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Container im Hamburger Hafen. Die Aussichten für 2012 haben sich leicht eingetrübt.

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Update

Bruttoinlandsprodukt 2011: Ade, Wirtschaftswachstum!

Höhere Steuereinnahmen, weniger Schulden: 2011 war eines der besten Jahre seit der Wende – nun droht Deutschland eine Rezession.

Nach zwei Jahren mit überaus kräftigen Wachstumsraten steht die deutsche Wirtschaft wieder vor härteren Zeiten. Um 3,0 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch 2011 zu, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch schätzte. Ende vergangenen Jahres ist die Wirtschaftsleistung aber bereits geschrumpft. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres könnte das passieren – damit wäre die Bundesrepublik erneut in einer Rezession.

Um „schätzungsweise 0,25 Prozent“ sei das BIP zwischen Anfang Oktober und Ende Dezember im Vergleich zum Vorquartal geschrumpft, sagte Roderich Egeler, Präsident des Statistikamtes. Zu Jahresbeginn könnte es erneut schrumpfen – zwei Minus-Quartale in Folge bedeuten eine Rezession. „Es geht etwas schwächer in das neue Jahr hinein“, sagte Behördenchef Egeler. Ob es tatsächlich so kommt, darüber gehen die Meinungen unter Ökonomen auseinander.

„Es gibt seit Monaten eine regelrechte Auftragsflaute“, begründet etwa Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), seine Prognose. Auch die jüngsten Daten zur Industrieproduktion und zum Einzelhandels-Umsatz seien schwach gewesen – eine Folge der Schuldenkrise. Allerdings werde es sich nur um eine „technische Rezession“ handeln, die im Frühjahr zu Ende geht. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt seien nicht zu erwarten. „Die Unternehmen werden das über den Abbau von Überstunden abfedern können“, vermutet Fichtner. Allerdings rechnet die Deutsche Bank sogar damit, dass die Summe der neuen Produkte und Dienstleistungen bis zum Sommer sinkt.

Dagegen geht Andreas Rees von der Bank Unicredit davon aus, dass sich die Statistiker in ihrer Schätzung verrechnet haben. Die Stimmung der Firmen sei ausweislich des Ifo-Geschäftsklimas gut, der Arbeitsmarkt stabil. „Der schwächere Euro-Kurs wird ein zusätzlicher Puffer für exportorientierte Unternehmen sein“, fügte Rees hinzu. Dass Daten zum Quartalswachstum im Nachhinein korrigiert werden, ist nicht ungewöhnlich. Auch Anton Börner, Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands BGA, kann mit „Konjunkturpessimismus“ nichts anfangen. „Von Rezession kann keine Rede sein.“ Dazu sei die Stimmung in seiner Branche zu gut, wie aus einer Umfrage des Verbands hervorgehe.

Die Schätzungen für das Wachstum im gesamten laufenden Jahr pendeln derzeit zwischen minus 0,1 und plus 1,2 Prozent. Die Unsicherheit ist allerdings besonders groß, bekennt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. „Keiner von uns hat schon einmal eine Staatsschuldenkrise erlebt. Deshalb wissen wir nicht genau, wie stark sie die Konjunktur dämpfen wird und wie lange.“

In jedem Fall bedeutet das eine deutliche Abkühlung gegenüber dem vergangenen Jahr. 3,0 Prozent bedeuten das viertbeste Konjunkturjahr seit der Wende. Unter den großen Industrieländern schnitt nur China mit 9,2 Prozent Wachstum noch besser ab. Der Wohlstandsgewinn der Deutschen geht vor allem auf den Beginn des Jahres zurück. Die Verbraucher konsumierten so viel wie seit fünf Jahren nicht mehr, die zweite wichtige Stütze des Aufschwungs waren die Investitionen der Unternehmen. Aber auch der Export lief gut, so dass die Konjunktur auf einer breiten Basis stand – in den Jahren zuvor war die Bundesrepublik zumeist einseitig vom Erfolg auf den Weltmärkten abhängig. Allerdings blieben die Nettolöhne der Arbeitnehmer hinter der Wachstumsentwicklung zurück, wegen der gestiegenen Sozialbeiträge nahmen sie nur um 2,2 Prozent zu. Besitzer von Unternehmen und Vermögen kamen nur auf ein Plus von 1,5 Prozent.

Angesichts der guten Wirtschaftslage floss viel Geld in die Kassen von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen. Das Staatsdefizit lag nur noch bei einem Prozent und damit unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent. In den beiden Vorjahren hatte die Bundesrepublik diese Grenze deutlich verfehlt.

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