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Panorama: Martin Walser im Interview: "Ich fluche nicht, ich werfe weg"

Er ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Nachkriegszeit. Die "Süddeutsche" nannte ihn einen "zürnenden Magier der Sprache", für die "FAZ" ist Martin Walser, 74, ein Epiker der Alltagswelt.

Er ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Nachkriegszeit. Die "Süddeutsche" nannte ihn einen "zürnenden Magier der Sprache", für die "FAZ" ist Martin Walser, 74, ein Epiker der Alltagswelt. Er unterstützte in den 60er Jahren die SPD bei Wahlen, er galt als Sympathisant der DKP, freute sich später "untrübbar" über die Wiedervereinigung. Als Walser 1998 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekam, sprach er in seiner Rede von der "Instrumentalisierung von Auschwitz", was heftigen Streit auslöste. Sein neues Buch erscheint kommenden Samstag und wird im nächsten Weltspiegel besprochen.

Herr Walser, in Ihrem neuen Roman, dem "Lebenslauf der Liebe", spielt Sex eine wichtige Rolle und ist dennoch ein trauriges Kapitel. Sie beschreiben ein Paar, das den Sinn der Ehe darin erblickt, sich gegenseitig von der permanenten Untreue zu unterrichten. Während er mit den Konkubinen auf Reisen geht, beschafft sie sich mittels Zeitungsannoncen ihre Männer.

In dieser krassen Kürze klingt das entsetzlich. Ich stamme aus einer Zeit, in der man das Geschlechtsleben noch nicht Sex genannt hat, so dass ich dem Wort gegenüber eine Reserve verspüre. Ich habe einen Roman über den Lebenslauf der Liebe geschrieben. Er handelt von einem Paar, das exemplarisch ist: Die Frau will den Mann ganz für sich oder gar nicht haben, das ist ihr weiblicher Wunsch, ihre menschliche Bedingung. Der Mann kann sich jedoch nicht auf eine einzige Frau beschränken. Das scheint mir ein fundamentales Verhältnis der Geschlechter in unserer Kultur zu sein. Die Vereinbarung des Paares, nichts hinter dem Rücken des anderen zu tun, ist nicht wie von den beiden geglaubt eine tolle menschliche Bedingung, sondern die Strategie Lüge schlechthin. Das ist nach meinem Dafürhalten das Gewöhnliche, das Übliche, und das wollte ich darstellen.

Wie sind Sie an diese brüchige, hintergründige Ehegeschichte herangekommen?

Die Geschichte ist mir sozusagen ins Haus gekommen, wie schon bei der "Verteidigung der Kindheit" und bei "Finks Krieg". Es hat mit einem Anruf angefangen. Der Mann von dieser Susi Gern, der Hauptfigur des Romans, wollte die Videokassette eines Filmes, den ich mal fürs Fernsehen gemacht hatte. Aus einem Telefongespräch wurde eine Bekanntschaft. Mann und Frau hatten das Bedürfnis, sich mitzuteilen.

Hatten Sie das Thema lange im Kopf?

Nach etwa 15 Jahren hat so etwas wie eine Kernschmelze stattgefunden, und ohne dass ich das beabsichtigt hatte, bin ich Susi Gern geworden. Da wusste ich, dass ich den Stoff zu meiner Sache gemacht hatte, da habe ich begonnen zu schreiben.

Die Detailgenauigkeit Ihres neuen Buches verrät den geübten Rechercheur, den ehemaligen Journalisten.

Das ist kein Recherchieren. Wenn ich recherchiere, weiß ich, wonach ich suche. Das ist bei mir nicht der Fall. Ich habe einen Menschenfängerinstinkt und folge dem, und dann kriege ich da und dort, was ich brauchen kann. Das niederrheinische Platt, beispielsweise, habe ich von einem Düsseldorfer Pensionär, der ein Buch von mir signieren lassen wollte. Während ich mit ihm sprach, hörte ich diesen Stadtsound bei ihm, er sprach kein abrasiertes Hochdeutsch, auch keinen betonten Dialekt, eben diesen Stadtsound. Menschenskinder dachte ich, der weiß, wo ich die Sprache für die Conny herkriegen kann.

