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Wladimir Kaminer: Wein statt Wässerchen

Wladimir Kaminer zieht Rotwein aus Georgien dem Wodka aus seiner Heimat vor – für ihn ist er so gut wie Bordeaux.

Von Matthias Meisner

Womöglich ist es nur ein Klischee. Russland, da denkt fast jeder an Kälte, Wodka und Seele. Auch Wladimir Kaminer, der in Berlin lebende und aus Russland stammende Schriftsteller weiß das, selbstverständlich. „Russland ist ein nordisches Land“, erzählt der 44-Jährige: „Im Norden, wo wenig Sonne scheint und Menschen zur Melancholie und Nachdenklichkeit neigen, sind eher stärkere alkoholische Getränke gefragt.“

Aber das heißt noch nicht, dass Kaminer deshalb auch zum Wodka-Fan geworden ist. Er ist es nicht, er war es ,eigenem Bekunden nach, auch nicht, als er noch in der Sowjetunion lebte – im Juni 1990 war er nach Berlin gekommen. „Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Alkohol, aber gleichzeitig eine Abneigung gegen Wodka“, sagt er dem Tagesspiegel. „Für mich ist Wodka ein Fluchtversuch, schnell gemachter Alkohol. Man trinkt ihn rasch und fällt dann um. Mit Kultur hat das nichts zu tun.“ Und mit Kultur selbst will der Autor, der sich schon vor Jahren mit seinen Erzählbänden „Russendisko“ und „Militärmusik“ einen Namen machte, selbstredend zu tun haben.

Wenn sich Kaminer also für alkoholische Getränke begeistert, dann für Wein. „Der Wein ist ein sehr sinnliches Getränk“, meint er: „Er lässt die Menschen zueinander sprechen.“ Das gefällt ihm, und seiner Frau Olga auch. Wenn beide die Auswahl haben, dann wollen sie Wein aus Georgien trinken. Aus der damaligen Sowjetrepublik stammte Kaminers Erinnerung nach der erste Wein, den er überhaupt im Leben gekostet hat. Damals, als in seinem Land alles so schön aufgeteilt war, planwirtschaftlich eben: riesengroße Tomaten kamen aus Moldawien, Baumwolle aus Usbekistan und Wein fast immer aus Georgien, und damit aus einem der ältesten Weinanbaugebiete der Welt. „Deswegen war Rkatsiteli mein erster Wein.“

Rkatsiteli ist eine autochthone weiße Rebsorte, die – wie die rote Saperavi-Traube – aus der Region am Fuße des Kaukasus stammt. Mutmaßlich ist es eine der ältesten Weinsorten der Welt überhaupt – in Georgien wurden 5000 Jahre alte Tonkrüge mit Traubenkernen dieser weißen Sorte gefunden. Saperavi wiederum spielt eine wichtige Rolle, wenn sich Kaminer heute nach Wein umsieht. In dem auf georgische Weine spezialisierten Ladengeschäft Grusignac, nicht weit von ihm daheim im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, hat er neulich einen Rotwein mit dem etwas sperrigen Namen Vasis Zremlebi entdeckt, eine Mischung, die zum großen Teil aus Saperavi-Trauben gemacht wird sowie zu etwa einem Sechstel aus Cabernet Sauvignon, zwölf Monate lang gereift in Eichenfässern. Aktuell ist es der Lieblingswein der Kaminers. „Der ist nicht so wie die italienischen Macho-Weine“, schwärmt er.

Gefragt nach gleichwertigen Weinen, fällt ihm Bordeaux ein. „Nicht alle georgischen Weine, aber die, die ich probiert habe, sind keinen Deut schlechter“, meint er. Er gibt zugunsten der Franzosen zu: „Natürlich sind Bordeauxweine ganz toll. Und wunderbar.“ Nur eben „einfach viel zu berühmt und viel zu bekannt“. Und so fühlt sich Kaminer wie ein Entdecker, als er „in der zweiten Reihe“ des Grusignac-Geschäfts den Vasis Zremlebi hervorholte. Der Ladenbesitzer Alexej Schreiner stammt wie Kaminer aus Russland, stolz hebt er hervor, dass die Sorte im vergangenen Jahr bei der internationalen Weinbewertung AWC in Wien eine Silbermedaille bekommen hat.

Wladimir Kaminer
Wladimir Kaminer

© dapd

Georgische Weine auf dem deutschen Markt zu platzieren, ist kein leichtes Geschäft. Die Konkurrenz ist riesengroß, nicht nur aus klassischen Anbauländern wie Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland selbst, sondern auch aus Ungarn und Bulgarien oder aus Übersee – von Chile bis Australien. Kaminer sagt dazu: „Ich denke, man muss die Schwachen unterstützen, nicht die Starken. Es gibt auf der ganzen Welt genug Bordeaux-Trinker. Aber viel zu wenige trinken georgischen Wein.“

Es ist ja nicht nur so, dass georgischer Wein in Deutschland kaum bekannt ist. Dazu kommen zum Teil erhebliche Image-Probleme. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gingen die Exportzahlen drastisch zurück. Dazu wurde viel gepanscht. In Russland wurden Billigweine aus anderen Ländern als georgisch etikettiert. In russischen Supermärkten in Deutschland tauchten Flaschen „Stalins Wein“ auf – der Diktator stammt aus der Stadt Gori in Georgien –, erst die genaue Lektüre des Etiketts gab einen Hinweis darauf, dass in Wirklichkeit süßlicher Fusel aus Italien abgefüllt worden war.

Die Berliner Weinhandlung Grusignac bezieht die meisten Weine von der Kellerei Kindzmarauli in dem Städtchen Kvareli in Kachetien, der wichtigsten Weinanbauregion Georgiens. Qualitätssicherung spielt inzwischen eine große Rolle. Firmenchef Nugzar Ksovreli, 38, Schwiegersohn des Generaldirektors aus Sowjetzeiten, war jahrelang nationaler Koordinator des Projekts „Aufbau eines Weinqualitätssystems“ der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). Den jungen Kellermeister Wano Schiukaschwili hat Kindzmarauli zur Ausbildung in die Weinstadt Geisenheim im Rheingau geschickt. Inzwischen produziert Kindzmarauli jährlich wieder bis zu einer Million Liter Wein – als es die UdSSR noch gab, waren es drei Mal so viel. Beim Export spielen Länder eine wichtige Rolle, in der nicht viel erklärt werden muss, etwa die Ukraine, Polen und Kasachstan. In Weißrussland lässt sich der georgische Wein sogar drei Mal so teuer verkaufen wie in Deutschland, wie Ksovreli berichtet. Auch über den Preis soll der Absatz in Gang kommen.

Nur in Russland gibt es keinen georgischen Wein. Wegen des Konflikts der beiden Länder um die abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien ist der Handel von Moskau aus seit Jahren verboten. Wer georgischen Wein in Russland in Läden verkauft, in Restaurants oder Hotels ausschenkt, wird hart bestraft. Als Kaminer neulich über seinen Geburtstag im Nordkaukasus war, im russischen Teil der Gebirgsregion, musste er sich zwangsläufig Ersatz suchen. Er fand dann Wein aus Moldawien – und den auch nicht schlecht.

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