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Das linke Kulturzentrum "Rote Flora" soll geräumt werden. Seit Monaten wird dagegen protestiert.

© dpa

Update

Krawalle und Verletzte: Schwere Krawalle bei Demonstration für "Rote Flora" in Hamburg

Der Konflikt um die „Rote Flora“ eskaliert. Bei einer Demonstration zum Erhalt des linken Kulturzentrums ist es in Hamburg zu schweren Ausschreitungen gekommen.

Es dauert nicht einmal eine Minute, und schon bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen. Böller und Rauchbomben regnen auf Polizisten nieder, als Reaktion setzen die Beamten Wasserwerfer und Tränengas ein. Die Ouvertüre eines hochexplosiven Tages in Hamburg, an dessen Ende die Straße rund um das linke Kulturzentrum "Rote Flora" schlimmer als nach einer Silvesternacht aussieht.

Die Straße ist mit Scherben übersät, Straßenschilder sind umgeknickt, Dutzende Steine aus dem Pflaster gerissen, Biertischgarnituren demoliert und die Scheiben eines Drogeriemarktes zerstört. Und als die Polizei den Protestzug auflöst, verspricht einer der Redner auf dem Demonstrationswagen der aufgebrachten Menge: „Das heute ist nicht das Ende, das ist erst der Anfang.“ Gleich mehrere Konfliktthemen, die seit Wochen in der Hansestadt leidenschaftlich diskutiert werden, stehen im Mittelpunkt des Protesttages: Es geht um die Zukunft der „Roten Flora“, den Erhalt der Esso-Häuser, den allgemeinen Wohnungsmangel und die Lage der Lampedusa-Flüchtlinge. „Die Stadt gehört allen“, ist eines der Leitmotive der rund 7300 überwiegend aus dem linken politischen Spektrum stammenden Teilnehmer.

Als sich die ersten Demonstranten am frühen Nachmittag vor der „Roten Flora“ versammeln, ist die Stimmung noch friedlich. Anwohner lassen Konfetti auf die Menge rieseln, Familien mit kleinen Kindern mischen sich unter die Protestierenden, es dröhnt Musik vom Demonstrationswagen. Doch als sich dann kurz vor 15.00 Uhr vermummte Linksautonome im Schwarzen Block an der Spitze des Demonstrationszugs versammeln, kippt die Stimmung. Kurz danach herrscht Ausnahmezustand im gesamtem Schanzenviertel. Wer nicht die direkte Konfrontation sucht, rettet sich in Hauseingänge und Kneipen oder sucht das Weite.

Seit Wochen wusste die Hamburger Polizei, dass an diesem vierten Adventssamstag ein Großeinsatz bevorstand. Was sich dann aber zwischen Schanzenviertel und Kiez abspielt, ist auch für Hamburger Verhältnisse ungewöhnlich. „Solche Gewaltausbrüche hatten wir schon lange nicht mehr“, sagt Polizeisprecher Mirko Streiber am Abend. Das Besondere: Es habe keinerlei Rücksicht auf die Gesundheit von Polizisten und Unbeteiligten gegeben. „Das ist ungewöhnlich und neu“, sagt Streiber.

Doch es gibt auch Klagen über das Vorgehen der mehr als 2000 Beamten, die teilweise auch Pfefferspray einsetzten. „Die Polizei war sehr aggressiv und hat übertrieben“, sagt einer der Demonstranten.

„Das Auftreten der Polizei ist schon sehr krass. So unkontrolliert und nervös haben wir es nicht erwartet“, sagt ein anderer.

Nach dem explosiven Aufeinandertreffen auf dem „Schulterblatt“, bei dem es auch Pflastersteine und Glasflaschen auf die Polizisten hagelte, liefert sich ein Großteil der Demonstranten nahe der Reeperbahn ein „Katz-und-Maus“-Spiel mit den Beamten.

Und die Spur der Zerstörung geht weiter. Die Scheiben eines Büros der in Hamburg alleinregierenden SPD werden eingeschlagen, mehrere Wagen beschädigt. Ein Polizeiauto wird am Abend mit Steinen beworfen, ein anderes angezündet. Bis 23.00 Uhr zählte die Polizei 82 verletzte Beamte. 15 von ihnen mussten nach Angaben einer Sprecherin ihren Einsatz daraufhin beenden, einige wurden in Krankenhäusern stationär aufgenommen. Ein Polizist aus Niedersachsen wurde durch einen Steinwurf so schwer verletzt, dass er bewusstlos ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Genauere Angaben zur Zahl der verletzten Demonstranten gab es zunächst nicht. 16 Menschen seien wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs vorläufig festgenommen worden, sagte die Polizeisprecherin. In der Kastanienallee nahe der Reeperbahn seien zudem 120 Menschen in Gewahrsam genommen worden.

Damit es am Abend nicht auch noch auf dem Kiez zu schweren Ausschreitungen kommt, sperrt die Polizei die Reeperbahn ab.

Polizisten fordern Besucher auf, die Amüsiermeile zu verlassen, da sie nicht für ihre Sicherheit garantieren könnten. Der Betrieb auf der sonst so belebten Reeperbahn ist massiv eingeschränkt. So sagt auch Deutschlands bekannteste Dragqueen Olivia Jones ihre Kieztouren kurzfristig ab. „Wir bitten um Verständnis und empfehlen, den Bereich St. Pauli heute sicherheitshalber zu meiden“, gibt sie via Twitter bekannt. (dpa)

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