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Grauen am Absturzort von Malaysia Airlines Flug MH17.

© dpa

Ostukraine: Warum hatte Deutschland Überflüge nicht verboten?

Zivile Verkehrsmaschinen fliegen über viele Krisenregionen der Welt. Warum wurde der Luftraum über der Ukraine erst jetzt gesperrt? Warum reagierten manche Fluggesellschaften so spät? Und manche früher?

Nach dem Absturz von Malaysia Airlines Flug MH17 hat die Ukraine die Überflugrouten über dem Osten des Landes vollständig gesperrt. Vor allem Flüge nach Südostasien führen über ukrainisches Gebiet. Es steht die Frage im Raum, warum erst jetzt gehandelt wurde und warum monatelang Fluggesellschaften ohne Bedenken über das Krisengebiet flogen. Auch stellt sich die Frage, wie es um andere Krisengebiete wie Syrien, Irak und Afghanistan steht.

Warum dürfen zivile Maschinen über Krisengebiete fliegen?

In Krisengebieten, in denen Aufständische operieren, gilt es als sicher, wenn Verkehrsmaschinen höher als 10 000 Meter fliegen. Die Luftabwehrraketen dieser Gruppen reichen in der Regel nicht bis in solche Höhen. Wie die Flugsicherungsorganisation Eurocontrol mitteilte, hatten die ukrainischen Behörden vor dem Absturz die über den Osten des Landes führende Luftstraße bereits für Flüge bis zu einer Höhe von 32 000 Fuß (9753 Meter) gesperrt. Die Boeing von Malaysia Airlines flog aber auf 33 000 Fuß (10 058 Meter) und bewegte sich damit im zugelassenen Bereich. Erst nach dem Absturz hat die Ukraine die Flugrouten in unbegrenzter Höhe geschlossen.

Wie sieht es mit Syrien und Irak aus?

Für den Luftraum von Syrien besteht eine Warnung an alle Fluggesellschaften, denen geraten wird, das Gebiet möglichst zu umfliegen. Wiederholt hatten Piloten von Verkehrsflugzeugen berichtet, dass in der Nähe ihrer Flugroute Schüsse und Raketen abgefeuert wurden. In anderen Krisengebieten wie Irak und Afghanistan sind Überflüge ziviler Maschinen normal. Über den Irak führt in Nord-Süd-Richtung eine internationale Luftstraße, die von vielen Airlines genutzt wird. Da sie in Höhen zwischen zehn und 13 Kilometern verkehren, galt es bisher als unwahrscheinlich, dass sie durch militärische Auseinandersetzungen am Boden gefährdet werden könnten.

Wie haben die Fluggesellschaften reagiert?

Die Verantwortung, ob Flüge einer Linie umgeleitet werden, solange der Luftraum nicht gesperrt ist, liegt allein bei der jeweiligen Airline. Große Fluglinien wie die Lufthansa, Air France und Delta erklärten nach dem Unglück vom Donnerstag, den ostukrainischen Luftraum „bis auf Weiteres“ zu meiden. Die spanische Billiglinie Vueling zog am Freitag nach.

Damit kamen die Unternehmen indes sehr spät, viele Fluggesellschaften leiteten bereits vor Monaten Flüge an dem Gebiet vorbei. Auf die Frage, weshalb die Lufthansa erst am Donnerstag reagierte, verwies die Unternehmenssprecherin darauf, dass es eine Sperrung des Luftraums der Region bis dahin nicht gegeben habe. Der malaysische Regierungschef Najib Razak erklärte dazu ebenfalls, die Internationale Zivilluftfahrtorganisation habe die Route als „sicher“ eingestuft. Dem internationalen Luftfahrtverband IATA hätten auch keine Beschränkungen vorgelegen, und Stunden zuvor hätten noch Maschinen diverser anderer Linien die Routen genutzt, erklärte er. Zuvor waren neben Gesellschaften wie Lufthansa und Air France auch Air India, Thai Airways und Vietnam Airlines noch über das Gebiet geflogen. Durch geänderte Flugrouten verlängert sich die Flugzeit, außerdem wird mehr Treibstoff benötigt.

Air Berlin hat nach Angaben einer Sprecherin bereits zu Beginn der Krimkrise alle Flüge über die Ukraine eingestellt und umfliegt das Gebiet.

Experten bewerten die Entscheidung mancher Linien, bis zuletzt über die Ostukraine zu fliegen, unterschiedlich. Der Luftfahrtsicherheitsexperte Geoff Dell von der australischen Universität Queensland sagte dem TV-Sender Sky News, gefährliche Orte müssten „vermieden werden“.

Warum hat Deutschland nicht Überflüge der Ostukraine verboten?

Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums verwies am Freitag auf die von der Ukraine getroffenen Maßnahmen. Um den deutschen Luftverkehrsgesellschaften den Überflug von deutscher Seite aus zu verbieten, hätte es eines Regierungsbeschlusses bedurft, dessen Grundlage eine entsprechende Resolution der Vereinten Nationen hätte sein müssen. Jedoch sah und sieht die internationale Zivilluftfahrtorganisation der Vereinten Nationen, ICAO, auch am Freitag noch keine Veranlassung dafür, den ukrainischen Luftraum für zivile Flüge umfangreich zu sperren. Unabhängig davon haben die US-Behörden bereits am Donnerstagabend amerikanischen Fluggesellschaften den Überflug verboten.

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„Die jüngsten Ereignisse und das Potenzial für weitere gefährliche Aktivitäten“ haben die US Federal Aviation Administration dazu veranlasst, das bestehende Sperrgebiet über die Krim auf den östlichen Teil der Ukraine zu erweitern.

Wie sieht es jetzt über dem Luftraum der Ukraine aus?

Ein Blick auf die Radarschirme zeigt, dass derzeit nur wenige Flüge über der Ukraine zu beobachten sind. Die unten stehende Grafik mit den Luftbewegungen zeigt deutlich, dass der ukrainische Luftraum weiträumig gemieden wird. Beobachtungen der Radarschirme zeigen: Bei den Maschinen über der Ukraine handelt es sich entweder um Maschinen, die in Kiew starteten oder landeten, oder um russische Maschinen, die weiterhin eine über Dnepopetrovsk und Charkov führende Route zwischen Rumänien und Russland nutzen. Auch Inlandsflüge zwischen Dnepopetrovsk und Kiew fanden weiterhin statt.

In welchem Zustand war die Maschine von Flug MH17?

Die Fluggesellschaft Malaysia Airlines hat auf der Suche nach den Gründen für den Absturz von Flug MH17 auf den technisch einwandfreien Zustand des Flugzeugs verwiesen. Das Wartungsbuch sei in Ordnung gewesen und die Boeing 777 habe „normal funktioniert“, sagte der Vizepräsident für das Europa-Geschäft des Unternehmens, Huib Gorter, am Freitag. Demnach ist die Maschine seit 17 Jahren im Einsatz und war zuletzt am 11. Juli überprüft worden. mit AFP

Rainer W. During

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