprießten aus dem Boden, Wirte zeigten sich gegenseitig an. Manche Lokale waren bis 22 Uhr rauchfrei und wurden dann in einen Club umfunktioniert. Es gab einen völligen Wildwuchs. 

Nach Inkrafttreten des Gesetzes im August 2010 aber herrschte - Ruhe. Denn die Regeln waren auf einmal ganz klar. Seitdem gehen Raucher vor die Tür, und vor den Türen ist es nicht sonderlich voll. "Es ist weiterhin sehr gemütlich bei uns", meint Wirtin Birgit Netzle, die nun die "fünfjährige Tradition" lobt. Auf dem Oktoberfest werden die Raucherbalkone akzeptiert, in den Zelten riecht es seither nur mehr nach Hendl, Bier und Schweiß. 

"Bayern war der Anstoß", sagt Gabriela Schimmer-Göresz, Vorsitzende der wertkonservativen Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP). Nordrhein-Westfalen und das Saarland folgten mit ähnlich deutlichen Nichtraucherschutz-Gesetzen wie im Freistaat. Das Gaststätten-Sterben setzte nicht ein, wie die Nichtraucher-Initiative München zu belegen glaubt. Vor dem Volksentscheid seien die Gastronomieumsätze kontinuierlich gesunken, meint deren Vorsitzender Ernst-Günther Krause, danach aber gestiegen. Die Menschen haben Lust auf Restaurant ohne Qualm. Und alle sind glücklich über das Verbot. Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stimmen in Bayern jetzt 80 Prozent der Bevölkerung dem Gesetz zu, 91 Prozent der 20- bis 20-Jährigen und auch 52 Prozent der Raucher.

Der Vorkämpfer der Nichtraucher-Bewegung stieg aus seiner Partei aus

Vor fünf Jahren hatte die Nichtraucher-Bewegung ein bundesweit bekanntes Gesicht: den Paradiesvogel-artigen jungen Mann namens Sebastian Frankenberger. Für die einen war der Passauer mit dem holprigen Lebenslauf ein Star, für die anderen eine Hassfigur. Er erhielt damals Hausverbot in Gaststätten und Morddrohungen; in Briefen stand, man werde ihm die langen Haare abschneiden und verbrennen.

Sebstian Frankenberger, einst Vorkämpfer der Nichtraucherbewegung und Vorsitzender der ÖDP, ist inzwischen frustriert aus der Politik ausgestiegen.
Sebstian Frankenberger, einst Vorkämpfer der Nichtraucherbewegung und Vorsitzender der ÖDP, ist inzwischen frustriert aus der Politik ausgestiegen.

© Tobias Hase/dpa

Nach dem Volksentscheid wurde er Bundesvorsitzender der ÖDP, doch im November 2014 entmachtete ihn die Partei. "Er ist nicht sonderlich teamfähig", meinen Mitstreiter von einst. Und das sei höflich formuliert. Tief verletzt, verkündete er seinen Rückzug aus der deutschen Politik. Der Fremdenführer lebt und arbeitet jetzt weitgehend im österreichischen Linz. Er engagiert sich in der Wirtschaftskammer Oberösterreich - ähnlich der deutschen IHK - für das dortige Gewerbe.    

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