Die behinderte Tochter Ihres Roman-Ehepaares.

Also, der Mann hat mir dann einen Stoß von Büchern in niederrheinischem Platt geliefert, aus denen ich meine Conny-Sätze gefügt habe. Wenn ich auf der Romanspur laufe, wird die ganze Welt zum Zulieferer.

Woher haben Sie die Detailkenntnisse vom Düsseldorfer Straßenverlauf, von bestimmten Häusern?

Ich bin für drei Monate nach Düsseldorf gezogen, um in dem Viertel zu wohnen, in dem mein Roman spielt. Das nenne ich Einstimmung ins Milieu.

Wo haben Sie gewohnt?

Im Renaissance-Hotel, ich mag solche Hotels von allerhöchster Zurückhaltung, was Design und so weiter betrifft, so ein Allgemeindings eben. Ich wollte bei dieser Gelegenheit auch mal ausprobieren, ob ich im Hotel schreiben kann, da ich ja schon den ganzen Stoff parat hatte. Das hat auch funktioniert. Und das hätte ich nie gedacht. Ich hatte immer geglaubt, ich sei auf meinen häuslichen Schreibtisch in Nußdorf angewiesen. Das war für mich eine wichtige Erfahrung.

Im "Lebenslauf der Liebe" ist häufig vom Bumsen und Vögeln die Rede, das ist man von Ihnen nicht gewohnt.

Die Ausdrücke haben Zitatcharakter, sind Figurensprache, geben eine Atmosphäre wider, die durch die Zumutungen der Wirklichkeit entsteht. Susi Gern hat abendliche Runden mit anderen Ehepaaren satt, die sich anöden und aneinander herumnörgeln. Da spricht sie in ihrem Abscheu so einen Satz: "Wenn die dann wieder daheim sind, dann werden sie aufeinander liegen und das wieder zurechtbumsen."

Sie lesen Ihrer Frau sicher dann und wann etwas von dem vor, was Sie geschrieben haben. Wie kommentiert sie den von Edmund Gern häufig gebrauchten Satz: "Ja, soll ich mir den Schwanz abschneiden?"

Ich lese meiner Frau niemals etwas vor, so lange das Buch nicht fertig ist. Ich kann mit niemandem etwas teilen, was noch nicht fertig ist. Das mache ich dann zum ersten Mal vor den Verlagsleuten, dann taste ich und teste ich, wie die auf das neue Buch reagieren.

Also, Ihre Frau ist nicht - wie bei einer Reihe anderer Schriftsteller - Ihre erste Leserin und Kontrollinstanz?

Die erste Leserin schon. Ich schreibe ja mit Hand, und sie gibt den Text in den Computer ein. Sie schreibt das fertige Manuskript ab, 1000 handgeschriebene Seiten, ein Stoß Papier. Das sind 14 spannende Tage für mich, sie können Erlösung, aber auch Verlängerung der Leidensstrecke bedeuten.

Fällt nicht doch manchmal der Satz: "Martin, das kannst Du so nicht schreiben?"

Das ist, gestatten Sie, nicht unser Umgangston.

Was hat sie zum "Lebenslauf der Liebe" gesagt?

Sie hat sich für Susi Gern engagiert, so wie die mit ihrer zurückgebliebenen Tochter Conny umgeht, das fand sie anziehend und menschlich. Da hat sie gesagt: "Das rettet die Susi", die ja sonst nicht unbedingt als nur sympathisch empfunden werden muss. Das hat mich natürlich berührt, dass das bei ihr aufgeblüht ist.

Das ist verständlich, nachdem Sie erklärt haben, wie stark Sie sich mit der Protagonistin identifizieren.

Die Frau eines Romanschreibers lernt ihren Mann mit jedem neuen Buch neu kennen. Wohl der Frau, die einen Mann hat, der Romane schreibt, da bleibt sie auf dem Laufenden, erfährt, was sie sonst nie erführe, was andere Frauen von ihren Männern nicht erfahren.

Bleibt ein Satz, wie Sie ihn geschrieben haben, stehen, oder feilen Sie dran, bis er Ihnen gefällt?

