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Ipswich-Morde: Der Verdächtige bleibt in Haft

Der mutmaßliche fünffache Frauenmörder Steven W. wird angeklagt. Angeblich war er ein Stammkunde im Rotlichtmilieu und zeigte sich gerne mal in Frauenkleidern. Das Drama um den "Ipswich-Strangler" bewegt Großbritannien wie lange kein Kriminalfall mehr.

London - Es sind Bilder, wie man sie seit Edgar Wallace aus unzähligen englischen Fernsehkrimis kennt. Eine nebelverhangene Straße, Männer mit Bobby-Hüten, denen die Kälte der Atem sichtbar werden lässt, dann ein Konvoi von Polizeiautos, der schnell wieder verschwindet. Aber das ist kein Fernsehkrimi, sondern Ipswich am Freitag vor Weihnachten.

Mit dem Konvoi wird nach wochenlanger Fahndung der mutmaßliche "Würger von Ipswich" zum ersten Termin beim Haftrichter gebracht und dann gleich wieder weg. Kaum fünf Minuten dauert der Besuch. Der 48- jährige Steven W. sagt nur seinen Namen, seine Adresse und sein Geburtsdatum. Dann wird verfügt, dass er wegen der Ermordung von fünf Prostituierten, deren nackte Leichen seit Anfang Dezember in der Umgebung der ostenglischen 140.000-Einwohner-Stadt gefunden wurden, in Untersuchungshaft kommt.

Zwei Scheidungen, drei Kinder

W. - zwei Mal geschieden, drei Kinder, seit September wohnhaft in einem Reihenhaus am Rande des Rotlichtviertels von Ipswich, seit Dienstag in Polizeigewahrsam - gibt zu den Vorwürfen keine Stellungnahme ab. Auch Gefühle zeigt er nicht. Gekleidet ist der Lkw-Fahrer, der sein Geld auch schon als Schiffs-Steward auf dem Luxuskreuzer "Queen Elizabeth II" verdient hat, überaus korrekt: dunkelblauer Anzug, weißes Hemd und blau gestreifte Krawatte.

Die Frauen, die ihr Geld in der Gegend mit käuflichem Sex verdienen, haben den 48-Jährigen anders in Erinnerung. Manchmal, berichten sie den britischen Boulevardzeitungen, die parallel zur Polizei auf Spurensuche sind, war er in Frauenkleidern unterwegs. Bei anderen Prostituierten hieß W. wegen seiner Vorliebe für Army- Hosen nur der "Soldat". Auf jeden Fall soll W., der zuletzt mit einer zehn Jahre älteren Frau zusammenlebte, in der Szene Stammkunde gewesen sein.

Medien üben jetzt Zurückhaltung

Aber ganz gewiss ist für viele Briten bei der Lektüre nichts. Schließlich ist es gerade einmal vier Tage her, dass ein anderer Mann der mutmaßliche "Ipswich Strangler" war. Zu Beginn der Woche galt noch der 37-jährige Tom S. aus einer Nachbargemeinde als der Täter. Auch er wurde fast überall mit vollem Namen genannt, auch über ihn war bald fast jedes Detail bekannt. Inzwischen ist S. ohne jede Anklage wieder auf freiem Fuß.

Zweifelsfrei hatte sich der 37-Jährige durch eine Reihe von Interviews, in denen er sich der Bekanntschaft mit allen fünf Mordopfern rühmte, selbst verdächtig gemacht. Aber den nachdenklicheren Leuten in Großbritannien ist klar, dass die Medienmaschinerie in dieser spektakulären Mordserie wohl überdrehte. Das eine oder andere Blatt hält sich inzwischen zurück. Und selbst Staatsanwalt Michael Crimp sagt über den neuen Verdächtigen: "Steven W. hat das Recht auf einen fairen Prozess. Eine verantwortungsvolle Berichterstattung, die den Ausgang des Prozesse nicht vorwegnimmt, ist extrem wichtig."

Als mutmaßlicher Serienmörder wird W. nun aber Weihnachten und Neujahr auf jeden Fall in Untersuchungshaft verbringen. Der nächste Gerichtstermin ist erst auf den 2. Januar festgesetzt. Wo sich der Ex-Verdächtige S. inzwischen aufhält, weiß derweil kaum jemand. Der 37-Jährige ließ sich gleich nach der Freilassung an einen geheim gehaltenen Ort bringen - vermutlich nicht die schlechteste Entscheidung. (Von Christoph Sator, dpa)

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