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Meteoriten sind als Himmelsboten mehr oder weniger wertvoll. Dieser hier ist einer von vielen, die im chinesischen Urumqi ausgestellt sind.

© AFP

Meteoriteneinschlag in Saricicek in der Türkei: Als Reichtum vom Himmel fiel

Geldsegen aus dem Weltall: Wie über einem armen türkischen Dorf Meteoriten niedergingen und die Bewohner fast über Nacht zu stolzen Besitzern von Autos und Wohnungen machten.

Wenn einem der Himmel auf den Kopf fällt, muss das nicht unbedingt schlecht sein. Die Bewohner des Dorfes Saricicek im verarmten Südosten der Türkei können bezeugen, dass tatsächlich alles Gute von oben kommt. Ein unerwarteter Geldsegen aus dem Weltall hat aus den Dörflern stolze Besitzer von Autos und Wohnungen gemacht.

Der Reichtum fiel in Saricicek eines Nachts mit einem ziemlich lauten Knall vom Himmel. Einen kurzen Moment lang blitzte in der Dunkelheit helles Licht auf. Die Bewohner des Dorfes schreckten aus dem Schlaf hoch und dachten zuerst, in der Nähe sei ein Gefecht zwischen den kurdischen PKK-Rebellen und der türkischen Armee ausgebrochen.

Doch nach dem einen Knall war alles wieder ruhig. Am nächsten Morgen fanden die Leute in ihren Gärten und auf den Feldern um das Dorf merkwürdige dunkle Steinbrocken.

Einige aus Saricicek schauten sich die niedergegangenen Steine genauer an und riefen die Universität im nahen Bingöl an, um die dortigen Experten zu informieren. Und die meldeten die Sache weiter, bis einige Wochen später die US-Weltraumagentur Nasa auf Saricicek aufmerksam wurde. Die Amerikaner schickten einen Experten in das ostanatolische Dorf, der die Bruchstücke als Weltraumgestein identifizierte, das wahrscheinlich von dem Asteroiden Vesta abbrach, Richtung Erde raste und beim Eintritt in die Atmosphäre explodierte.

Seitdem ist in Saricicek nichts mehr, wie es vorher war. Weltraumfreunde aus aller Welt interessieren sich für das Meteoritengestein und sind bereit, viel Geld für ein Bruchstück zu bezahlen. Summen von umgerechnet 60 bis zu 190 Euro pro Gramm werden genannt. Im Ort, dessen Name auf Deutsch „Gelbe Blume“ bedeutet und dessen 3000 Bewohner bisher vor allem von der Viehzucht lebten, wurden deshalb alle zu Meteoriten-Jägern. Sie durchstöberten die Umgebung des Ortes in der Hoffnung auf einen großen Fund. Einige suchten nachts, weil sich die Leute erzählten, die Meteoritenstücke leuchteten in der Dunkelheit.

Das größte Prachtstück wiegt anderthalb Kilogramm

So mancher musste zu seinem Glück gezwungen werden. Der 30-jährige Hasan Beldek zum Beispiel wollte sich der Suche zunächst nicht anschließen, doch dann nörgelte seine Schwiegermutter so lange herum, bis er doch seine Jacke nahm und auf die Felder ging. Inzwischen dürfte Beldek seiner Schwiegermutter sehr dankbar sein. Nach mehreren Stunden vergeblicher Suche stieß er auf den bisher größten Brocken überhaupt: 1,5 Kilogramm schwer ist das schwarz glänzende Prachtstück.

Jetzt träumt der Hilfsarbeiter Beldek, der drei Kinder zu ernähren hat, vom großen Geld. Ein Angebot von mehr als 100 000 Euro für den Stein hat er ausgeschlagen, weil er auf einen noch größeren Erlös hofft. „Ich warte auf bessere Kunden“, sagte Beldek laut türkischen Medienberichten. Ein Haus und einen Imbissladen will er sich kaufen, wenn es so weit ist.

Andere wollten nicht warten und machten ihre Fundstücke sofort zu Geld. Sie kauften sich Autos und Wohnungen – insgesamt mehr als 300 000 Euro haben die Dorfbewohner der Presse zufolge schon eingenommen. In einem Land, in dem der monatliche Netto-Mindestlohn bei durchschnittlich 326 Euro liegt, ist das eine stolze Summe.

Mehmet Nezir Ergün aus Saricicek ist überzeugt, dass seine Nachbarn ihren plötzlichen Reichtum nur ihm zu verdanken haben. Er habe gleich gewusst, dass es sich bei dem Steinhagel in jener Nacht im September um etwas Besonderes gehandelt habe, sagte er türkischen Medien. Trotzdem sei er im Ort wochenlang wie der Dorfdepp behandelt und verhöhnt worden, wenn er von einem Meteoriten geredet habe. Erst als die Wissenschaftler und Weltraumfans in Saricicek auftauchten, hätten auch die anderen im Dorf verstanden, was los sei.

Russische Interessenten waren zuerst da

Russische Meteoritenjäger seien die ersten ausländischen Steinesucher gewesen, die ins Dorf kamen, erinnert sich Ergün. Weil in Saricicek zu dieser Zeit noch niemand wusste, welches Interesse die dunklen Gesteinssplitter auslösen würden, machten die russischen Besucher mit weniger als 20 Euro pro Gramm ein Schnäppchen. Als wenig später die Amerikaner und die Deutschen kamen, hatten sich die Preise schon verdoppelt. Danach ging es weiter steil aufwärts. Beim zweiten Besuch der russischen Interessenten mussten sie dreimal mehr zahlen als beim ersten Mal.

Wie lange das Himmelsglück in Saricicek währen wird, weiß niemand. Rekord-Finder Beldek glaubt, es könnten noch mehr Weltallsteine auf den Feldern herumliegen: Als er seinen großen Stein fand, vergaß er vor lauter Aufregung, die Umgebung der Fundstelle nach weiteren Meteoritenresten abzusuchen, wie er sagte. Vielleicht muss seine Schwiegermutter im Dienste der Wissenschaft noch einmal nörgeln.

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