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Panorama: Im Namen des Wassers

Die Hamburger Sektenexpertin Caberta wirft Ex-TV-Pfarrer Fliege obskure Geschäfte mit Esoterik vor.

Wenn zwei umstrittene Persönlichkeiten aufeinandertreffen, dann kann es schon mal krachen. Ursula Caberta, abgesetzte Exleiterin der ehemaligen Arbeitsgruppe Scientology bei der Hamburger Innenbehörde kritisiert in ihrem neuen „Schwarzbuch Esoterik“ den Ex-TV-Pfarrer Jürgen Fliege. „Herr Fliege ist von einem evangelischen Pfarrer zu einem Esoteriker mutiert. Er benutzt seine Prominenz, um eine Plattform für Scharlatane zu schaffen“, meint Caberta. Stein des Anstoßes ist ein Heilwasser, das mit Flieges Segen verkauft wird. Preis: 39,95 Euro für 95 Milliliter. Außerdem wirbt der Theologe für einen obskuren Raumtrockner, dessen Hersteller Scientology-Mitglied ist. Dieser Raumtrockner soll angeblich Wassermoleküle umpolen, damit sie in der Wand zurück in die Erde fließen.

Fliege wehrte sich am Mittwoch gegen Cabertas Vorwürfe. Die Tätigkeit von Frau Caberta sei „eine Verschwendung von Steuergeldern und ein Angriff auf die Religionsfreiheit“, sagte er dem Tagesspiegel. Das in Zusammenarbeit mit Fliege verkaufte Heilwasser sei dasselbe wie Weihwasser oder das Abendmahl in der Kirche. „Durch meinen Segen wird das Wasser nicht teurer, und es ist erwiesen, dass gesegnetes Wasser eine bessere Heilwirkung hat. Andere, wie Frau Käßmann, verkaufen das Heil in Büchern.“ Auch in der Zusammenarbeit mit Scientologen sieht der Pfarrer im Ruhestand kein Problem: „Ich kaufe auch bei Juden. Wir dürfen es doch nicht von der Religionszugehörigkeit eines Händlers abhängig machen, ob wir bei ihm einkaufen!“, sagt Fliege. Scientology sei auf die direkte finanzielle Unterstützung seiner Mitglieder angewiesen, da die Organisation keine Mittel aus der Kirchensteuer erhalte. Dass die Ideologie der Organisation so stark auf Erfolg fixiert sei, müsse man aus christlicher Sicht aber kritisieren.

Ursula Caberta war früher wegen ihres übermäßigen Eifers in die Kritik geraten. Das Hamburger Verwaltungsgericht hatte 2008 eine Rüge gegen ihre Arbeitsgruppe ausgesprochen, weil sie das staatliche Neutralitätsgebot verletzt habe. Ihre Arbeitsgruppe wurde aufgelöst, Caberta ist jetzt Ministerialreferentin. Ihr „Schwarzbuch Esoterik“ hatte sie am Dienstag im Hamburger Rathaus präsentiert. Es ist wieder ein großer Rundumschlag. Ihrer Meinung nach sind Flieges Aktivitäten nur ein Beispiel für einen generellen Boom des Esoterikmarktes, dessen Problematik die Öffentlichkeit nicht ausreichend erkenne. Wachsende Orientierungslosigkeit machten die Menschen anfälliger für die Heilsversprechen der Psychogruppen. „Deren schnelle Lösungen sind immer eine Gefahr für die freiheitliche Demokratie“, meint sie.

Jürgen Fliege ist dem breiten Publikum vor allem durch seine Talkshow in der ARD bekannt, die er bis 2005 moderierte. Der Träger des Bundesverdienstkreuzes lädt bei einem jährlichen Kongress in Bayern Theologen, Mediziner und Naturwissenschaftler, genauso aber auch „Schamanen, Engelsredner und Wunderheiler“ ein, wie er selbst sagt. Der Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, wird entgegen einer Äußerung von Caberta allerdings nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen, teilt die EKD mit. Ansonsten gibt sich die Kirche diplomatisch: „Herr Fliege ist immer wieder für Diskussionsstoff gut. Wir prüfen jede seiner Aussagen aber sehr genau“, sagt Jens Peter Iven, Sprecher der Rheinischen Landeskirche, Flieges ehemaligem Dienstherrn.

Fliege hat auch Anhänger. Das aktuelle Buch sei eine „notwendige Provokation“, sagte Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) bei der Buchvorstellung.

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