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Panorama: Menschen aller Länder, umarmt euch!

Die „Free Hugs“-Bewegung kommt über Australien, Amerika, Israel und China nach Deutschland

Berlin - „Soziale Entwurzelung, zu wenig menschlicher Kontakt.“ Ein Mann in Australien zeichnet auf seiner Internetseite ein ziemlich düsteres Bild unserer Gesellschaft. Der Mann hatte die „soziale Kälte“ satt, und er beschloss, etwas gegen sie zu tun. „Manchmal braucht es einfach nur eine Umarmung“, verkündete er und malte sich ein Pappschild: „Free Hugs“ – kostenlose Umarmungen. Mit dem Schild marschierte er in ein Einkaufszentrum und umarmte wildfremde Menschen. Unter dem Pseudonym Juan Mann veröffentlichte er am 22. September ein Video der Aktion auf dem Internetportal YouTube. Mann bekam zunächst ein bisschen Ärger mit der australischen Polizei, weil er keine nötige Versicherungs-Police für seine Aktionen vorzeigen konnte.

Aber sein Video schlug ein wie eine Bombe. Bereits fünf Tage nach der Veröffentlichung war der kurze Spot über sieben Millionen Mal angeklickt worden. Dann lief das Video im Fernsehen bei „Good Morning America“, einem der wichtigsten TV-Formate in den USA. Bis heute haben Fans der Aktion über 14 000 Kommentare zu dem Video abgegeben und es auf Platz sechs der beliebtesten YouTube-Videos überhaupt katapultiert. Juan Mann wurde von US-Talk-Star Oprah Winfrey eingeladen.

Aus der Aktion ist eine weltweite Kampagne geworden. In den USA, in Israel, sogar in China verabreden sich Leute über das Internet und treffen sich auf öffentlichen Plätzen. Sie tragen ein Schild mit der Aufschrift „Free Hugs“ und umarmen sich. Auch Passanten wird eine kostenlose Umarmung angeboten. In China stieß das Vorhaben auf wenig Verständnis, die Ordnungsmacht erstickte die Initiative im Keim.

In einem deutschen Forum bringt zum Beispiel eine Frau namens Stephie die Idee nach Deutschland. Ausgerechnet im kalten München möchte Stephie wahllos Menschen umarmen. Warum? „Weil’s in der Welt einfach viel zu wenig Liebe gibt.“ Und so schwappt in der heimeligen Vorweihnachtszeit die Liebes-Welle unaufhaltsam auch nach Deutschland herüber. „Sharing love“ verspricht – oder droht? – ein anonymer Nutzer im Internetforum hospitalityclub.org allen Berlinern, die nächsten Samstag ab elf Uhr auf dem Alexanderplatz unterwegs sind. Das wiederum freut Internetnutzer Steffen, denn: „Ich komme aus Berlin und hier können sicherlich viele Menschen einfach mal eine Umarmung vertragen.“ Außerdem im Gespräch: Duisburg, Göttingen, Stuttgart, Köln. Nicht mal vor einer Kleinstadt wie Aalen machen die Free-Hugs-Aktivisten Halt.Wie die Happenings in Deutschland wirklich aussehen werden, ist freilich bislang offen – außer den Foreneinträgen hat die Bewegung in Deutschland noch nichts vorzuweisen. Immerhin scheint die Bundesrepublik ein relativ einfacher Markt für die Umarmungs-Idee zu sein, jedenfalls legen das die vielen Forenbeiträge im Internet nahe.

Aber wer will schon fremde Menschen umarmen? Oder gar umarmt werden? Vielleicht hat die Aktion eine ähnlich lange Halbwertszeit wie vor nicht allzu langer Zeit die Flash-Mobs. Damals verabredeten sich auch Leute über das Internet für irgendwelche kauzigen Aktionen in der Öffentlichkeit, aber nach ein paar Tagen war die Luft raus. Wie das in anderen Ländern funktionieren soll, bleibt unklar. Ein Blick auf die Liste der zukünftig zu umarmenden Staaten auf Juan Manns Website, zeigt, dass man Großes vorhat. So soll die Kampagne auch im Irak Erfolg haben, finden die Initiatoren. So als endgültiger Sieg ihrer Idee.

Samstag, 11 Uhr, Alexanderplatz

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