zum Hauptinhalt
So sieht es aus in der Mitte der wohl am öftesten korrigierten Uhrzeit.

© DPA/DPAWEB

Zeitumstellung: Warum es nichts bringt, an der Uhr zu drehen

Das Winterzeit/Sommerzeit-System ist sinnlos und nervig, aber es befördert einen alten Menschheitstraum. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

An dieser Uhrumstellerpflicht, die in der Nacht zu Sonntag wieder über die Menschen im Land hereinbricht, stimmt – bis auf eins – einfach gar nichts.

Erstens ist es Tatsache, dass der bei der Einführung des Modells Sommerzeit/Winterzeit proklamierte Energiespareffekt bestenfalls jenseits nachweisbarer Werte existiert. Weil zwar dank der früheren Sommerzeit tatsächlich abends später Licht angemacht wird (denn: länger hell), dafür aber im Winter die Menschen, wenn sie früher aufstehen, mehr heizen (denn: länger kalt).

Zweitens verstärkt die zusätzlich zu verlebende Stunde den ohnehin in dieser Jahreszeit oft beklagten Umstand, dass es schon so früh dunkel wird. Ab Sonntag wird es ab halb fünf anfangen zu dämmern. Wer will das begrüßen

Drittens geraten sensible Naturen schon bei einer Stunde Zeitverschiebung seelisch leicht aus dem Gleichgewicht, was bei einem Gewinn von Null ein nicht zu rechtfertigender Nachteil ist.

Viertens stellen manche Leute trotz allgegenwärtiger Erläuterungen am Uhrumstellungswochenende ihre Uhren in die falsche Richtung um und verlieren die Kontrolle über ihren Tagesterminplan mit unkalkulierbaren Folgen für ihr soziales Umfeld.

Die Stunde wird nicht geschenkt, sie wird zurückerstattet

Fünftens ist das, was jetzt kommt, also die Winterzeit, die eigentliche Normalzeit. Denn die Einführung der Zeitumstellerei – in Deutschland 1980 gesetzlich geregelt, aber schon viel früher als Idee aufgekommen (bereits im 18. Jahrhundert schlug US-Präsident Benjamin Franklin vor, die Uhrzeit im Sommer dem Tageslicht anzupassen) – begann mit der Einführung der Sommerzeit, also dem Vorstellen der Uhr von zwei auf drei. Die Stunde wurde „geklaut“, wie der Volksmund sofort richtig feststellte. Die allherbstlich durch entgegengesetztes Uhrmanipulieren wieder hinzukommende Stunde ist also weniger eine „geschenkte“ als eine „rückerstattete“.

Und das wäre wohl auch bei allen Überlegungen das Einzige, was sich an Positivem am System Sommerzeit/Winterzeit finden lässt: Die alljährlich einmalige Gelegenheit, die Uhr zurückzustellen. Und ist das nicht ein Menschheitstraum schlechthin? Sich die Zeit zurückzuholen? Die Uhr zurückzudrehen? Nicht nur, dass politische Parteien damit erfolgreich auf Stimmenfang gehen können. Auch im Privaten soll es solche Sehnsüchte geben. Und es dürften immer mehr werden, wo doch der Altersschnitt beständig nach oben zuckelt, und es immer mehr gibt, was man gern an Zeit zurückbekäme.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false