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Abgehängt. Angesichts drohender Bankenpleiten (hier in Zypern) ging Panik um. Europas Regierungen stellten hastig US-Dienstleister ein, die eigene Interessen verfolgen.

© AFP

Berater der Troika: Millionengeschäft ohne Aufsicht

Notkredit für Griechenland? Mehr Geld für Zypern? US-Beraterfirmen verdienen Millionen an der Finanzkrise, denn sie liefern entscheidende Daten an die Troika. Eine öffentliche Kontrolle gibt es nicht.

Sie heißen Blackrock, Pimco, Oliver Wyman oder Alvarez & Marsal. Den meisten Europäern sind diese Unternehmen völlig unbekannt. Doch eben diese vier Firmen, allesamt aus den USA, spielen eine zentrale Rolle bei der Eurorettung und haben die Steuerzahler in Irland, Griechenland, Zypern, Portugal und Spanien schon mehr als 80 Millionen Euro gekostet. Dafür liefern sie ihre „unabhängige Expertise“, wie es in den Verträgen mit den Krisenländern heißt. Meist auf Basis der Ergebnisse solcher externen Berater entscheidet die Troika der Kreditgeber (EZB, EU-Kommission und IWF), wie viel und wofür die jeweiligen Länder Notkredite erhalten.

Unternehmen wurden ohne Ausschreibung engagiert

Aber das Beratungsgeschäft erfolgt ohne öffentliche Kontrollen. Nicht nur werden die Unternehmen zumeist ohne Ausschreibung engagiert und können so die Preise diktieren. Zudem sind sie in Interessenkonflikte verwickelt, wenn die gleichen Firmen Investmentfonds betreiben, die von Insiderinformationen profitieren könnten. Alvarez & Marsal (A&M) zum Beispiel. Die in New York beheimatete Firma kam über Spanien ins amtliche Beratungsgeschäft. Dort heuerte die Regierung auf Druck der EU-Kommission die Firma an, um mit deren Fachleuten eine „Bad Bank“ für die faulen Hypothekenkredite der spanischen Sparkassen zu gründen. Den lukrativsten Auftrag aber erteilte der Gouverneur der Zentralbank von Zypern, Panicos Demetriades, und verstrickte sich und die Firma damit in einen Skandal und ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs.

Prüfer bezweifeln Objektivität der Berater

Die Berater kamen ins Spiel, als Zyperns Regierung im Herbst 2012 mit den anderen Eurostaaten über Finanzhilfen für die überschuldeten Banken verhandelte und dafür die Daten benötigte. Der Vorstand der Zentralbank hatte A & M ausdrücklich von der Liste möglicher Berater „ausgeschlossen“, heißt es in einem internen Prüfungsbericht, der jüngst an die Öffentlichkeit kam. Aber Zentralbankchef Demetriades setzte sich darüber hinweg und vergab mehrere Verträge an die Firma. Für 6,6 Millionen Euro ermittelten die Berater den Kapitalbedarf der beiden führenden Geldhäuser Bank of Cyprus und Laiki Bank und berieten auch bei der Umstrukturierung der Institute.

Zum Skandal geriet der Vorgang, als im Oktober herauskam, dass Demetriades der Firma zudem ein geheimes „Erfolgshonorar“ in Höhe von 0,1 Prozent der Kapitalhilfe für die Banken zugestanden hatte, das waren mehr als 15 Millionen Euro. Nach Meinung der Prüfer steht damit in Zweifel, ob die Berater den Kapitalbedarf objektiv ermittelten. Schließlich fiel ihr eigenes Honorar umso höher aus, je größer sie die Verluste kalkulierten. Der Vorgang sorgte auch deshalb für Empörung, weil in Zypern gleichzeitig alle Einlagen oberhalb der Grenze von 100 000 Euro für den Ausgleich der Bankverluste herangezogen wurden, während die Berater davon profitierten.

Geheimvertrag unter Zwang abgesegnet?

Zentralbankchef Demetriades reklamierte später, er habe den Geheimvertrag „unter Zwang“ abgesegnet, weil der A & M-Direktor Hal Hirsch damit gedroht habe „das ganze Alvarez-Team auf dem Höhepunkt der Krise abzuziehen, wenn ich nicht unterzeichne“, protokollierten die Prüfer aus seiner Befragung. Aber ob diese Aussage stimme, sei zweifelhaft, schreiben die Autoren. Denn Demetriades hielt den Vorgang gegenüber dem Vorstand monatelang geheim, anstatt sich zu erklären. Als der Zentralbankvorstand Anfang September den Vertrag schließlich kündigte, bestanden die teuren Berater auf der Auszahlung der ganzen Summe. Später boten sie eine Minderung auf 4,75 Millionen an. Erst nachdem das Parlament eine Untersuchung startete und auch die Staatsanwaltschaft ermittelte, gestanden die Berater dem Zentralbankvorstand zu, nach „freiem Ermessen“ über die Höhe der Zahlungen zu entscheiden. Auf Anfrage sagte ein Sprecher der Firma, man werde dazu nicht Stellung nehmen, solange die Ermittlungen noch laufen.

