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Kein Traum mehr. Immer weniger 18-Jährige machen einen Führerschein. Vor allem Singles verzichten gerne auf ein eigenes Auto.

© Armin Weigel/picture alliance / dpa

Autohersteller und junge Kunden: Keine Lust auf Auto

Trotz niedriger Zinsen, Digitalisierung und Vernetzung: Autohersteller und Händler werben vergeblich um junge Kunden.

Touchscreen, Apps und Soundsystem, modernes Interface, Gestensteuerung und Spracherkennung. Der Hersteller bietet, was die Allways-on-Zielgruppe verlangt. „Bleiben Sie online“, rät er und lockt mit einem attraktiven Finanzierungsangebot: 0,00 Prozent effektiver Jahreszins. „Schon ab 89 Euro monatlich“ ist er zu haben – der Kleinwagen.

In der Werbewelt der Autohersteller geben Sprache und Stil der 18- bis 25-Jährigen den Ton an. Doch die Ansprache geht ins Leere, der Versuch, die Jugend aus den Elektronik-Fachmärkten ins Autohaus zu locken, scheitert: Nicht nur die Autos auf der Straße werden im Schnitt immer älter (9,3 Jahre), auch das Alter der Kunden steigt – und zwar schneller als die demografische Altersentwicklung, wie eine Studie des Center Automotive Research (CAR) der Universiät Duisburg-Essen zeigt. Der klassische Neuwagenkäufer ist demnach heute knapp 53 Jahre alt – 1995 war er gut 46. Noch deutlicher fällt die Alterung bei Gebrauchtwagenkäufern aus: Im Zeitraum 1995 bis 2017 ist das Durchschnittsalter von 37,5 Jahren auf knapp 45 Jahre gestiegen. „Dieser Trend ist überraschend“, schreibt CAR-Leiter Ferdinand Dudenhöffer. „Wurde doch immer wieder behauptet, dass den jungen Autokäufern die Preise davonlaufen und sie deshalb weniger Neuwagen kaufen.“

"Wer will in der Stadt schon ein Auto kaufen?"

Autohändler bestätigen den Trend. „Hin und wieder haben wir mal einen jungen Kunden“, berichtet Frank Wiemer, Verkaufsleiter für zwölf Toyota-Autohäuser in Berlin und Brandenburg. Mit dem Neuwagenverkauf ist Wiemer generell sehr zufrieden, doch jüngere Kunden gewinnt er kaum. „Wer will in der Stadt schon ein neues Auto kaufen?“ Wer unbedingt einen Wagen brauche, finde ihn auch bei den zahlreichen Carsharinganbietern. Toyota versuche zwar, mit günstigen Leasingraten, „Flatrate“-Paketen inklusive Vollkaskoversicherung und ähnlichen Lockangeboten jüngere Kunden anzusprechen. „Das wird aber immer schwieriger“, sagt der Verkaufschef. Auch die Annahme, dass das Auto auf dem Land noch als Statussymbol und Fortbewegungsmittel gefragt sei, kann Wiemer nicht stützen. „Da gibt es kaum Unterschiede zur Stadt“, sagt er. Viele unter 30 könnten sich gar kein neues Auto leisten.

Auch bei den Wettbewerbern Opel, Skoda und Renault, die im unteren Preissegment mit Neuwagen stark vertreten sind, sind die meisten Kunden älter. „Die Mehrheit ist zwischen 30 und 40“, sagt ein Opel-Verkäufer. Wer jünger ist, kauft meist nicht selbst, sondern bringt die Eltern mit – als Bürgen oder Bezahler. „18- bis 25-Jährige? Die kaufen kein Auto, die studieren oder machen eine Ausbildung“, heißt es bei der VW-Tochter Skoda. Bestenfalls mit extrem niedrigen Leasingraten ließen sich junge Autokäufer locken. Bei Toyota liegt die Finanzierungsquote im Neuwagenverkauf – wie im Branchendurchschnitt – bei mehr als 50 Prozent.

Autolobby: 63 Prozent finden es wichtig, ein Auto zu besitzen

„Die jungen Menschen verlieren die Lust am eigenen Auto“, bekräftigt CAR- Leiter Dudenhöffer eine bekannte These. Das liege nicht nur an anderen Interessen, sondern auch an antiquierten Verkaufsmethoden. „Der Vertrieb läuft in den alten Bahnen, das Autohaus sitzt im Gewerbegebiet, Internet ist etwas für die freien Online-Börsen, die Automessen der Welt zeigen die bekannten Konzepte.“ Die Autolobby widerspricht: Im digitalen Zeitalter seien die Vertriebskonzepte modernisiert worden. Verwiesen wird zudem auf repräsentative Umfragen: Von den 18- bis 29-Jährigen gäben 63 Prozent an, es sei ihnen wichtig, ein eigenes Auto zu besitzen.

Doch die Empirie spricht dagegen. Zwar ist der Anteil der deutschen Haushalte, die ein Auto haben, in den vergangenen Jahren mit gut 77 Prozent stabil geblieben. In den Altersgruppen und regional gibt es allerdings deutliche Verschiebungen – zulasten des Autos. So zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes, dass der Anteil der Pkw- Besitzer unter den 18- bis 25-Jährigen zwischen 2011 und 2016 von knapp 56 Prozent auf rund 40 Prozent gesunken ist. Vor allem Single-Haushalte verzichten weitaus häufiger auf ein eigenes Auto als Paare oder Familien mit Kindern. In Berlin ist die Auto-Quote am niedrigsten – mit Abstand zu anderen Bundesländern. Laut Statistik verfügt nicht einmal jeder zweite Haushalt (49 Prozent) über einen Privatwagen. In Baden-Württemberg sind es 82 Prozent, die Stadtstaaten Hamburg und Bremen kommen auf rund 55 Prozent.

In China sind Neuwagen-Käufer 20 Jahre jünger

Die Autobauer bräuchten mehr Anreize, um jüngere Menschen als Käufergruppen zurückzugewinnen, glaubt Ferdinand Dudenhöffer. Doch hohe Rabatte und Händlerzulassungen, die als „Junge Gebrauchte“ mit Nachlass verkauft werden, haben am Trend nichts geändert.

Wen wundert es, dass sich die Autokonzerne gerne mit China trösten. Der größte Automarkt der Welt ist noch ein Entwicklungsland. Auf 1000 Haushalte kommen hier knapp 100 Autos, in Deutschland sind es mehr als 600. Und die Branche erlebt im Reich der Mitte eine Art Verjüngungskur: Im Schnitt sind Neuwagenkäufer in China 20 Jahre jünger als hierzulande.

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