So und so. Bei mir spielt das erste Hingeschriebene die Hauptrolle. Mit der Hand zu schreiben ist eine physisch-nervlich so provozierende Tätigkeit, die sich irgendwie den Sätzen mitteilt. Aber wenn ich Ihnen meine Manuskripte zeigen würde, würden Sie über die vielen Korrekturen und Einfügungen staunen.

Wie reagieren Sie beim Schreiben, wenn etwas nicht gelingt? Fluchen Sie so wie Bertolt Brecht?

Ich merke nicht gleich, ob etwas misslingt. Ich merke es erst , wenn ich den Text wieder lese. Erst wenn ein Kapitel zu einem Ende gekommen ist, lese ich das noch mal. Und wenn es mir nicht gefällt, fluche ich nicht, sondern streiche durch oder werfe weg.

Gibt es Geräusche, die Sie beim Schreiben stören?

Mich stört nichts. Nun bin ich daheim am Bodensee sowieso in einer privilegierten Umgebung, aber auch in Düsseldorf am Hotelzimmerschreibtisch hat mich nichts gestört, nachdem ich die aus den Wänden strömende Dauermusik habe abstellen lassen.

Wenn Sie in Ihrem abgeschirmten, hochgelegenen Arbeitszimmer schreiben, kommt da nicht mal Ihre Frau und sagt, der Hund muss jetzt ausgeführt werden?

Mein Tag hat einen Ablauf, der allseits respektiert wird. Ich gehe zum Essen hinunter. Und dann kommt es manchmal vor, dass ich, gewissermaßen als Berufsdreingabe, eine Mitteilung mache wie, dass wieder was aufs Papier gekommen ist, wovon am Morgen nicht einmal eine Ahnung vorhanden war. Oder: der erste Satz ist gefunden.

Wann war der erste Satz dieses Buches fertig?

Ich weiß es nicht mehr. Aber ganz sicher habe ich, als ich anfing, nicht mit dem Satz angefangen, der jetzt da steht. Das ist auch eine Erfahrung, dass man sich nicht mit der Erwartung belasten darf, dass der zuerst hingeschriebene Satz auch der erste bleibt. Im Laufe des Schreibens stellt sich der erste Satz erst ein.

Erinnern Sie sich noch, wann Sie diesen Satz zum ersten gemacht haben?"Sechsmal hielt sie den Zeigefinger Domino hin, sechsmal hielt sie ihn Jeannie hin und zählte mit und wechselte ab, weil sie wusste, Jeannie hätte es für ungerecht gehalten, wenn Domino sechs mal nacheinander den aus der Quarkschüssel auftauchenden Zeigefinger hätte ablecken dürfen, bis sie zum ersten Mal drangekommen wäre."

Aber jetzt müssen Sie noch weiterlesen. "Susi Gern genoss es, gerecht zu sein." Verstehen Sie jetzt, warum dieser Satz, diese beiden Sätze am Anfang stehen?

Wann ist Ihnen dieser Satz eingefallen?

Als ich gemerkt habe, beim Hinschreiben, dass sich dieses Frühstück zu einem Ritual entwickeln würde. Ich nehme an, dass ich ihn am zweiten Tag schon hatte und den ersten wegwarf.

Haben Sie da schon das Ende gekannt?

Nach meiner Erfahrung determiniert sich das Ende eines Romans so um die Mitte. Er produziert dann sein Ende selbst. Vor ein paar Tagen haben mich zwei Leser des Vorabdrucks in der "FAZ" gebeten, den Roman nicht unglücklich enden zu lassen. Der eine schrieb: "Ich ahne schon, das kann nicht gut ausgehen, aber ich bitte Sie, heiliger Martin, lassen Sie das nicht zu."

Der Schluss geht so: "Conny stand dicht bei ihnen, Susi spürte sie, dann sagte Conny zu ihr und Khalil herauf: Mer blewe zusamm wie Kätzke und Tätske bes zom Lewesjottsdach. Susi nickte, konnte sich aber so lange es blitzte und knallte und läutete, nicht regen und sich schon gar nicht von Khalil lösen. Und er sich offenbar auch nicht von ihr. Conny sagte zu ihnen herauf: Ich liebe euch beide. Jetzt lösten beide ihre Münder voneinander, ohne ihre Arme voneinander zu lassen, und sagten beide zugleich zu Conny hin: Und wir erst dich." Dieser Satz "und wir erst dich" zieht sich leitmotivisch durch den ganzen Roman.

