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Menorca: Wo Juan Carlos Eintopf isst

Menorca hat keine Berge und ist auch sonst nicht so spektakulär wie die Schwesterinsel Mallorca. Kenner kommen wegen der Strände – und der Küche.

Er kommt jeden Sommer. Er ankert seine Yacht in der Bucht von Fornells, dann geht er in dem kleinen Fischerdorf an Land. Dort wartet man schon auf ihn. Das Es Cranc liegt nahe am Hafen und gehört zu den Lieblingsrestaurants von Juan Carlos. Einen Langusten-Eintopf wird der spanische König dort bestellen, und sich vom Chef ein Lätzchen umbinden und einen Nußknacker reichen lassen.

Langusten und Könige sind zwei Begriffe, die einen treffenden Eindruck von Menorcas Mentalität und Geschichte vermitteln. Gegessen hat man dort immer üppig und gut, an Adel und Aristokratie hat es der grünen Insel im westlichen Mittelmeer seit dem 13. Jahrhundert ebenfalls nicht gefehlt. Kulturell und wirtschaftlich hat sich Menorca seit jeher an Barcelona orientiert, doch seit 26 Jahren bildet die 700 Quadratkilometer große Insel mit Mallorca, Ibiza und Formentera die politische Einheit der spanischen Region Illes Balears.

Könige aus vier Adelshäusern haben sich für die strategisch gelegene Insel mit den geschützten Naturhäfen von Mahón und Ciutadella interessiert und sie erobert und bevölkert: Peter der Große von Aragonien (östliches Nordspanien) im 14.Jahrhundert; Anne Stuart, Herrscherin Großbritanniens sowie Ludwig XV. von Frankreich, beide im 18. Jahrhundert, und der Spanier Karl IV. zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Diese und auch die Bewohner der Bronzezeit sowie die 300 Jahre dauernde muslimische Besiedelung um die Jahrtausendwende beeinflussten Menorca. Kurios ist dieser Einfluss in der Gastronomie. So alt wie die nur auf Menorca errichteten Taulas – riesige in T-Form erbaute Megalithen – ist auch die Käsetradition der Insel, nämlich um die 4000 Jahre. Ebenso wie die prähistorischen Steinbauten sind auch die Laibe eckig.

David Casals, junger Erbe des alten Gutes Sant Patrici, wickelt und drückt noch heute den typisch menorquinischen Kuhmilchkäse in Küchentüchern aus. „Die Tücher sind quadratisch, also ist auch der Käse quadratisch“, heißt seine logische Antwort auf die Frage nach der Form des würzigen Käses. In dem Örtchen Ferreries im Inselinneren stellen Casals und seine Mitarbeiter rund 100 Käse am Tag her. Verkauft werden sie in drei verschiedenen Reifegraden nach drei Wochen (zart), zwei bis drei Monaten (halbreif) oder sechs bis acht Monaten (vollreif). Seit 1985 steht die uralte Käsetradition der Insel unter Schutz und Kontrolle des Rates der Ursprungsbezeichnung „Queso de Mahón – Menorca“.

Seitdem steht es auch um den Käse, die Kühe und die Insel gut: Die Produkte sind nicht nur besser geworden, ihre Herstellung hat auch zugenommen. 148 Milchbauern und mehr als 30 Käsereien liefern und verarbeiten die Milch von 7000 friesischen Kühen auf der Insel – sie stehen allenthalben und grasen, was die Insel hergibt.

Die Kühe sind ein wichtiger Teil von Menorcas Ökosystem. Die Insel ist seit 1993 Biosphärenreservat und lebt neben dem Tourismus vor allem von nachhaltiger Industrie wie dem Agrargewerbe.

Umweltfreundlich ist auch die Herstellung des menorquinischen Gins. Xoriguer steht auf den tönernen Flaschen mit dem kleinen Henkel am kurzen Hals und sie erinnern in ihrer Griffigkeit an Flaschen, wie sie Matrosen an Bord führten. Tatsächlich haben britische Soldaten und Seeleute ihr Lieblingsgetränk am Mittelmeer eingeführt – in einer einzigartigen Mischung aus importierten, mediterranen Wacholderbeeren, geheim gehaltenen Kräutern und Alkohol, der aus menorquinischem Wein destilliert wird. Die Mixtur hat rund 40 Prozent und wird bis heute in der einzigen Brennerei Menorcas in der Hauptstadt Mahón gebrannt. Getrunken wird der Schnaps immer in Mischung mit Zitronenlimonade („Pomada“) oder als „Pellofa“ mit Sodawasser und Zitronenschale.

