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Sicher ans Ziel. Die Mitteldeutsche Regiobahn bietet auf der Strecke zwischen Leipzig und Chemnitz seit März Frauenabteile an.

© imago/STAR-MEDIA

Update

Frauenabteile in Zügen: Zu Ihrer Sicherheit

Novum im deutschen Eisenbahnverkehr: Ein privater Betreiber hat auf einer Zuglinie in Sachsen Frauenabteile eingeführt. Nun wird diskutiert, ob das Konzept in ganz Deutschland übernommen werden soll.

In den Nahverkehrszügen, die Siemens der saudi-arabischen Stadt Riad liefert, gibt es drei Klassen: die sogenannte Familienklasse, diejenige für Arbeiter und die erste Klasse, die mit goldfarbenen Sitzen bestückt ist und in der nur Männer Platz nehmen dürfen. Auf eine strikte Trennung wird geachtet. So könnte es bald auch in deutschen Zügen sein. Die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) hat bereits seit Ende März Frauenabteile. In den Zügen der Regional-Express-Linie zwischen Leipzig und Chemnitz gibt es jeweils zwei davon. Damit solle das Sicherheitsgefühl der weiblichen Fahrgäste gestärkt werden, wie das Unternehmen mitteilte.

Japan fährt schon seit Jahren mit diesem Konzept. In Tokio zum Beispiel gibt es Waggons, in denen zu den Hauptverkehrszeiten nur  Frauen einsteigen dürfen. Eine Maßnahme gegen sexuelle Belästigung. In Deutschland hat es solche Frauenabteile bislang nur in den Schlafwagen der Deutschen Bahn gegeben – in den Nachtzügen, die Ende 2016 jedoch komplett eingestellt werden.

Wenig Licht in den alten Zügen der Regiobahn

Dass die MRB jetzt auch in Sachsen zu dieser Maßnahme griff, habe mit den älteren Abteilwagen auf dieser Strecke zu tun, sagte ein MRB-Sprecher. Im Gegensatz zu anderen Linien verkehren zwischen Leipzig und Chemnitz die alten Reisezugwagen aus DDR-Zeiten. In einigen Abteilen gebe es nicht viel Licht, sagte der Sprecher. Man müsse erst einen Lichtschalter suchen, der sich über der Tür befindet. Das Unternehmen habe oft Anfragen oder Beschwerden diesbezüglich erhalten. Fälle von sexueller Belästigung soll es hingegen nicht gegeben haben, sagte Thomas Kleinrensing von der MRB. Trotzdem sollen Frauen besser geschützt werden. Die beiden Abteile für sie befinden sich im mittleren Wagen direkt neben den Ruhezonen sowie dem Dienstabteil. „Die örtliche Nähe zum Kundenbetreuer ist dabei bewusst gewählt“, heißt es.

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Für die Maßnahme hat die MRB viel Kritik bekommen. „Spezielle Frauenabteile im Zug sind eine Station auf dem Weg zurück ins Mittelalter“, sagte etwa der Abgeordnete der Linken im sächsischen Landtag, Marco Böhme. Daniela Kuge von der sächsischen CDU sagte: „Ich fahre selbst oft mit der S-Bahn. Ich fühle mich in den Zügen sicher.“ Sachsen Grüne wollen „mit Interesse“ verfolgen, welche Erkenntnisse das Angebot bringen werde.

So dürfte es auch den Konkurrenten der MRB ergehen. Von der Deutschen Bahn hieß es, man werde keine Zugabteile getrennt nach Männern und Frauen einrichten. Auch die BVG sieht keine Notwendigkeit. „Wir verstehen, dass sich Fahrgäste schon mal unsicher fühlen, aber es gibt bei uns Notfallknöpfe, die jederzeit betätigt werden können“, sagte eine Sprecherin. Die Notfallzentrale sei zu jeder Zeit besetzt. Vom Hamburg- Köln-Express hieß es: „Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass allein reisende Frauen sich in unseren Zügen unsicher fühlen.“ Die Ostdeutsche Eisenbahn (Odeg) fragte, ob man dann nicht auch Abteile für ältere Fahrgäste oder Kinder einführen müsse.

