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Reyhaneh Jabbari schrieb ihre Erfahrungen in einer iranischen Todeszelle auf. Am vergangenen Samstag wurde sie hingerichtet.

© dpa

Iran - Briefe aus der Todeszelle: „Ich will dich umarmen, bis ich sterbe"

Sieben Jahre wartete die 26-jährige Reyhaneh Jabbari auf ihre Hinrichtung - schrieb ihre Erfahrungen auf und schmuggelte sie aus dem Gefängnis. Am vergangenen Samstag wurde das Urteil vollstreckt.

„Meine liebe Mutter (...) Ich will nicht unter der Erde verrotten. Ich will nicht, dass meine Augen und mein junges Herz zu Staub werden. Flehe darum, dass sobald ich erhängt bin, Herz, Nieren, Augen, Knochen und alles was man transplantieren kann, jemandem, der es braucht zum Geschenk gemacht wird“

Es sind die letzten Worte der 26-jährigen Iranerin Reyhaneh Jabbari an ihre Mutter. Verfasst in einem Abschiedsbrief, geschmuggelt aus einem Teheraner Gefängnis.
Mehr als zehn solcher Briefe hat Jabbari in den vergangenen Monaten verfasst. Die Organisation „Internationales Komitee gegen Todesstrafe“ hat sie veröffentlicht und übersetzt. Am vergangenen Samstag wurde die Todesstrafe vollstreckt. Ihr letzter Wunsch blieb unerfüllt – die Organspende wurde abgelehnt

So kam es zur Hinrichtung:

Im Jahr 2007 traf Reyhaneh Jabbari, die damals als Dekorateurin arbeitete, auf Morteza Abdolali Sarbandi, einen Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes. Er heuerte die junge Frau an, angeblich um ein Büro neu einzurichten. In der Wohnung wollte er sie dann zum Sex nötigen. So beschreibt es die Frau vor Gericht. Sie hat auch zugegeben in Notwehr ihrem Peiniger mit einem Messer einen Stich versetzt zu haben. Er verblutete.
Ein iranisches Gericht verurteilte Jabbari 2009 zum Tode durch Erhängen, 2014 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil.

Minusgrade in der Zelle, Schneeballschlacht auf dem Hof

In ihren Briefen gibt sie nun seltene, subjektive Einblicke in die Verhältnisse im Todestrakt eines iranischen Gefängnisses:

„Ich, Reyhaneh Jabbari, ... sitze momentan auf meinem Bett, wie schon zuvor rekapituliere ich die bittersten Tage meines Lebens.“

Sie schreibt über Alltägliches, über die Gewalt der Wärter, über andere Insassen und kleine Momente des Glück. „Dieses Jahr war ein sehr kalter Winter. Das Heizungssystem war ausgefallen. Alles was man hören konnte, war das Klappern von Zähnen, Husten und Stöhnen. Keiner der Insassen konnte sich erinnern, jemals so viel Schnee gesehen zu haben. Doch mit dem Schnee kam auch ein wenig Freude. Einige warfen Schneebälle im Hof, sie lachten.“

"Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen sind"

Doch die meiste Zeit spricht tiefe Verbitterung aus Jabbaris Aufzeichnungen.

„Ich bin in einer Situation, von der ich nie dachte, dass ich sie erleben müsste. Manchmal frage ich mich, warum sie mich für so eine große Bedrohung halten, für so eine große Nummer.“

Für Menschenrechtsorganisationen sind ihre Schilderungen wertvolle Hinweise, auch wenn die Authentizität ihrer Aussagen kaum überprüft werden kann:

„Die Schläge des Ermittlers ließen meine Ohren so heiß werden, dass ich nicht einmal mehr Schmerz fühlte (...) Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen sind. Ich war sehr müde und dreckig. So dringend wollte ich ein Bad nehmen. Der Dreck auf dem Boden der Zelle hatte meinen ganzen Körper so schmutzig werden lassen.“

Die letzten Zeilen sind zu privat

Einige der Briefe hält das „Internationale Komitee gegen Todesstrafe“ bis heute zurück. Es sind Zeilen, die Jabbari unmittelbar vor ihrem Tod schrieb, zu persönlich für die Öffentlichkeit. Die letzten bekannten Worte, die sie ihrer Mutter schrieb, lauteten:

„Ich will dich umarmen, bis ich sterbe. Ich liebe dich.“

Auch dieser Wunsch blieb ihr verwehrt. Jabbaris Familie erfuhr von der Vollstreckung des Todesurteils erst aus dem Radio.

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