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Panorama: Zurück als „Wunderkind“

Der Designer Wolfgang Joop lässt mit seiner neuen Kollektion die 80er Jahre aufleben – in geringer Stückzahl

Von Susanna Nieder

Diesmal trat er nicht als der felsenfest von sich überzeugte Selbstdarsteller auf, als den man ihn sonst kennt. Am liebsten hätte Wolfgang Joop es nach der ersten Präsentation seines neuen Labels „Wunderkind“ bei einer Blitzverbeugung belassen, doch das Publikum – ein kleiner Kreis von Freunden, handverlesenen Einkäufern und Presse – gab keine Ruhe, bis er noch einmal herauskam. Da stand er in weißem T-Shirt, schwarzen Trainingshosen und Smokingjacke, umringt von seinen Assistenten, und kämpfte mit den Tränen. Die letzten Wochen müssen enorm aufreibend gewesen sein.

Die Anstrengung lag vermutlich nicht nur in der Herstellung der Kollektion von 70 aufwändigen Outfits. Joop hat Millionen aus seiner eigenen Tasche investiert, um sich nach zwei Jahren, in denen er mit einer Kunstausstellung, einer Filmrolle in Oskar Roehlers „Suck My Dick“ sowie Äußerungen über Gott und die Welt in Erscheinung treten konnte, nur nicht als Modedesigner. Sein Vertrag mit dem inzwischen pleite gegangenen Wünsche Konzern, dem er 1998 die Joop GmbH verkauft hatte, band ihn zwar bis vergangenen Juni als Chefdesigner an seine ehemalige Firma, doch die tatsächliche Gestaltung der Kollektionen übernahm 2001 nach diversen Zerwürfnissen ein Designerteam, dem Joop nicht angehörte.

Nun kann er wieder, wie er will und ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt in die Öffentlichkeit zurückgekehrt. Eine Spezialisierung auf Abendmode im Luxussegment zwischen hochklassiger Pret-à-porter und Haute Couture hatte Joops Pressesprecher Edwin Lemberg angekündigt, geringe Stückzahlen, damit die Kundin dem eigenen Kleid möglichst nicht an einer anderen Trägerin wiederbegegnet, und Preise bis 15 000 Euro für besonders exklusive Einzelstücke.

Der Ort, an dem die Schau gezeigt wurde, spiegelte auf elegante Weise den Zwiespalt von Joops wiedergefundener Heimatstadt Potsdam zwischen vergangenem Glanz und mäßig glamouröser Gegenwart. In die vollständig eingerüstete Villa Rumpf am Heiligen See gelangten die Gäste über einen Laufsteg mit rotem Teppich, die erbsgrün angepinselten Wände des Salons waren noch unrenoviert, doch die barocke Pracht von Stuck, Parkettboden und wunderbaren gedrechselten Säulen war nicht zu übersehen. Im Publikum saß weniger Prominenz als erwartet; Désirée Nick, Andrea Sawatzki und natürlich Udo Walz waren gekommen, um zu sehen, was „Wunderkind“ zu bieten hat.

Es war nicht gefällig, was Joop da zeigte, es ging kein Aufseufzen durch den Raum trotz Samt und Satin, trotz Spitze, weichen geschorenen Pelzen und Leder. An den rüden Achtzigern orientiert war vieles, zum Beispiel schmale, betont sportliche Dreiviertelhosen aus weißen Pailletten, die Beine entlang verziert mit schwarzem Smokingband, das unten wie Bändel von Tunnelzügen flatterte, zipfelige Rocksäume, an denen mehrmals eins der zum Teil unsicheren Models mit einem mörderischen Stiletto hängen blieb, unversäuberte Nähte, ausladende Jacken und Mäntel mit breiten Ärmeln und großen Kragen und einige im Stil der achtziger Jahre auseinander genommene und anders wieder zusammengesetzte – sprich dekonstruierte – Kleidungsstücke.

Es gab viele steife Stoffe, auch schöne durchsichtige Spitze über schimmerndem Satin und schließlich einige Farbtupfer in Pastelltönen wie Mantel und Blouson aus steif gewellter, glänzend-weißer Organza mit großem, leuchtendem Rosenmuster.

Zunächst soll diese Kollektion in 16 Boutiquen im deutschsprachigen Raum und Holland angeboten werden, im Spätsommer auf der Fashion Week in New York. Wenn alles gut läuft, zeigt Joop sie in der nächsten Saison in Mailand. Ob „Wunderkind“ das angepeilte Marktsegment erobern kann, lässt sich schwer voraussagen. Spontane Überzeugung löst die Kollektion nicht aus, dazu ist sie zu sperrig, zu sehr von der langsam auslaufenden Achtziger-Retro beeinflusst, auch ein wenig zu düster. Trotzdem würde man Joop Erfolg wünschen nach dem langen Hickhack mit dem Wünsche Konzern und dem Verlust der Firma, die immerhin seinen Namen trägt. Vielleicht wird aus dem Wunderkind ja doch noch eins.

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