zum Hauptinhalt
Abflughalle ohne Passagiere. Bis am neuen Berliner Großflughafen Flugzeuge starten, wird es noch Monate dauern.

© dapd

BER-Debakel: Brüssel soll Berliner Flughafen retten

Der Hauptstadtflughafen braucht 1,2 Milliarden Euro mehr – die EU-Kommission wird die zusätzliche Geldspritze wohl in Kürze genehmigen.

Als der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) am 19. Juli vor die Presse tritt, um vor allem auf die Bürokraten in Brüssel zu schimpfen, haben auch die drei Gesellschafter am Berliner Flughafen BER aufgehorcht. Damals hatte die Berliner Flughafengesellschaft zwar schon den Kopf voll mit anderen Dingen, weil der eigene Zeitplan längst Geschichte war und weil auch klar war: Wir müssen noch viel mehr Geld in den Flughafen pumpen. Brüssel, die EU-Kommission für Wettbewerb, das war allen klar, ist enorm wichtig. Aber Becks pauschale Kritik war generell schlecht für deutsche Projekte.

Beck musste an jenem Tag die Insolvenz der landeseigenen Nürburgring-GmbH verkünden, weil Brüssel die erwünschte Rettungsbeihilfe für den defizitären Rennsportpark erst prüfen und nicht gleich bewilligen wollte. Normalerweise muss der Staat, so sieht es das europäische Beihilfegesetz vor, eine staatliche Förderung anmelden, weil sie den Wettbewerb verzerren könnte. Brüssel prüft das dann. Rheinland-Pfalz aber hat bei all seinen großen Infrastrukturprojekten, beim Nürburgring, beim Flughafen Hahn und beim Flughafen Zweibrücken versucht, Brüssel rauszuhalten. Und am Ende, als es schiefging, auch noch eine Rettungsbeihilfe beantragt. „Sehr ungewöhnlich“, nennt ein Sprecher der Kommission diesen Vorgang gegenüber dem Tagesspiegel.

Unter den Top-Kanzleien in Deutschland, die sich auf staatliche Beihilfe spezialisiert haben und die mit den deutschen Regierungen in Bund und Ländern zusammenarbeiten, hatte das, wie es ein Anwalt aus Brüssel sagt, „völlig unprofessionelle Vorgehen“ der Mainzer Auswirkungen. In Berlin wusste man nun ganz genau: Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben, die gucken genau auf uns.

Bildergalerie: Das Debakel um den Berliner Flughafen BER:

Der Berliner Flughafen braucht nach dem Planungsdesaster und dem drei Mal verschobenen Eröffnungstermin mehr Geld. Die drei Gesellschafter, der Bund, Berlin und Brandenburg, müssen knapp 1,2 Milliarden Euro zusätzlich in die Flughafengesellschaft pumpen. Gerade erst hat die Bundesregierung ihren Anteil daran, 312 Millionen Euro, bewilligt.

Wenn die EU-Kommission aber die neue Milliardenspritze als unzulässige staatliche Beihilfe ablehnen würde, hätte der Flughafen ein sehr großes Problem: Er müsste dann private Investoren finden. Für den BER ist es überlebenswichtig, dass er die Geldspritze rechtssicher bekommt. Ansonsten drohen langwierige Prüfverfahren und Strafgelder in Millionenhöhe. Das ganze Projekt würde noch unprofessioneller erscheinen als bisher schon. Die Brüsseler Wettbewerbskommission ist deshalb so mächtig, weil sie Strafen aussprechen kann. Allein in der Generaldirektion Wettbewerb arbeiten 749 Beamte, rund 1500 Fälle bearbeiten sie im Jahr. Der BER ist ein besonders großer Fall, auch Brüssel will sich nicht blamieren.

Und anders als in Rheinland-Pfalz haben die Berliner offensichtlich gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium ihre Hausarbeiten gut gemacht. Nach Tagesspiegel-Informationen verläuft die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Beamten in Brüssel und den für den BER beauftragten Experten sehr gut. Eine positive Entscheidung über die Kapitalerhöhung ist deshalb sehr wahrscheinlich und steht bevor.

Als das Chaos um den Flughafen seinen Höhepunkt erreichte, meldeten sich die Beamten aus Brüssel. Im Frühsommer wollten sie wissen, wie es denn aussehe, und ob man sich nicht zusammensetzen könnte, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Es gibt nämlich eine Möglichkeit, das Prüfverfahren für staatliche Beihilfen zu verkürzen, den „private investor test“. Der Test ist ein Maßstab, um zu beurteilen, wie betriebswirtschaftlich und rentabel Entscheidungen sind. Wenn der Test positiv ausgeht, hat der Getestete nachgewiesen, dass er das Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers erfüllt. Das bedeutet für den BER und seine Gesellschafter, dass der Vorwurf der Begünstigung durch staatliche Beihilfe ausgeschlossen wird.

Nach Informationen des Tagesspiegels aus Kreisen der Kommission und der Gesellschafter ist dieser Test positiv für den BER ausgefallen. Allerdings liegt die Entscheidung noch nicht offiziell vor, sie hängt noch in den Gremien. Die wichtige Generaldirektion Wettbewerb hat geprüft, aber nun muss auch noch der juristische Dienst seinen Segen geben und zuletzt alle Kommissare der EU, das sehen die Richtlinien bei Entscheidungen von dieser Größenordnung vor.

Allerdings ist selbst eine positive Entscheidung noch nicht ausreichend rechtssicher. Nach europäischem Recht ist es zehn Jahre lang möglich, sich trotzdem bei der Kommission zu beschweren. Das könnte etwa ein Wettbewerber, also ein anderer Flughafenbetreiber tun. Die Kommission ist dann verpflichtet zu prüfen. Wenn sie dann doch zu dem Ergebnis käme, hier sei gegen Wettbewerbsrecht verstoßen worden, wären alle Verträge nichtig und das Geld müsste zurückfließen. Außerdem müsste dieses „Beihilferisiko“ in den Bilanzen abgebildet werden, und es müssten Rückstellungen erfolgen. Die Banken hätten trotz Bürgschaft des Staates keine Sicherheit.

Aus diesem Grund will der BER die Kapitalerhöhung der drei Gesellschafter zusätzlich in Brüssel notifizieren, also anmelden. Das wäre das doppelte rechtliche Netz. Deshalb sind die Beamten in Brüssel auch sehr zufrieden, und der Sprecher von Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia, Antoine Colombani, sagte dem Tagesspiegel: „Wir sind in sehr guten Gesprächen.“ Nicht zu notifizieren wäre aus Sicht von Experten, die damit betraut sind, „Kamikaze“. In diesem Zusammenhang wird aus den Kreisen auch gesagt, dass Flughafenchef Rainer Schwarz „absolut im Film“ sei, „seine Zahlen“ kenne und man mit ihm „gute und professionelle Gespräche hatte“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false