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Aussteigen aus der rechten Szene ist nicht einfach, noch komplizierter wird es, wenn Kinder mit im Spiel sind, wie der Fall von Tanja P. zeigt.

© afp

Nazi-Aussteigerin: Wenn eine rechtsextreme Ehe zerbricht

Eine Nazi-Aussteigerin hat ihren Mann, einen bekannten Rechtsextremisten, mit den Kindern verlassen und ist abgetaucht, um sich vor Vergeltung zu schützen.

Von Frank Jansen

Wer die rechtsextreme Szene verlässt, muss die Rache der früheren „Kameraden“ fürchten. Das gilt auch für Frauen, die aussteigen. Selbst Mütter mehrerer Kinder sind vor Angriffen nicht sicher. Exemplarisch für so ein Drama ist der Fall der Tanja P., die sich 2005 mit ihren drei Kindern vom Ehemann, einem Bremer Neonazi, und dem braunen Milieu trennte – und sich bis heute versteckt hält. Jetzt musste sogar das Bundesverfassungsgericht eingreifen.

In dem Szeneblatt „Der weisse Wolf“ hatte der verlassene Markus P. Anfang 2006 gedroht, er hoffe, dass „Verräter eines Tages vor ein Reichsgericht gestellt werden können und sie dort ihre gerechte Strafe erhalten“. Tanja P. spricht dennoch ab und an öffentlich, getarnt mit Perücke und Sonnenbrille, über ihre Zeit im Rechtsextremismus. Außerdem verlässt sich die Mittvierzigerin darauf, dass Polizei und Justiz ihr helfen. Doch vergangenes Jahr war sie schockiert.

Das Oberlandesgericht Dresden entschied im Juli 2012, Markus P. werde von Oktober an jeden ersten Samstag im Monat für zwei Stunden der „Umgang“ mit seinen Kindern gewährt. Die Richter sahen kein Risiko für die Kinder und ihre Mutter. Dass der sächsische Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt Niedersachsen auf Gefahren vor allem für Tanja P. verwiesen, sollte Markus P. deren Wohnort ausfindig machen, stieß beim Gericht auf Zweifel. Damit hatte Markus P., so schien es, einen jahrelangen Rechtsstreit gewonnen, der 2008 mit der Scheidung begonnen hatte.

Tanja P. wandte sich mit einer Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht. Ende August konnte die Mutter erstmals aufatmen – die Zweite Kammer des Ersten Senats setzte in einer einstweiligen Anordnung „die Wirksamkeit“ des Beschlusses des Oberlandesgerichts Dresden aus. Allerdings nur „bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens bis zum 30. November 2012“. Die Richter sahen allerdings schon für die Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Gefahr, dass Tanja P. und die Kinder „Übergriffen aus der rechtsradikalen Szene ausgesetzt würden“, sollte der Kindesvater den Aufenthaltsort von Mutter und Kindern in Erfahrung bringen. „Deren leibliches und seelisches Wohl“ wären gefährdet.

Am 13. Dezember gab die Kammer, wie erst jetzt bekannt wurde, der Verfassungsbeschwerde statt. Nach Ansicht der Richter hatten die Kollegen in Dresden im Fall Tanja P. das Grundrecht auf Pflege und Erziehung der Kinder durch ihre Eltern verletzt – „angesichts des Ausmaßes der dem Kindeswohl durch die Umgangsregelung drohenden Gefahren“. Die Richter bescheinigten Tanja P. eine „dauerhaft konkrete Gefährdung“ wegen ihres Ausstiegs aus der rechten Szene. Vorbei ist die Geschichte aber noch nicht. Die Kammer verwies den Fall zurück ans Oberlandesgericht Dresden.

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