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Mystery-Autor Erich von Däniken

© dpa

Weltuntergang: Der Däniken hat's gewusst

Seit 45 Jahren reist Erich von Däniken durchs Land, um Vorträge über die Rückkehr der Götter zu halten. Es ist das Thema seines Lebens. In diesen Wochen ist er wieder sehr gefragt. Denn der Weltuntergang steht bevor.

Die gute Nachricht vorweg: Diese Zeilen zu lesen bedeutet, die Welt ist nicht untergegangen. Der Maya-Kalender hat sich nicht bewahrheitet. Erich von Däniken wusste es vorher. „Alles Quatsch“, sagt er, „nicht die Welt sollte untergehen, die Götter sollten zurückkehren.“ Und da er schon dabei ist, korrigiert er auch dieses andere Missverständnis gleich noch: Die Götter sind gar keine Götter, die Götter sind Außerirdische. Erich von Däniken braucht nicht lange, um auf sein Lebensthema zu sprechen zu kommen.

Sechs Tage vor der Rückkehr der Götter ist er in Halle an der Saale. Er wird einen Vortrag halten. Titel: „Die Götter kehren zurück“. 700 Zuschauer werden erwartet, die Georg-Friedrich-Händel- Halle ist nahezu ausverkauft.

Zwei Stunden vor Beginn der Show fährt Erich von Däniken im silbernen Opel Insignia, Schweizer Kennzeichen, vor. Als er vor der Halle aussteigt, fällt die weite Bundfaltenhose über die Schuhe mit den hohen Absätzen, die ihn bei einer Körpergröße von knapp über 1,60 Meter ein wenig größer machen sollen. Die zur Seite gescheitelten Haare sind grau geworden. Hinten am Wirbel stehen sie wirr ab. Über dem weißen Hemd trägt er ein blaues Sakko. Er trägt immer ein blaues Sakko. Ozeanblau. Dänikenblau. Es ist über die Jahre sein Markenzeichen geworden. 14 Stück besitzt er. „Sie gefallen mir einfach“, sagt er.

Es ist sein vorletzter Vortragstermin vor dem 21.12. 2012, der, falls die alte Zeitrechnung der Maja stimmt, ein wichtiger Tag in der Erdgeschichte werden könnte. Da muss der 77-jährige von Däniken noch mal ran. Seit knapp 45 Jahren schreibt er praktisch über nichts anderes. Mehr als 30 Sachbücher, eine handvoll Romane hat er veröffentlicht. 62 Millionen Mal haben sich seine Bücher verkauft. Seine TV-Shows liefen im deutschen Fernsehen, in der Schweiz, in den USA. Und immer ging es um dasselbe: Dass Außerirdische vor Tausenden von Jahren auf der Erde waren, dass sie Technologie und Intelligenz mitgebracht haben. Dass sie es waren, die Anleitungen für Bauwerke gestiftet haben, die heute als „Weltwunder“ gelten. Die Gizeh-Pyramide, die Linien und Figuren in der Nazca-Ebene. Als das vollbracht war, seien die Außerirdischen in ihren Ufos nach Hause geflogen. Nicht ohne vorher ihre Rückkehr angekündigt zu haben.

Am heutigen 21.12.2012 könnte es so weit sein.

Kritiker bezeichnen ihn als Pseudowissenschaftler

Erich von Däniken hat Indizien gesammelt, sammelt weiterhin, was überall auf der Welt auf Felswände geritzt wurde, was in der Bibel, in hebräischen Schriften nachzulesen steht. Und er flickt diese Spuren zu einer Theorie zusammen, der so genannten Prä-Astronautik. „Wenn die Außerirdischen kommen“, sagt von Däniken, „dann werden alle sagen, der Däniken hat’s gewusst.“

Von Däniken hat bis eben im Hotel geschlafen, gestern hatte er einen Auftritt in Ulm. „Alles etwas mühsam“, sagt er, zergelt den kleinen Rollkoffer aus dem Auto und geht in die Halle. Ein Mann, der eine universale Theorie ausgearbeitet hat, der die Rätsel dieser Welt entschlüsselt zu haben glaubt und Millionen von Lesern gefunden hat. Es könnte ganz einfach sein.

Aber es gibt auch Wissenschaftler wie Harald Lesch. Der Astrophysiker, Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator sieht in Erich von Däniken in erster Linie einen Hotelbesitzer und Buchautor. Pseudowissenschaftler noch dazu. „Für die experimentelle Archäologie war er so etwas wie die Hämorrhoide am Hintern“, sagt er bei einem Vortrag, der auf Youtube zu sehen ist. Leuten wie von Däniken gehe es einzig um „Schotter, Kohle, Kies, Möpse – wie sie es auch nennen wollen.“

Aber kann Geld ein Motiv sein, bei einem, der bereits 62 Millionen Bücher verkauft hat? Was treibt Erich von Däniken an? Seine Skeptiker haben ihm gerade „Das goldene Brett vorm Kopf“ verliehen. Für sein Lebenswerk. Das lächelt von Däniken einfach weg. Er wäre sogar zur Preisverleihung gegangen. Wenn er nicht wieder unterwegs gewesen wäre.