So wie A & M in Zypern erhielt auch der Wettbewerber Blackrock Solutions sowohl in Griechenland als auch in Irland im Herbst 2010 teure Verträge ohne öffentliche Ausschreibung. Die Firma gehört zum Investmentkonzern gleichen Namens, der mehr als drei Billionen Euro Anlagevermögen verwaltet. In Griechenland erfolgte sogar die Durchführung des zwölf Millionen Euro teuren Auftrags klandestin. Um Anfeindungen zu vermeiden, operierten die Blackrock-Gutachter als Mitarbeiter einer eigens geschaffenen Tarnfirma namens „Solar“, berichtete die „New York Times“.

Vorteile aus Insidergeschäften vermutet

In Irland rechtfertigte Finanzminister Michael Noonan das Schnellverfahren im Parlament mit den „Anforderungen des EU-IWF-Programms kurzfristig Berater zu nutzen“. Darum sei es „nicht möglich gewesen eine normale Ausschreibung durchzuführen“. Gemeinsam mit der Boston Consulting Group und der Investmentbank Barclays bekam Blackrock so einen Vertrag über 30 Millionen Euro, um mittels eines „Stresstests“ die voraussichtlichen Verluste der irischen Banken für die nächsten drei Jahre zu ermitteln und eine „Bad Bank“ für die faulen Hypotheken aufzusetzen. Es sei schon „verblüffend, dass die besten Berater erst kommen, wenn man solch große Summen zahlt“, gestand Zentralbankchef Patrick Honohan. Aber so seien nun mal die Instruktionen der Troika gewesen. Das Ad-hoc-Engagement erwies sich dann sogar noch als ertragreicher, weil die Zentralbank dem Unternehmen auch zwei Anschlussaufträge zuschanzte.

Das nährte Misstrauen bei Parlamentariern, die nachfragten, ob Blackrock womöglich als Investor Vorteile aus den Geschäftsdaten der Banken erziele. Minister Noonan beteuerte, man „verfüge nicht über die geforderten Informationen“. Doch später gab die Firma selbst bekannt, dass sie drei Prozent der Aktien der Bank of Ireland erworben habe, eines der Institute, die Blackrock-Berater zuvor geprüft hatten. Das sei schon „problematisch“, sagt Tom McDonnel, Ökonom bei der irischen Denkfabrik Tasc. Schließlich sei Blackrock der weltgrößte Vermögensverwalter, der „einen Wettbewerbsvorteil hätte, wenn er die gewonnen Insiderinformationen“ nutze.

Staat verliert Fachleute an Privatsektor

Vermutlich deshalb kam Blackrock bei dem gleichen Unterfangen in Spanien nicht zum Zuge. Dort hatte Wirtschaftsminister Luis de Gindos gefordert, „Interessenkonflikte“ bei den von der EU-Kommission geforderten Bankengutachtern seien „zu vermeiden“. De Guindos, Ex-Chef der Spanientochter von Lehman Brothers, sah das Risiko. Den Zuschlag für den Zehn-Millionen-Euro-Auftrag bekamen dann die Beraterfirmen Oliver Wyman und Roland Berger.

Parallel dazu kamen die Datenexperten von Oliver Wyman auch in Portugals Banken bei der Umsetzung des Troika-Programms zum Einsatz und kassierten für den 44 Tage dauernden Einsatz eine Million Euro. Zuletzt erteilte die EZB dem US-Unternehmen sogar den Auftrag, alle 130 systemrelevanten Banken der Eurozone noch einmal zu prüfen, ungeachtet der Tatsache, dass die Berater auch im Auftrag der Banken arbeiten.

Aber warum brauchen Europas Bankenaufseher überhaupt so viele teure externe Helfer? Der wesentliche Grund sei, dass die Zentralbanken während der Boomjahre vor der Krise ihre kompetenten Fachleute an den Privatsektor verloren hätten, erklärt Constantin Gurdgiev, Ökonom am Trinity College in Dublin und intimer Kenner der Vorgänge um Europas marode Banken. Das verbliebene Personal habe „oft nur noch gelieferte Daten verarbeitet“, aber nicht mehr „die Fähigkeit, aktiv zu ermitteln“, wie es um die Bankbilanzen wirklich steht. Außerdem würde die externe Überprüfung den amtlich genannten Zahlen über mögliche Verluste eine „vermeintliche Objektivität“ verschaffen. Das, so beobachtete Gurdgiev, „beruhigt die Märkte“.

Dieser Artikel ist im Online-Magazin EU-Observer erschienen und ist mit Unterstützung eines europäischen Journalistennetzwerks zur Berichterstattung über die Arbeit der Troika entstanden, dessen Gründung durch die Heinrich-Böll-Stiftung gefördert wurde. Beteiligt sind Journalisten aus Deutschland, Belgien, Griechenland, Zypern, Portugal, Irland und Großbritannien.

Valentina Pop

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