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Gerhard Walcker-Mayer, der Urenkel des Meisters, restauriert das Instrument in der Kirche der „Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde“ in Kairo.

© Katharina Eglau

Walcker-Orgel in Kairo: Gotteslob im Morgenland

Ausgerechnet in Kairo steht eine echte alte Walcker-Orgel – in einer evangelischen Kirche. Bald soll sie wieder erklingen.

Gerhard Walcker-Mayer spannt ein Papier über das dunkle Eichenbrett und klebt es sorgfältig an den Enden fest. Mit gekonnten Fingern ertastet der Orgelbaumeister das alte Holz und beginnt mit dem Bleistift, die Bohrungen und eingefrästen Windkanäle abzupausen. Vier Dutzend dieser Handwerksstücke hat er vor sich, tausende Löcher muss er millimetergenau kopieren. Vor wenigen Tagen ist der 61-Jährige aus seiner Werkstatt im saarländischen Blieransbach an den Nil gekommen. Hier ließ sein berühmter Urgroßvater Oscar Walcker 1912 eine spätromantische Orgel aufstellen – im damals neu gebauten Gotteshaus der „Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde in Kairo und ganz Ägypten“ im Kairoer Stadtteil Boulaq.

Am 7. September 1911 war das Instrument in der Orgelmanufaktur in Ludwigsburg bestellt worden, bereits am 9. Februar 1912 wurde es für den Preis von 9130 Reichsmark netto über den Mittelmeerhafen Triest nach Kairo geliefert. Opus 1688, wie das Instrument in den Annalen der Orgelbaudynastie heißt, konnte sich damals mit denen großer Kirchen in Deutschland messen. Es verfügte über feine Klangfarben, ein sogenanntes Fernwerk, das die Töne auch aus dem Kuppelhimmel der Kirche erklingen ließ, sowie eine Vox Humana, eine Pfeife, die die menschliche Stimme imitiert. Seit Jahren allerdings gibt die Orgel mit dem berühmten Markennamen keinen Ton mehr von sich, den Todesstoß versetzte ihm vor einem Jahrzehnt ein bastelfreudiger deutscher Organist.

Innenansicht.
Innenansicht.

© Katharina Eglau

Jetzt beugt sich Gerhard Walcker-Mayer persönlich über das wertvolle Ensemble, dass in Deutschland sofort unter Denkmalschutz gestellt würde. Der Spezialist hat schon in der ganzen Welt Orgeln des seit 1780 bestehenden Familienunternehmens repariert. Das seltene Kairoer Exemplar hat er sofort in sein Herz geschlossen, als er es vor Weihnachten zum ersten Mal genau unter die Lupe nahm. „Aus welcher Al-Qaida-Zelle stammen Sie denn?“, witzelte ein Zöllner am Frankfurter Flughafen, der nach Walckers Rückkehr vom Nil dessen Koffer inspizierte – gefüllt mit seltsam durchbohrten Hölzern, Gewindestäbchen und Lederblättchen. Inzwischen ist die Orgel bis auf ihr Holzskelett auseinandergebaut.

Die Pfeifen liegen säuberlich sortiert auf einem Regal. In den nächsten beiden Wochen wird Walcker jedes Originalbauteil vermessen und katalogisieren, um dann fehlende Teile in der heimischen Werkstatt nachbauen zu lassen. Von Oktober an will er dann mit seinem Sohn und einem weiteren Mitarbeiter das Instrument von Grund auf restaurieren. Sieben Monate kalkulieren die drei dafür, für diese Zeit mieten sie sich in der 25-Millionen-Metropole eine eigene Wohnung. Nein, Angst habe er keine, sagt Walcker. Die Revolution habe das Land natürlich verändert, aber die Situation „schreckt mich nicht“. Er erlebe die Ägypter als friedliche Menschen und fühle sich sicher. Jeden Morgen pünktlich um 8 Uhr schließt er sich in das Gotteshaus ein, um dann stundenlang allein auf der Empore zu werkeln. Fein säuberlich aufgereiht liegen auf seiner Werkbank Akkubohrer, Zollstock, Uhu-Tube, Taschenrechner und Maßband.

Außenansicht.
Außenansicht.

© Katharina Eglau

Im nächsten Jahr, am 21. April 2012, feiert das Gotteshaus seinen 100. Geburtstag. Am Vorabend soll die wertvolle Orgel erstmals wieder erklingen, deren berühmte, im gleichen Jahr 1912 gebaute große Schwester Opus 1700 in der Hamburger St. Michaelis Kirche stand. Deren Organist Christoph Schoener hat das Einweihungskonzert bereits zugesagt, den Festvortrag wird der Berliner Altbischof Wolfgang Huber halten. Noch aber fehlen von den 160 000 Euro Instandhaltungskosten etwa 43 000 Euro.

100 Orgelpaten sucht die kleine Auslandsgemeinde darum über ihre Kairoer Homepage. Nur wenn das Geld bis Oktober zusammenkommt, „wird es zum Jubiläum im April wieder den vollen Klang geben“, sagt Pfarrer Axel Matyba. Nur dann bekommt Kairo erstmals seit langem wieder eine Konzertorgel. Und die deutsche Kirche an der Galaa-Straße könnte mit ihrem wiederauferstandenen Prachtstück einen ganz eigenen Ton setzen im Musikleben der ägyptischen Hauptstadt. Dirigent und Chor der Kairoer Oper haben ihr Interesse an Auftritten bekundet. „Und auch unter Muslimen gibt es Liebhaber der Orgelmusik“, berichtet Pfarrer Matyba. Noch aber ist es nicht so weit, auch wenn alle hoffen, dass das fehlende Geld am Ende zusammenkommt. Gerhard Walcker-Mayer jedenfalls weiß schon, was er sich als Premiere auf dem von ihm wiedererweckten Instrument wünscht – eine Toccata und Fuge von Johann Sebastian Bach.

Spendenkonto: Evangelische Gemeinde Kairo, Kontonummer: 1010996011, BLZ: 35060190, Bank für Kirche und Diakonie Dortmund, Stichwort: Orgelfreunde

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