Dabei könnte der Bestsellerautor seine Zeit auch auf der Terrasse seines Chalets auf dem Beatenberg im Berner Oberland verbringen. Mit seiner Frau Elisabeth. Vielleicht sagt er sich das auch manchmal. Wenn er so wie jetzt, verschlafen, müde in eine Halle stapft, gefolgt von seinem Helfer Daniel Fiebag, 20, Informatikstudent. Der wird später von einem Computer aus die Lichtbilder steuern, die hinter Erich von Däniken an eine Wand projiziert werden. Vor und nach dem Auftritt wird Fiebag DVDs und Bücher verkaufen.

Fiebag kennt Erich von Däniken schon sein ganzes Leben. Fiebags Vater Johannes hatte von Däniken bei dessen Büchern beraten, später war er Chefredakteur der Zeitschrift „Sagenhafte Zeiten“, einer Publikation der Ancient Astronaut Society, die auf die Arbeit von Erich von Däniken zurückgeht. Vater Fiebag starb 1999, sein Sohn Daniel ist nun schon zum zweiten Mal mit von Däniken auf Tour. Ob er an die Thesen von Dänikens glaube, könne er nicht sicher sagen. „In sich ist seine Theorie schlüssig“, sagt er. Wie bei einem guten Science- Fiction-Film. Wie bei „Prometheus“, dem Hollywood-Epos von Ridley Scott, in dem die Menschen ihren Göttern in einem Raumschiff hinterher reisen.

"Ich bin ein Missionar"

Von Däniken will jetzt erst mal die Bühne sehen, er nimmt ein paar Stufen, humpelt dabei. Sein Knie ist kaputt, er leidet unter einer Art Gicht. „Ich fresse dann immer Kortison, um ein paar Wochen Ruhe zu haben.“ Die Abstimmung mit der Technik dauert zwei Minuten. Dann gehen Fiebag und von Däniken über den Laptop gebeugt die Präsentation durch. Bilder von Pyramiden, Tempel, Wandzeichnungen.

„Kennst du die Folie?“ Fiebag will zu seiner Antwort ansetzen. „Hier machst du Pause.“ Fiebag nickt.

In zehn Minuten geht von Däniken sein Lebenswerk durch.

Er bellt die Anweisung, als dürfe er keine Zeit mehr verlieren. Seit Erich von Däniken mit 14 Jahren auf das Jesuiten-Internat in Fribourg kam, beschäftigt ihn die Frage, wie etwas, das der Mensch nicht geschaffen haben kann, auf die Erde gelangt ist.

Ein gläubiger Junge sei er gewesen, 1935 im schweizerischen Zofingen geboren. Immer wieder übersetzte er Bibeltexte. Der liebe Gott, sagt von Däniken, sollte doch allgegenwärtig sein, unfehlbar, alles wissen. So habe man es ihm als Kind eingebläut. „Doch das“, sagt Erich von Däniken, „ist nicht der Gott in der Bibel.“ Gott mache Fehler, sei nicht überall. So fing sie an, die Suche nach dem, was noch sein könnte.

Dann schaffte er die Versetzung nicht, verließ das Internat 1954. Auf eine Kellner-Lehre folgte eine Ausbildung zum Koch, anschließend die Hotelfachschule. Nachts las er. Bücher über Astronomie und Archäologie. Mythen und Sagen. Es festigte sich ein Bild, dem er bis heute anhängt. Die Götter aus den theologischen Schriften seien Abgesandte, sie kehren zurück. Vielleicht nicht am 21.12., „denn das sind menschliche Berechnungen“, ergo: „fehlerhaft“. Aber hoffentlich bald. Man ahnt, dass er das gerne noch erleben würde. Andererseits raucht er seine Camel-Zigaretten so schnell, wie er spricht. Unterbrochen nur von gelegentlichen Hustenanfällen.

