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Den Sommer genießen? Szene in einem Schwimmbecken. Nicht jeder fühlt sich im Hochsommer wohl.

© dpa

Gefühlte Temperatur im Sommer: Wie das Wetter unsere Gefühle steuert

Das Wetter steuert die Befindlichkeit vieler Menschen – manchmal sogar extrem. Der Deutsche Wetterdienst hat einen Indikator für "gefühlte Temperatur" entwickelt, über den man sich informieren kann. Wie das geht.

Von Andreas Oswald

Der Sommer ist immer traumhaft in Berlin und Brandenburg. Die Sonne scheint, es ist meist trocken, die Abende sind lau, es ist ideales Wetter für Ausflüge, Biergärten und Baden am See. Dennoch ist Wetter für viele Menschen eine akzeptierte Gelegenheit, sich ganz ungeniert zu beschweren. Im Sommer ist es zu heiß, im Winter ist es zu kalt, und wenn es dann auch noch im Sommer kalt ist, wie kürzlich, dann ist was los. Aber wer dahinter immer nur notorische Meckerer und Simulanten vermutet, die schlechte Stimmung verbreiten wollen, liegt möglicherweise falsch. Eine Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2013 hat ergeben, dass in Deutschland 50 Prozent der Menschen der Meinung sind, dass das Wetter auf ihre Gesundheit viel oder zumindest etwas Einfluss hat. Die häufigsten Symptome waren Kopfschmerzen und Migräne (59 Prozent), Müdigkeit (55), Abgeschlagenheit (49), Gelenkschmerzen (42), Schlafstörungen. 29 Prozent dieser Wetterfühligen waren im Jahr vor der Befragung mindestens einmal nicht in der Lage, ihrer normalen Tätigkeit nachzugehen.

„Viele spüren sogar schon ein bis zwei Tage vorher, wenn sich die Wetterlage umstellt“, sagt Professor Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg.

Wenn Menschen verstärkt leiden, sei zwar das Wetter nicht die Ursache, „aber der Faktor, der das Fass zum Überlaufen bringt“. Medizinmeteorologen sprechen von „Wetterfühligkeit“ und in starken Fällen von „Wetterempfindlichkeit“. „Das sind keine Simulanten, wenn zehn Millionen Menschen gleichzeitig ähnliche Beschwerden haben“, sagt Matzarakis.

"Gefühlte Temperatur" des Deutschen Wetterdienstes.
"Gefühlte Temperatur" des Deutschen Wetterdienstes.

© Deutscher Wetterdienst, Tsp/Schilli

Medizinmeteorologen sprechen von der „Biotropie“ des Wetters. Damit ist der Einfluss des Wetters auf den menschlichen Organismus zu verstehen. Vor allem bei einem abziehenden Hochdruckgebiet und einem nahenden Tief und bei einem Durchzug von Warm- oder Kaltfronten machen sich Leiden bemerkbar, weil sich dabei Temperatur, Feuchtigkeit, Wind, Bewölkung und Sonnenschein stark ändern, heißt es in einer wissenschaftlichen Zusammenfassung des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

Dabei hängen die Reaktionen stark von individuellen Voraussetzungen ab, dem Gesundheitszustand, Schlafmangel oder Stress. Studien hätten gezeigt, dass die Beschwerden von Personen mit hohem Blutdruck beim Durchzug einer Kaltfront zunehmen. Die Befindlichkeit hängt stark von der thermophysiologischen Wirkung des Wetters ab. „Bei einer Temperatur von 25 Grad und trockener Luft muss der Körper wenig Energie aufwenden, um sich wohlzufühlen“, sagt Matzarakis. Bei 37 Grad müsse der Körper dagegen viel Energie aufwenden, um sich durch Schwitzen zu stabilisieren. Dabei spiele auch die Luftfeuchtigkeit eine Rolle. Ist sie hoch, könne der Körper nicht so viel Schweiß verdunsten, um sich zu kühlen.

Der Deutsche Wetterdienst hat einen Indikator für „gefühlte Temperatur“ geschaffen. Damit ist nicht nur die bekannte „Windchill-Temperatur“ im Winter gemeint, wenn starker Wind das Gefühl von Kälte verstärkt, sondern auch Effekte im Sommer. Dabei verwendet der DWD Faktoren wie Temperatur, Wind, Strahlung und Luftfeuchtigkeit und berechnet daraus eine „gefühlte Temperatur“. Diese Grafik ist im Internet zu finden unter: „www.dwd.de/gesundheit“. Dort gibt es in der linken Spalte einen Hinweis „Medizin-Meteorologische Gefahrenindizes“. Wer das anklickt, sieht unter anderem den „thermischen Gefahrenindex“ zum Anklicken. Dort gibt es rechts oben auch einen Hinweis „Hitzewarnung“ mit einer Untergruppe „Vorhersage von gefühlter Temperatur und Schwüle“. Alle Grafiken können bis zu drei Tage im Voraus eine Vorhersage machen mit den entsprechenden Werten.

Bleibt die Möglichkeit, dass negative Vorhersagen eine Auswirkung auf die Befindlichkeit haben, weil der Mensch sich einbildet, er müsse jetzt ganz bestimmte Beschwerden bekommen. Nutzung also auf eigene Gefahr.

Zum Abschluss etwas Positives: Am besten fühlen sich Menschen im Zentrum eines Hochdruckgebiets. Wie heute in Berlin.

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