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Im Untergrund.

© picture alliance / dpa

Wirtschaft: Athen streitet mit Siemens

Bau der U-Bahn stockt, Fördergelder in Gefahr

Athen - Die griechische Regierung hofft auf eine Überweisung von Siemens in dreistelliger Millionenhöhe. Damit soll der Konzern für die angebliche Schmiergeldpraxis seiner Tochter Siemens Hellas büßen. Siemens hält das angedrohte Bußgeld jedoch für weit überzogen, zumal die Schmiergeldzahlungen bisher nicht gerichtsfest nachgewiesen sind. Der Streit könnte den griechischen Staat am Ende mehrere hundert Millionen Euro kosten: Weil unterdessen der Ausbau der Athener U-Bahn stockt, müssen die Griechen womöglich 374 Millionen Euro Fördergelder an die EU zurückzahlen.

Die Gleise liegen in dem Tunnel, die Stationen sind fertig, die neuen Waggons aus Südkorea stehen in den Depots. Eigentlich könnte der Betrieb auf den neuen Strecken des Athener U-Bahnnetzes beginnen. Wäre da nicht die Affäre um die schwarzen Kassen bei Siemens. Um lukrative Staatsaufträge an Land zu ziehen, soll der Konzern seit den 1980er Jahren in Griechenland Politiker und Manager von Staatsfirmen geschmiert haben. Die griechische Regierung will deshalb ein Bußgeld von 220 Millionen Euro gegen Siemens verhängen. Doch der Konzern meldet Widerspruch an.

Solang aber der Streit schwelt, bleibt Siemens praktisch von allen größeren öffentlichen Projekten in Griechenland ausgeschlossen. Das gilt auch für den bereits 2008 an den deutschen Konzern vergebenen Auftrag für die Signaltechnik der U-Bahn-Erweiterung. Betroffen sind rund sieben Streckenkilometer und sieben neue Stationen. Sie sollten schon 2010 in Betrieb gehen. Aber der griechische Verkehrsminister weigert sich, den Vertrag mit Siemens zu unterschreiben. Dabei hat das oberste griechische Verwaltungsgericht erst kürzlich die Auftragsvergabe an Siemens als ordnungsgemäß bestätigt.

Misslich für die Griechen: Sie sind auf Siemens angewiesen. Aus Kompatibilitätsgründen können nur die Münchner, die bereits das bestehende Netz ausgerüstet haben, die Signaltechnik für die neuen Strecken liefern. Die einzige Alternative wäre, das gesamte Athener U-Bahnnetz für viele Monate stillzulegen und die Signaltechnik von einem anderen Hersteller komplett umrüsten zu lassen. Die Bemühungen um eine gütliche Beilegung des Streits haben bisher keine Früchte getragen. Eine zusätzliche Komplikation liegt darin, dass der griechische Staat nach Unternehmensangaben bei Siemens mit unbezahlten Rechnungen über 150 Millionen Euro in der Kreide steht. Siemens wünscht eine Verrechnung, was die griechische Regierung aber bisher ablehnt.

Die Aussicht, dass sich ein Rechtsstreit über Jahre hinziehen kann, ist nicht nur für die rund 150 000 Athener misslich, die täglich die neuen U-Bahnstrecken benutzen sollen. Wenn die Züge nicht spätestens am 30. Juni 2012 rollen, könnte die EU die bereits gezahlten Fördermittel von 374 Millionen Euro zurückfordern, bestätigte Vize-Verkehrsminister Giannis Makriotis kürzlich im Athener Parlament. Für das hoch verschuldete Griechenland ist das keine kleine Summe. Und den Griechen läuft die Zeit davon: Selbst wenn Siemens morgen den Auftrag bekäme, dürfte die Installation und Erprobung der Signaltechnik mindestens acht Monate dauern. Gerd Höhler

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