Hinter der Bühne sitzt er in einem Raum, zwei Sessel, Beistelltisch, der für nichts anderes als das Warten bestimmt zu sein scheint. Einen Arm auf den Koffer gestützt, das kaputte Bein von sich gestreckt, erzählt von Däniken, wie fürchterlich es wäre, wenn irgendwelche Spinner posthum eine Religion und Sekte auf seinen Theorien begründen sollten. Aber was will er sein, wie sieht er sich selbst? „Ich bin ein Missionar.“

In den 60ern wurde Erich von Däniken Direktor des Hotels Rosenhof in Davos. Zu diesem Zeitpunkt war er längst besessen von dem Gedanken einer Alien-Rückkehr. Er war der erste Infizierte einer Epidemie, die nach ihm benannt ist, der „Dänikitis“. Tagsüber erzählte der Hotelchef seinen Gästen von seinen Theorien, in der Nacht schrieb er sie auf. Bis drei, vier Uhr saß er am Schreibtisch. „Erinnerungen an die Zukunft“ war das Ergebnis. 20 Verlage lehnten das Manuskript ab, der Econ-Verlag in Düsseldorf riskierte es schließlich. 6000 Bücher ließ er drucken. Erich von Däniken hielt das nicht davon ab zu verkünden: Das wird ein Weltbestseller. Understatement ist seine Sache nicht. Innerhalb gut eines Jahres verkaufte sich das Erstlingswerk 600 000 Mal. Zumindest mit dieser Prognose hat er Recht behalten.

Däniken warnt vor dem "Götterschock"

Fast ein halbes Jahrhundert später durchschreitet von Däniken zum zweiten Mal an diesem Tag das Foyer der Georg- Friedrich-Händel-Halle, viel Glas, Metall, hohe Decken. Er pflegt seine Bücher vor seinem Vortrag zu signieren. Die Leute freuen sich. Aber an Däniken, den kleinen Koffer noch immer hinter sich herziehend, perlt diese Freude ab. Er setzt sich an den Tisch. „So, los geht’s.“

Und wie auf einen unausgesprochenen Befehl hin, formieren sich 100 Menschen zu einer Schlange. Plastiktüten voll mit Von-Däniken-Werken dabei. Auf den Büchern ist der Name des Autors immer einen Deut größer gedruckt als der Titel.

Eine Frau mit ihrem erwachsenen Sohn tritt an den Tisch.

„Guten Abend, waren Sie schon einmal bei mir?“

„Schon öfter“.

„Das spricht für Ihre Intelligenz.“

Erich von Däniken kennt zwei Arten von Menschen. Diejenigen, die seinen Theorien folgen. Und jene, die sie ablehnen. Letztere werden ein Problem bekommen, prophezeit er. Wenn die Außerirdischen erst einmal zurückkehren. „Götterschock“ nennt er das. Sowohl die Evolutionstheorie als auch die Religion sehe den Menschen als Krönung der Schöpfung an. Mit der Ankunft der Außerirdischen würde dieses Weltbild untergehen. Die Menschen würden wahnsinnig, sich womöglich etwas antun. Gut, wer sich vorher zumindest mit dem Gedanken vertraut gemacht hat. Von Däniken empfiehlt dann gerne die Lektüre eines seiner Bücher.

In Halle funktioniert das. Zwei Männer, Anfang 30, stehen am Signiertisch, sie haben Bücher des Autors gekauft. Von Däniken hat auf seine Frage, ob man zum ersten Mal da sei, bisher immer dieselbe verneinende Antwort bekommen. Jetzt wird er mutiger. „Sie waren doch auch schon mal da.“ Die Männer sind beglückt.

Als Erich von Däniken Ende der 60er mit seinen Thesen der Prä-Astronautik an die Öffentlichkeit ging, traf er einen Nerv. An den Universitäten war die Revolte in vollem Gange, die erste Mondlandung stand kurz bevor. In die allgemeine Erwartung großer Veränderungen platzte ein junger Schweizer, der von intelligentem Leben im All fabulierte und den Wissenschaftsbetrieb in Frage stellte. „Unter den Talaren – Muff von tausend Jahren“. Diesen Spruch machte sich auch von Däniken zu eigen. Wobei er es durchaus ernst meinte mit den tausend Jahren.

Erich von Däniken sieht sich in der Tradition der Universalgelehrten wie Alexander von Humboldt und Gottfried Wilhelm Leibniz. Er brüstet sich, alles zu jedem Thema gelesen zu kennen: die theologischen Texte, die archäologischen Funde, die Deutungen. Er will die Wissenschaft vom Spartendenken befreien. Bei seinem Vortrag fällt der Satz: „Es sind die Phantasten, die der Welt den Atem rauben, nicht die Erbsenzähler.“

Das Publikum ist da bereits in andächtige Stille versunken. Niemand will den Anschluss verlieren. Von den Hopi-Indianern in Arizona nach Peru in die Nazca-Ebene. Von Guatemala ins Japan des 18. Jahrhunderts v. Chr.. Alles hängt an diesem Abend mit allem zusammen. Pausen gönnt sich von Däniken nicht. Er zeigt Bilder, in denen er Außerirdische sieht. Zitiert Henoch, den „Entrückten“ aus der Bibel, und dessen angebliche Augenzeugenberichte. Eine tief sitzende Ungeduld hat den Redner erfasst.

Erich von Däniken glaubt an Außerirdische, an das ewige Leben glaubt er nicht.

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