Im Singular. Jetzt ist er zum ersten Mal im Plural. Darauf wollte ich hinaus.

Ein Happy-End, wie von den "FAZ"-Lesern gefordert.

Ja. Das hat sich so aber ergeben, Gott sei Dank. Denn ich hätte es nicht willkürlich erschreiben können. Ich versuche jedoch immer das glücklichste Ende herauszuarbeiten, das für eine Romanmasse möglich ist, ohne dass ich fälsche. Ich bin ja selbst so veranlagt, dass ich an einem guten Ausgang interessiert bin.

Hatten Sie irgendwann eine Schreibblockade?

Ich weiß nicht genau, was das sein soll.

Nun tun Sie mal nicht so.

Für mich ist Schreiben Lebensart, und so wie ein Pianist jeden Tag drei Stunden Fingerübungen macht, so kann auch ich keinen Tag ohne Fingerübungen, ohne Schreiben sein. Ich schreibe nicht unentwegt an einem Roman, ich mache Notizen, überall wo ich bin. Mit einem Projekt kann man ja erst anfangen, wenn man anfangen kann. Das kann wie beim "Springenden Brunnen" 25 Jahre dauern, oder es kann von einem Tag auf den anderen passieren. Wenn man dann am Schreiben ist, kann man auch keine Schreibblockade mehr haben. Ich kenne eher Blockaden, wenn ich ein Projekt entwickle. Das Zögern vor dem Anfang. Die peinliche Ungewissheit, ob das Projekt reif ist.

Denken Sie schon über ein neues Projekt nach?

Ich habe drei Projekte im Kopf, aber ich weiß nicht, wie ich denen näherkomme, sie sind abenteuerlich weit weg. Quälend weit. Das hängt auch damit zusammen, dass ich von Susi Gern nicht wegkomme. Sie erwischen mich in einem Augenblick, in dem ich der Frau noch total verhaftet bin. Wenn ich daheim an den Schreibtisch gehe, dann liegt das Buch da. Ich schlage es auf und schaue auf irgendeiner Seite den ersten Satz an und frage mich: Steht der zu Recht da?

Es gibt viele Schriftsteller, die beim Schreiben eine Stimulanz brauchen. Schiller soll sich mit dem Geruch eines faulenden Apfels in Stimmung gebracht haben.

Ich kenne das Gerücht auch, aber ist das verbürgt? Zufuhr dieser Art brauche ich nicht. Aber doch. Als ich am "Fliehenden Pferd" schrieb, habe ich jedes Mal nach dem Mittagessen zuerst noch die "Meistersinger" gehört, ich weiß auch nicht warum. Und bei der "Verteidigung der Kindheit" war es dann Strawinsky, in den Schreibpausen. Andere Stimulanzen als Musik kämen mir wie Doping vor.

Auch kein Rotwein, dem Sie doch gerne zusprechen?

Wenn wir jetzt bei mir zu Hause wären, und wir würden zum Mittagessen einen Wein trinken, dann könnte ich nachmittags nicht mehr arbeiten, ich kann nicht die geringste Spur von Alkohol vertragen, während ich schreibe. Ich wäre mir fremd. Deswegen kommt bei mir Alkohol erst nach Sonnenuntergang vor.

Tun Sie sich schwer, in den Tag mit den Schreibpflichten hineinzukommen?

Ich bin ein Mensch mit einem niedrigen Blutdruck, deshalb muss ich mich zum Arbeiten zunächst einmal physisch aufrüsten. Im Laufe der Zeit ist diese Aufrüstung immer anspruchsvoller geworden. Im Sommer schwimme ich zuerst einmal eine Stunde Kraul.

Im Bodensee?

