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Koks, Heroin, Cannabis. Die Angeklagten im größten mallorquinischen Drogen-Prozess waren umtriebig.

© dpa

Spanien: Das Drehkreuz für Drogen

Über die iberische Halbinsel kommen Kokain und Haschisch nach Europa. Auf Mallorca beginnt jetzt ein Rekordprozess mit 55 Angeklagten.

Die Daten der Vereinten Nationen zum weltweiten Kokainhandel lassen sich als Karte darstellen und die Transportwege als Adern. Auf dieser Karte stechen zwei dicke Hauptadern hervor. Die eine führt aus dem südamerikanischen Andenraum in die USA. Die zweite führt aus der selben Ursprungsregion direkt nach Spanien. Das Land hat sich zum wichtigsten Drogen-Drehkreuz Europas entwickelt, sowohl für Kokain als auch für Haschisch. Eben jene Drogen, mit denen auch eine Bande aus Mallorca gehandelt haben soll, die jetzt im größten Drogenprozess in der Geschichte der Insel vor Gericht steht.

Wüste Tumulte haben den Auftakt des Prozesses in dieser Woche bestimmt. Fast 700 Jahre Haft insgesamt fordert die Staatsanwaltschaft für die 55 Angeklagten, die sich zu Prozessbeginn gegenseitig beleidigten und lange nicht zur Ruhe zu bringen waren. Sie sollen in der berüchtigten Barackensiedlung Son Banya am Rande des Großflughafens von Palma de Mallorca Drogen verkauft haben. Unter ihnen ist auch die „La Paca“ genannte Clan-Chefin Francisa Cortés, die wegen Rauschgift-Delikten schon sechsfach vorbestraft ist. Die Dame mit dem ruhigen Blick und dem grauen Haar wurde in Handschellen ins Gericht geführt, ihr drohen nun 20 Jahre Gefängnis. Unter den Angeklagten sind auch zwei Brüder, ein Sohn und eine Tochter von „La Paca“.

Das Drogenviertel Son Banya, vor dem Ende der Franco-Diktatur zur Integration von Roma angelegt, galt lange Zeit als Schandfleck auf Mallorca. Orte wie diesen gibt es viele in Spanien. Erst vor zwei Wochen hatte die spanische Polizei in einem spektakulären Coup elf Tonnen Haschisch sichergestellt. Eine aus 35 Männern bestehende Bande schmuggelte die Drogen in Benzinkanistern aus Marokko über die Grenze und unterhielt in dem südlich der Hauptstadt Madrid gelegenen Toledo ein zentrales Lager, aus dem ganz Mitteleuropa bedient wurde.

Spanien bricht viele Drogenrekorde

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht stellt in ihrem kürzlich veröffentlichten Jahresbericht fest, dass Spanien europaweit sowohl die höchsten beschlagnahmten Kokainmengen als auch die meisten Sicherstellungen dieser Droge meldet. „Wie in den Vorjahren wurde auch im Jahr 2010 die Hälfte aller Sicherstellungen von Cannabisharz und etwa zwei Drittel der beschlagnahmten Gesamtmenge aus Spanien gemeldet“, heißt es außerdem in dem Bericht. Die Nähe zu Marokko und die kulturell bedingten engen Bande zu den wichtigsten Kokain-Produzenten in Südamerika machen das Land anfällig. Einen geschichtlichen Grund bemühen einige spanische Zeitungen: So habe die Polizei nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975 ihr hartes Image ablegen wollen, um die Bevölkerung versöhnlich zu stimmen. Das habe jedoch den Drogenbanden in die Hände gespielt. Spanien sei der „Dealer Europas“, schrieb „El Mundo“ und „Publico“ stellte zuletzt fest: „Spanien verliert den Kampf gegen den Drogenhandel.“

Dass die Rolle eines Landes als regionales Logistik-Zentrum für Rauschgift sich auch auf die Gesellschaft auswirkt, ist nicht zuletzt von mittelamerikanischen Staaten bekannt. So liegt Spanien beim Kokain-Konsum junger Erwachsener im Vergleich mit anderen westlichen Staaten auf dem zweiten Platz hinter Australien: die USA und alle europäischen Nachbarn konsumieren weniger. Doch während eine Freigabe des Kokains kein Thema ist, versuchen die spanischen Behörden zumindest den Haschisch-Handel in geordnete Bahnen zu lenken. Seit einigen Jahren gibt es im ganzen Land „Cannabis Social Clubs“, also Coffeeshops, die ihre Türen nur für verantwortungsvolle Konsumenten öffnen , die auch Beiträge zahlen.

In den spanischen Drogensog werden auch westafrikanische Staaten gezogen, die als Zwischenstation genutzt werden. Die Vereinten Nationen schätzen, dass jährlich Kokain im Wert von einer Milliarde US-Dollar von Südamerika durch Westafrika nach Europa gelangt. Die Rolle Spaniens hat Begehrlichkeiten ausländischer Krimineller geweckt, wie der italienische Mafia-Experte Antonio Nicaso erklärt: „Spanien eignet sich ideal für Geldwäsche und für Drogenhandel. Durch seine Geografie mit der Verbindung nach Afrika und zum Atlantik, der Nähe zu Gibraltar. Auch die Existenz von Orten wie Marbella erlaubt, zusammen mit dem vergangenen Immobilienboom, dass etwa die ’Ndrangheta dort Geschäfte macht, die sie in keinem anderen europäischen Land so leicht machen könnte.“ mit mam / dpa

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