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Gesundheit: Der gute Whisky wird verpulvert

Ingenieure aus Deutschland machen Olivenöl, Sonnencreme und Schnaps streufähig

Salvador Dali hätte an diesem Motiv seine Freude gehabt: Eine milchig-cremige Sauce fließt aus einer zarten Frauenhand, kristallisiert in der Luft und rieselt als feines, sandartiges Pulver in eine zweite Frauenhand. Doch das Bild im Katalog wirbt für keine Surrealismus-Ausstellung. Es symbolisiert die Möglichkeiten der modernen Verfahrenstechnik. Die kuriose pulverisierte Creme gibt es bereits.

„Bitte nicht einnehmen“, sagt Frank Otto, Ingenieur an der Technischen Universität (TU) München in Freising-Weihenstephan, und reicht mir ein Glasfläschchen. Das Pulver darin sieht wie Zucker aus und duftet angenehm nach Sonnencreme. Auf der Haut fühlt es sich kühl an. Und wenn man mit der Hand darüber streicht, verflüssigt es sich und dringt in die Poren ein. Wie gewöhnliche Creme aus der Tube. „Wir sind weltweit die Ersten, die solche Emulsionen pulverisieren können“, sagt Otto stolz. Und wer braucht streufähige Sonnencreme? „Naja. Wir haben da eine Lösung gefunden, aber bisher noch kein passendes Problem dazu“, erklärt der Ingenieur.

Ein Lob des Instant-Campari

Vielleicht ist die moderne Verfahrenstechnik einfach zu gut für diese Welt. Fast alles, was Frank Otto und seinen Kollegen Eckhard Weidner von der Uni Bochum und Sabine Grüner von der TU München in die Hände gerät, wird zu Pulver: Sei es Sonnencreme, Olivenöl oder Schnaps.

Etwa 30 Döschen und Fläschchen haben die drei Ingenieure auf dem Labortisch ausgebreitet. „Das hier ist zum Beispiel Rum“, sagt Otto und schüttelt eines der Gefäße. Das weiße Pulver darin sieht aus wie die streufähige Sonnencreme, riecht aber noch viel besser. „Man könnte sich sogar damit betrinken“, sagt Otto, denn auch der Alkohol ist im Puder gespeichert. Whisky- und Campari-Pulver haben Otto, Grüner & Weidner ebenfalls im Angebot. „Der Instant-Campari schmeckt am besten“, erzählt Weidner. „Einfach in ein Glas Mineralwasser streuen, und fertig ist der Campari-Soda.“

Doch das Pulverisieren ist nicht nur ein Party-Gag: „Wer mal einen Kuchen gebacken hat, weiß, wie anstrengend es ist, einen glatten Teig zu kneten“, sagt Sabine Grüner. Und in modernen Großbackstuben, wo Tausende von Tonnen Teig auf einmal hergestellt werden, ist das perfekte Durchmischen der Ingredienzen erst recht ein Problem. Gerade hoch konzentrierte Aromastoffe wie ätherische Öle müssen homogen verteilt werden, sonst entstehen „Aromanester“, sagt Grüner: „Zum Glück lassen sich Pulver jedoch viel genauer dosieren als Flüssigkeiten.“ Die Ingenieurin hat eine Backmischung für Ciabatta-Brot entwickelt, in die das Olivenöl als Puder eingearbeitet ist.

Das Rosmarin-Pulver aus den Labors der TU München wird ebenfalls bereits von der Lebensmittelindustrie eingesetzt. Nicht nur als Gewürz, auch als Antioxidans: Es schützt Wurstwaren vor dem Ranzigwerden. „Rosmarin-Extrakt ist von Haus aus eine zähe Masse, die sich nur schwer verarbeiten lässt“, sagt Otto. „Darum machen wir uns das ,Mineralwasserflaschen-Prinzip’ zu Nutze.“ In einem robusten Stahlbehälter verflüssigt er das Rosmarin-Extrakt und pumpt unter hohem Druck Kohlendioxid (CO2) dazu. Das CO2 verhält sich, so zusammen gequetscht, wie eine Flüssigkeit und vermischt sich mit dem Rosmarin zu einer sirupartigen Lösung. Dann lässt Otto das Gebräu über eine Düse entweichen: Die Flüssigkeit zerreißt explosionsartig in winzig kleine Tröpfchen, aus denen das nun wieder gasförmige Kohlendioxid verdampft. „Wie beim Öffnen einer Mineralwasserflasche, nur viel schneller.“ Übrig bleibt Rosmarin-Puder, das sich in den Fleischwaren-Fabriken perfekt verwursten lässt.

Gegen Bakterien im Futter

Doch auch lebende Tiere profitieren von der Arbeit der Verfahrenstechniker. Das nächste Pulver, das mir Otto & Co. präsentieren, sticht in der Nase. Es ist Eugenol, ein Bestandteil von Pfeffer. Dieses ätherische Öl hat antibakterielle Wirkung und wird in Puderform Rinder-Kraftfutter beigemischt. Zur Vorbeugung gegen Seuchen. „Tiernahrung sollte ja möglichst wenig Antibiotika enthalten, da sich sonst mit der Zeit resistente Keime entwickeln können“, erklärt Otto.

Für Eugenol und weitere Substanzen, die bei Zimmertemperatur flüssig sind, muss das „Mineralwasserflaschen-Prinzip“ allerdings leicht modifiziert werden, sagt Grüner: „Während das CO2 entweicht, geben wir einen pulverförmigen Trägerstoff zu.“ Zum Beispiel Kieselsäure oder Zucker. Die Flüssigkeit dringt in die Poren der Partikel ein, und es entsteht Pulver mit einer „Flüssigkeitsbeladung“ von bis zu 80 Prozent, erklärt Grüner. „Concentrated Powder Form“ (CPF), heißt das viel versprechende neue Verfahren. Mit konventionellen Pulverisierungs-Methoden wie der Sprühtrocknung lässt sich lediglich eine „Beladung“ von 20 Prozent erreichen. Und vor allem muss man dabei Temperaturen von bis zu 80 Grad Celsius einsetzen, um den Substanzen Wasser zu entziehen. Das ist aufgrund der hohen Flüchtigkeit von Aromastoffen problematisch.

„Gerade bei empfindlichen Gewürz-Essenzen müssen wir durch die Sprühtrocknung in der Tat große Verluste einberechnen“, sagt Werner Morf, Sprecher des weltweit tätigen Aromen-Herstellers Givaudan S. A. in Zürich. „Die schonendere CPF-Methode könnte auch für uns interessant werden.“

In absehbarer Zeit werden Otto, Grüner und Weidner mit ihren Pulvern wahrscheinlich gar das Weltall erobern. „Die Europäische Raumfahrtgesellschaft ESA hat neulich angerufen und sich nach feinkörniger Astronauten-Nahrung erkundigt“, erzählt Eckhard Weidner. Eine reizvolle Herausforderung: „Wir haben ja bisher noch nichts gefunden, das wir nicht pulverisieren konnten.“

Die Magier unserer Zeit sind eben keine surrealistischen Maler mehr, sondern Verfahrenstechniker. Salvador Dalis tropfende Uhren in Ehren. Doch gut möglich, dass Otto, Grüner und Weidner bald die ersten Armbanduhren zu Staub machen werden.

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