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Wirtschaft: Bundespräsident Seit’ an Seit’ mit Bsirske

Verdi-Bundeskongress berät über Mindestlöhne

Leipzig – Frank Bsirske war begeistert. So einen Bundespräsidenten habe man sich lange gewünscht, schmeichelte der Verdi-Vorsitzende dem Gast. Tatsächlich hatte Christian Wulff zur Eröffnung des Bundeskongresses der Gewerkschaft am Samstagabend erstaunliche Dinge gesagt. Zum Beispiel, dass Erzieher und Altenpfleger viel besser bezahlt werden müssten und dass er sich in einer ganzen Reihe von Wirtschaftsbereichen mehr Gewerkschaftsmitglieder wünsche, damit anständige Löhne durchgesetzt werden könnten. „Es bleibt eine Zumutung für das moralische Empfinden, dass der aufopferungsvolle Dienst am Menschen so viel schlechter bezahlt wird als manche Tätigkeiten, deren Beitrag zum Gemeinwohl weit weniger offensichtlich ist“, sagte der Bundespräsident. Gemeint waren Banker mit Bonuszahlungen.

Wulff trat auf in der Leipziger Messe, wo sich die rund 1000 Verdi-Delegierten diese Woche mit Wahlen und Anträgen und Diskussionen beschäftigen. Ein gewerkschaftshistorischer Ort. Hier fand im Herbst 2000 der letzte ÖTV-Kongress statt, bei dem der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder das erste Mal mit einer „Basta“-Nummer auffiel; es ging um die Rente. ÖTV-Chef Herbert Mai trat damals zurück, über Nacht zauberten die Krisenmanager der ÖTV den Hannoveraner Frank Bsirske als neuen Vorsitzenden herbei, der dann 2001 die Fusion der ÖTV mit vier anderen Gewerkschaften zu Verdi managte.

Das ist Geschichte. Verdi ist gerade zehn Jahre alt geworden, Schröder ist weg, und Bsirske wird am heutigen Montag zum vierten Mal an die Spitze der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft gewählt. Es waren schwere Jahre: 2,1 Millionen Mitglieder hat Verdi heute, vor zehn Jahren waren es 2,8 Millionen. Inzwischen schwächt sich der Mitgliederschwund ab.

Wulff greift die Themen auf, die sich Bsirske für die vier Jahre seiner nächsten Amtszeit vorgenommen hat: eine Aufwertung sozialer Dienstleistungen sowie Löhne und Gehälter, von denen man leben kann. Bsirske zeigt sich „fest überzeugt, dass der gesetzliche Mindestlohn auch in Deutschland kommt“. Ein weiterer Schritt dahin seien Gesetze von inzwischen acht Bundesländern, die die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Zahlung eines Mindestlohnes von bis zu 8,50 Euro koppeln.

Da liegen die Beschäftigten von Schlecker mit einem Tariflohn von 14,20 Euro gut drüber. Am Sonntag begann Bsirske seinen Rechenschaftsbericht mit der Schilderung der Zustände rund um Schlecker im Jahr 2010, wo Dumpinglöhne mit Hilfe von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und einer Verdi-Kampagne schließlich verhindert worden seien. Das Ergebnis rechnet sich auch für die Gewerkschaft: 40 Prozent der 35 000 Schlecker-Beschäftigten sind Mitglied bei Verdi. Ganz im Sinne des Bundespräsidenten. Alfons Frese

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