Nein, Frauen und Männer müssen, sollen, dürfen, können zusammen leben. [... ] Meines Erachtens muss viel massiver gegen männliche Übergriffler oder Gewalttäter vorgegangen werden. Nur so kapieren die das.

schreibt NutzerIn santacruz

Mehr Sicherheit ist durch mehr Personal in den Zügen zu erreichen, nicht durch das Umgruppieren und Sortieren der Kunden.

schreibt NutzerIn Schnatz

Der Verkehrsclub Deutschland hält Frauenabteile für ein „völlig falsches Signal“. Geschlechter zu trennen wie im vorherigen Jahrtausend, sei keine Lösung, sagte Anja Smetanin vom VCD. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, meinte, geschlechtergetrennte Zugabteile würden eine trügerische Sicherheit versprechen: „Die Probleme sind vom Bahn-Betreiber hausgemacht und sollen nun mit fragwürdigen Maßnahmen, die geeignet sind, das Sicherheitsgefühl der Bahn-Kunden noch weiter negativ zu beeinflussen, kompensiert werden.“ Schulz empfiehlt, sich grundsätzlich in die Nähe von Mitreisenden zu setzen, sollten Alleinreisende ein ungutes Gefühl verspüren. Bei Belästigungen seien die Bahn-Mitarbeiter und Mitreisende zu alarmieren.

Dass sexuelle Belästigung in Zügen ein Problem zu sein scheint, zeigt der Hashtag #imzugpassiert auf Twitter. Seit Karfreitag posten Frauen von erschreckenden Erlebnissen mit Männern in Zügen. „Überall Platz, alles leer, spät nachts – Mann setzt sich ausgerechnet neben mich auf 2er Sitz“, twitterte eine Frau. „Mann, der mich ganze Fahrt lang anmacht, steigt dort aus wo ich aussteige und versucht mir nach Hause zu folgen“, schreibt eine andere Nutzerin.

"Dem Fehlverhalten von Männern angepasst"

„Viele der unter #imZugpassiert beschriebenen Situationen schildern auch, wie andere Mitreisende die Übergriffe mitbekamen, aber trotzdem nichts dagegen unternahmen, was für Betroffene oft noch mal genauso schlimm ist wie der Übergriff selbst“, sagt die Feministin Anne Wizorek. Die Journalistin wurde für ihre Anti-Sexismus-Kampagne #Aufschrei unter anderem mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. „Schutzräume wie Frauenabteile können in manchen Fällen eine temporäre Lösung sein“, sagt sie. „Eine dauerhafte sind sie aber nicht, da sie den öffentlichen Raum wiederum Männern zuordnen und den Bewegungsraum von Frauen einschränken." Außerdem seien Frauenabteile keinerlei Hilfe für Menschen, die sich nicht den Mann-Frau-Kategorien zuordnen. Lösungen seien geschultes Zugpersonal und gesellschaftliche Aufklärung, die zu mehr Zivilcourage führt.

Ein "ganz falsches Signal"

Die Frauenrechtlerin Kristina Lunz berichtet von einem Vorfall: "Vor Kurzem belästigten mich Männer im Zug nach London auf das Übelste. Als ich sie beim Zugpersonal meldete, wurde mir geraten, ich solle mich in ein anderes Abteil setzen." Die Logik hinter den Frauenabteilen sei ähnlich: "Anstelle die Täter zu bestrafen, wird implizit toleriert, dass sie Männer Frauen nunmal belästigen würden; um das zu verhindern, müssen Frauen weggesetzt werden. Das sendet ein fatales Zeichen! Was, wenn Frauen sich nicht in das ‘Frauenabteil’ setzen- sind sie dann selbst Schuld, wenn ihnen Gewalt angetan wird?"

Es werde sich dem Fehlverhalten von Männern angepasst und die Freiheit von Frauen eingeschränkt. Lunz ist Studentin der Universität Oxford. Sie äußerte zuletzt mit einer Online-Initiative Kritik an der Berichterstattung der Bild-Zeitung. Zu den Frauenabteilungen führt sie weiter aus: Wir brauchen keine Frauenabteile, sondern das Gefühl von Sicherheit, egal wo wir uns bewegen.

Lunz fordert ein hartes Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt und eine grundlegende Reform des Sexualstrafrechts. Ähnliches fordert auch Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er verstehe, wenn sich Frauen nicht ausreichend geschützt fühlen, denn der Staat würde Straftäter nicht wirklich mit Strafe bedrohen. Bewährungsstrafen seien zu lasch. Wendt verweist auf die jüngsten Urteile zu den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln. Bisher sind in diesem Fall lediglich Bewährungsstrafen ausgesprochen worden. Frauenabteile jedenfalls sind auch für Wendt ein „ganz falsches Signal“.

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