Ja. Außerdem habe ich ein elaboriertes Programm, das falsch bezeichnet ist, wenn ich es Gymnastik nenne und falsch bezeichnet, wenn ich es Yoga nenne. Das ist eine Hausmachermischung aus allem Möglichen, die sich bei mir bewährt hat, und die ich einer Yoga-Lehrerin verdanke, bei der ich zwei Jahre lang in die Lehre gegangen bin. Dieses Gymnastik-Yoga-Programm dauert auch eine Stunde. Im Sommer fange ich also nicht vor elf an zu arbeiten.

Wie viele Seiten schreiben Sie am Tag?

Das können wir ja mal ausrechnen. Nehmen wir die gedruckten Seiten vom "Lebenslauf der Liebe", etwas über 500. Mehr als 600 Tage habe ich geschrieben, dann komme ich nicht auf eine Seite pro Tag.

Thomas Mann hat in der Frühe angefangen und bis mittags geschrieben, ganz egal, wie viel er zu Stande gebracht hat. Bernhard Schlink sitzt bis zu 14, 15 Stunden täglich am Schreibtisch. Und Sie?

Früher habe ich um neun angefangen. Jetzt geht es, wie gesagt, um elf los. Ich arbeite bis halb zwei, dann wird gegessen und danach mit dem Hund, wie man bei uns sagt, stramm gegangen. Da komme ich vor vier Uhr nicht wieder an die Arbeit. Bis acht, oder halb neun halte ich durch. Aber nachdem ich "Finks Krieg" geschrieben hatte, konnte ich nicht mehr gerade sitzen. Mein Schwiegersohn hat mir so einen welligen dänischen Stuhl geschenkt, in dem man liegt, mit einem Schreibpult und auf den Knien. Ich dachte danach, das ist das Ende. Dann habe ich, zwei Jahre lang trainiert und das nie mehr aufgegeben. Jetzt kann ich wieder sechs, sieben Stunden sitzen. Und schreiben.

Lassen Sie sich während einer Schreibperiode ablenken? Halten Sie Vorträge oder Vorlesungen?

Seit 1978 kann ich es mir leisten, mich nicht mehr ablenken zu lassen. Seitdem kann ich vom Schreiben leben. Früher war ich 150 Tage im Jahr auf Reisen. Ich ging zehn Jahre lang als so genannter Gastprofessor nach Amerika, weil ich die Familie da ein paar Monate lang versorgt sah. Seit dem lieben "Fliehenden Pferd" ist alles leichter geworden. Jetzt könnte ich wahrscheinlich bis an mein Lebensende, was die materielle Ermöglichung angeht, am Schreibtisch sitzen bleiben.

Was verdienen Sie am "Lebenslauf der Liebe"?

Ich muss viel verdienen, weil ich so lange daran gearbeitet habe. Wenn der Roman weniger als 100 000 Exemplare verkauft, zahle ich drauf. Das "Fliehende Pferd" habe ich in Nullkommanichts hingeschrieben, das hätte sich sogar mit weniger als 100 000 gelohnt. Ich mag beim "Lebenslauf der Liebe" noch nicht von Zahlen reden. Ich kann nur sagen, dass seit der "Brandung" die meisten Bücher, sowohl in der teuren Ausgabe wie im Taschenbuch, ziemlich bald die 100 000 Exemplare erreicht haben. Es ist zwar indezent von mir, wenn ich sage, dass ich von diesem Roman das auch erwarte. Aber ich sage es. Es stecken fast drei Jahre Schreiben und 15 Jahre Vorarbeiten drin. Weil Sie die Frage so ökonomisch gestellt haben, habe ich ökonomisch darauf geantwortet. Vielleicht verkläre oder stilisiere oder überschätze ich mich, wenn ich konstatiere, dass ich weiß, was ich gemacht habe, wenn ich eine Arbeit beendet habe - auch ohne die Antwort des Betriebs, der Welt, der Öffentlichkeit, des Publikums und der Kritik. Dieses Wissen ist auflagenunabhängig. Die Auflagen sind das Ökonomische und das andere ist für mich das Wichtige.

Das, was man mit sich selbst abrechnet.

Genau, genau. Meine Bücher sind für mich Lebensdenkmale, meinetwegen auch Grabsteine, die alle den Endgrabstein vorbereiten.

Herr Walser[dem \"Lebenslauf], in Ihrem neuen Roman[dem \"Lebenslauf]

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