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Verzweifelte Suche. Helfer graben unter den Trümmern der 40.000 Einwohner-Stadt Mocoa nach Vermissten. Mehr als 200 Tote wurden bisher geborgen.

© German Arenas/colprensa/dpa

Schlammlawine in Kolumbien: "Die halbe Stadt ist weggespült"

Eine Schlammlawine reißt im Süden Kolumbiens hunderte Menschen in den Tod. Es mangelt an Rettungskräften und Hilfsgütern.

Alexander Lopez rannte um sein Leben. Fünf Minuten lang lief er mit seiner Tochter auf dem Arm, so schnell er konnte, weg vor den Wassermassen der Flüße Mocoa, Sangoyaco, Taruca und Mulato, die längst zu einer gewaltigen Schlammlawine zusammengewachsen waren. Zum Glück entschied er sich für die richtige Richtung und kam mit dem Leben davon. „Viele meiner Freunde haben ihre Familie und ihre Häuser verloren. Zumindest meine Leute sind noch am Leben“, berichtet der Mann der Tageszeitung „El Tiempo“. Alles was er noch besitzt, trägt er am Leib. „Aber ich lebe noch.“

Die Katastrophe in Kolumbien kam über Nacht. Verwackelte Videos zeigen wie Bewohner zugleich erschrocken und fasziniert beobachten, wie sich die ersten Wassermassen ihren Weg durch die Stadt Mocoa bahnen. Wenig später filmt niemand mehr, stattdessen rennen die Menschen um ihr Leben. So wie Alexander Lopez. Denn nun bahnt sich eine gewaltige Lawine aus Schlamm, Geröll und Wasser ihren todbringen Weg durch die Stadt an der ecuadorianischen Grenze. Stündlich werden die Opferzahlen nach oben korrigiert, Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos hat eine Kuba-Reise abgesagt, er bestätigt vor Ort 112 Tote, bald sind es 150, dann über 200. „Wir wissen nicht, wie viele es werden.“

Präsident kündigt Aktionsplan an

Wo bisher Häuser standen, haben riesige Steinbrocken alles zermalmt, die Masten des Elektrizitätswerks sind umgeknickt wie Streichhölzer. Mocoa, eine beschauliche Stadt am Fuße der kolumbianischen Anden erlebt an diesem ersten Aprilwochenende seine schwärzesten Stunden. Die Bilder, die sich bei Tagesanbruch zeigen, sind verheerend: Entwurzelte Bäume, eingestürzte Häuser, dazu riesige Felsbrocken, die mit dem Wasser alles niederwalzten, was sich ihnen in den Weg stellte. Dazwischen klettern Helfer mit Liegen über die Trümmer. Sie transportieren Schwerverletzte und Leichen aus dem Katastrophengebiet. Auch für professionelle Helfer ist das nur schwer zu ertragen.

„Wir werden einen Aktionsplan aufstellen“, verspricht Kolumbiens Präsident Santos, als er sich vor Ort ein Bild von der Lage macht. Auch er wirkt schockiert. Santos muss um seine Worte ringen. Er kündigt an, alles zu tun, damit die Opfer würdig beerdigt werden können. Schon jetzt ist abzusehen, dass es eine riesige Trauerfeier geben wird. Zurzeit gibt es nicht einmal genug Särge für all die Toten, berichtet ein lokaler Radiosender.

Der Präsident löste noch am Unglücksort Katastrophenalarm aus, damit entsprechende Mittel aus dem Staatshaushalt freigegeben werden können. In der verhängnisvollen Nacht seien 30 Prozent der Regenmenge niedergegangen, die normalerweise in einem Monat zu erwarten sind, erklärt der Präsident. Diese Massen hätten die Flüsse nicht aufnehmen können. In Folge dessen hätte sich die unheilvolle Schlammlawine gebildet. Wie in Peru vor wenigen Wochen wird auch Kolumbien derzeit von ungewöhnlich heftigen Regenfällen heimgesucht. „Die halbe Stadt ist weggespült“, ruft ein Bewohner aus der Ferne, als er den Tross um Santos sieht.

Zu wenige Hilfskräfte im Einsatz

„Das ist eine Tragödie von unvorstellbarem Ausmaß“, sagt Sorrel Aroca, Gouverneurin der Region Putumayo. Es gibt keinen Strom und kein Trinkwasser, Handys werden per Autobatterien geladen, um mit Angehörigen per Telefon das Leid zu teilen. Im Krankenhaus fehlt es an Betten, Medikamenten und Hilfsmitteln, um die Verletzten zu versorgen.

Insgesamt sind es 17 Stadtviertel, die von der Katastrophe betroffen sind. Viele Häuser existieren nicht mehr. Ihre Bewohner hatten keine Chance, den Wassermassen zu entkommen. Besonders betroffen ist der Stadtteil San Miguel. Nicht wieder zu erkennen sei die Stadt, schreiben die Kolumbianer in den Kommentarbeiträgen unter der Berichterstattung in den großen Zeitungen. Mocoas Bürgermeister José Antonio Castro erklärt, dass viele Menschen zwar rechtzeitig gewarnt worden seien, aber es dann nicht mehr geschafft hätten, aus den betroffenen Stadtvierteln in höher gelegene Stadtteile zu gelangen. Sie seien mit den Vierteln praktisch weggespült worden.

Was die Lage für die Kleinstadt besonders dramatisch macht: Zwei Brücken, die einzigen, die in der Nähe über die Flüsse führen, sind eingebrochen.

Angesichts der Dimensionen des Unglücks sind viel zu wenige Helfer in der Stadt. Die kolumbianische Armee und das Rote Kreuz leisten Übermenschliches. Mühsam wird eine Luftbrücke aufgebaut, um Verletzte auszufliegen und Hilfsgüter einzufliegen. (mit dpa)

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