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Die Bahn kommt nicht. Pendler und Reisende müssen sich ab Donnerstag auf große Probleme einstellen.

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Update

Arbeitskampf auf der Schiene: Deutsche Bahn verurteilt Streik der GDL als "reine Schikane"

Die Lokführergewerkschaft GDL hat zu einem mehrtägigen Streik im Güter- und Personenverkehr aufgerufen. Die Bahn ist "sprachlos". Reisende müssen ab Donnerstag mit erheblichen Einschränkungen rechnen. Den Berlinern und ihren Gästen droht ein ungemütliches Wochenende, die Wirtschaft ist sauer. Es gibt aber auch Profiteure.

Die Deutsche Bahn hält den angekündigten erneuten Lokführerstreik für "reine Schikane". "Dieser Streikaufruf macht nur noch sprachlos", sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber am Dienstag über den mehr als viertägigen Ausstand, zu dem die Gewerkschaft GDL aufgerufen hat. Das Unternehmen plant wie bei den vorherigen Streiks einen Ersatzfahrplan. So soll etwa ein Drittel des sonst üblichen Zugverkehrs angeboten werden können.
Weber zeigte sich empört über die Arbeitsniederlegung: "Während sich die Menschen in Deutschland darauf freuen, am 9. November den 25. Jahrestag des Mauerfalls zu feiern, will die GDL mit dem längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn das öffentliche Leben in unserem Land lahmlegen." Der Manager rief die Gewerkschaft auf, ihren Streikaufruf sofort zurückzunehmen "und sich umgehend mit uns an den Verhandlungstisch zu setzen".

Streik endet erst am kommenden Montag

Die Lokführergewerkschaft GDL hatte zuvor zu einem viertägigen Streik bei der Deutschen Bahn aufgerufen. Der Ausstand soll im Personenverkehr an diesem Donnerstag um 2 Uhr morgens beginnen, im Güterverkehr bereits an diesem Mittwoch um 15 Uhr. Das teilte die Gewerkschaft am Dienstag in Frankfurt mit. Das Ende des Streiks ist für Montag, den 10. November, um 4 Uhr geplant.

Es ist der inzwischen sechste Streik im laufenden Tarifkonflikt und der längste seit Gründung der Deutschen Bahn AG im Jahr 1994. Die GDL begründete die geplante Arbeitsniederlegung mit der Weigerung der Bahn, über einen eigenständigen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen zu verhandeln, die nicht Lokführer sind. Ein Einigungsversuch beider Seiten war am Sonntag gescheitert. Anschließend hatte die GDL weitere Arbeitskämpfe angekündigt, jedoch zunächst kein Datum dafür genannt.

"Die Bahn hat uns ein Tarifdiktat vorgelegt", sagt GDL-Chef Claus Weselsky zu den jüngsten Verhandlungen mit dem Staatskonzern. Einen neuen Arbeitskampf will er "rechtzeitig" bekanntgeben, so dass sich die Kunden darauf einstellen können.

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Am Sonntag war ein eigenständiger Tarifvertrag laut Bahn schon fast unterschriftsreif

Nach Darstellung der Bahn war eine Vereinbarung, wonach die GDL einen eigenständigen Tarifvertrag für Zugbegleiter erhalten sollte, am Sonntag fast schon unterschriftsreif. Die GDL-Spitzengremien lehnten den Vorschlag jedoch ab. Letztlich wäre die Verhandlungsmacht für die Zugbegleiter bei der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geblieben, lautete die Begründung. Der Chef der GDL, Claus Weselsky, sagte, man wolle und müsse für alle Mitglieder Tarifverträge aushandeln: "Dieses Grundrecht ist in Gefahr und damit die Funktion von Gewerkschaften an sich." Der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner griff Weselsky an. "Er schadet nicht nur der Bahn, er schadet der Gewerkschaftsbewegung, weil er eine andere Gewerkschaftslandschaft haben will", sagte Kirchner im Hessischen Rundfunk.

Berlin trifft es besonders, hier fallen auch die S-Bahnen aus

Insbesondere die Berliner werden sich auf ein ungemütliches Wochenende einstellen müssen. Zu den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls werden Hunderttausende Gäste in der Hauptstadt erwartet. Am Freitagabend spielt Hertha BSC im Olympiastadion gegen Hannover 96. Deren Fans wollen vermutlich in der Mehrheit mit der Bahn anreisen.

Bahnchef Rüdiger Grube hatte die Gewerkschaft noch am Dienstag zur Besonnenheit aufgerufen. "Unsere gewachsene Sozialpartnerschaft ist ein hohes Gut", sagte er beim Arbeitgebertag in Berlin. "Damit muss auch weiterhin sehr verantwortungsvoll umgegangen werden", fügte Grube hinzu, ohne dabei konkret den laufenden Tarifkonflikt mit der GDL anzusprechen.

Scharfe Kritik aus der Wirtschaft

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertages (DIHK) kritisierte die Entscheidung der GDL. "Was derzeit bei der Bahn passiert, ist Gift für den Standort Deutschland", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. "Neben dem Ärgernis für Urlauber führen Streiks im Güterverkehr bereits nach wenigen Tagen zu Produktionsstörungen, weil Bahntransporte oft nicht kurzfristig auf Straßen oder Schiffe verlagert werden können." In Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie sei die Produktionskette komplett auf Just-in-time-Produktion ausgerichtet, bei der Zuliefer- und Produktionstermine genau aufeinander abgestimmt seien. "Warenlager helfen nur die ersten Tage, dann stockt die Fertigung", sagte Dercks.

Fernbusanbieter rechnen mit Millionengeschäft

Die deutschen Fernbus-Anbieter rechnen wegen des angekündigten Rekordstreiks bei der Deutschen Bahn mit einem Millionengeschäft. "Kommt es zu einem Streik in dieser Länge, wird es einen Umsatzzuwachs von mehreren Millionen Euro für die Branche geben", sagte der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer, Matthias Schröter, am Dienstag. "Wir sind für den Marathon-Streik gerüstet." Die vorangegangenen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL habe auf manchen Strecken zu einer Verdoppelung des Fahrgastaufkommens bei den Fernbusunternehmen geführt.

"Wir bereiten uns auf einen wahren Ansturm vor", sagte Schröter. "Wir werden in den nächsten 100 Stunden neue Kunden gewinnen können." Seit der Liberalisierung 2013 expandiert der Linienfernverkehr mit Bussen ohnehin stark: Im vergangenen Jahr wurden 8,2 Millionen Fahrgäste befördert, fast 180 Prozent mehr als 2012. Die Bahn gehört mit BerlinLinienBus und IC Bus zu den drei größten Anbietern neben MeinFernbus und Flixbus.
(Tsp/rtr/dpa)

Apropos Bahn-Streiks: Lesen Sie hier das Stück "Züge ohne Lokführer sind technisch kein Problem"

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