Den Menorquinern dient ihr Gin Xoriguer mittlerweile zur Stärkung des Heimatgefühls, obwohl die Engländer die Insel schon vor mehr als 200 Jahren verlassen haben und deren Einfluss weniger als 100 Jahre währte. Aber auf ihre britischen Eigenheiten in der Sprache, im Baustil und in den Umgangsformen sind die Menorquiner stolz, nicht zuletzt weil die Briten Menorca als Handelsknotenpunkt im 18. Jahrhundert Wohlstand, Bedeutung und sozialen Frieden brachten. Der Hafen von Mahón war damals wichtiger als Palma auf der größeren Nachbarinsel Mallorca.

Auf den Handelsschiffen, die Mahón mit Kontinentaleuropa verbanden, reiste auch ein Rezept nach Paris: Es war die Anleitung zur Erstellung einer Schaummasse aus Ei und Öl – der Sauce Mahonnaise. Der Legende nach wurde sie erstmals 1756 in Mahón serviert, der Stadt, die ihr den Namen gab. An der Tafel saß Herzog Richelieu, ein Neffe des bekannten Kardinals. Er feierte den Sieg über die Briten im Kampf um Menorca – und war gänzlich begeistert von der cremigen Soße, die man als Beilage zu Fleisch und Fisch servierte. Ob diese zum siegreichen Anlass erfunden beziehungsweise improvisiert wurde oder auf der Insel schon im 16. Jahrhundert verbreitet war, ist unklar.

Wer sich heute auf die Suche nach der Urform des kalorienreichen Dips macht, wird nicht fündig werden. Das liegt an dreierlei: Mayonnaise ist wegen des rohen Eis leicht verderblich und wird deshalb nur selten frisch serviert. Das Rezept ist denkbar einfach und der Erfolg so umwerfend, dass die Mischung heute weltweit als industriell verarbeitetes Produkt gehandelt wird. Auch auf Menorca bekommt man Mayonnaise in einem kalten Kartoffel-Ei-Erbsen-Salat („Ensaladilla Rusa“),als Appetitanreger zu Graubrot und Oliven und mit rohem Knoblauch vermengt oder als Beigabe zu gegrilltem Fisch.

So auch im Restaurant Es Cranc in Fornells, wo man nicht nur des Königs Leibspeise, den Langusteneintopf serviert, sondern auch etliche Fischgerichte. Der Koch und Mitbesitzer des kleinen, eleganten Gasthauses, Diego Coll, lüftet das Geheimnis guter Mayonnaise mit drei Worten: „Schlagen, schlagen, schlagen.“ Coll und sein Partner Juanvi Flores bieten neben Langusten, Fisch und den vor allem auf Menorca geschätzten Schwarzen Steinkrabben (Cranc Pelut auf Menorquinisch) ihren Gästen auch ein Kochbuch: „La cocina marinera de Fornells“ (Die Meeresküche von Fornells, Eigenverlag, 128 Seiten, 17, 50 Euro). 60 Rezepte werden in spanischer Sprache neben Fotos vorgestellt, überliefert von den Einheimischen, mit frischen Zutaten und in einfacher Zubereitung.

Am besten kocht man die Gerichte in einem der zahlreichen Ferienhäuser Menorcas nach, die zwischen Ostern und Oktober auf Besucher warten. An den 22 unverbauten Stränden und auf insgesamt 190 Quadratkilometern geschützter Landschaft wachsen wilde Olivenbäume, Steineichen, Aleppokiefern, Ginster, Kreuzdorn und Erdbeerbäume, wilder Hafer, Fenchel und Rosmarin – Pflanzen, die man in unterschiedlicher Form auf den Tellern oder in den Gläsern der Menorquiner wiederfindet.

Brigitte Kramer

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