zum Hauptinhalt
Abschreckung. Schockbilder werden auf Zigarettenpackungen zur Pflicht.

© dpa

Cover und Etuis für Zigarettenschachteln: So verdeckt man die neuen Schockbilder

Zahnstummel oder schwarze Lungenflügel? Für Raucher, die sich den Appetit nicht verderben lassen wollen, gibt es viele Lösungen. Die sind aber auch nicht immer schön. Ein kleiner Marktüberblick.

Zugegeben, die Verhüllung ist nicht im Sinne der Erfinder der neuen EU-Tabakrichtlinie. Diese sieht vor, dass alle ab dem 20. Mai 2016 produzierten Zigarettenschachteln mit großflächigen Schockbildern bedruckt werden müssen. 42 Grusel-Motive sollen Käufer abschrecken, in der Hoffnung, dass die Zahl der Raucher, die mitunter unter schwersten Krankheiten sterben, noch weiter sinkt.

Es gibt Übergangsfristen. So dürfen produzierte Zigarettenbestände ohne Ekel-Schachteln noch ein Jahr lang abverkauft werden. Der Handel erwartet, dass die ersten Schachteln im neuen „Design“ im späten Sommer hierzulande in die Kioske und Automaten kommen.

Wie frei sind die Bürger?

Gleichwohl leben wir in einem freien Land! Mit seinem Eigentum (einer Zigarettenschachtel) kann ein Bürger machen, was er will. Und wer sich selbst nicht den Appetit verderben, oder sich bohrende oder gar verängstigte Fragen seiner kleinen Kindern ersparen will, füllt die Zigaretten eben kurzerhand in eine neue Packung um - oder verhüllt die Schachtel.

Ein erstes Ergebnis einer Blitzrecherche nach entsprechenden Produkten sorgt für Frust: Unter den Suchworten „Zigarettenschachtel“ und „Cover“ landet man bei Amazon zunächst bei einem Set aus acht Karton-Hüllen mit „außergewöhnlichen Designs“, wie es heißt. Wer das Röntgenfoto einer Hand oder das Bild einer Käsescheibe sehr viel appetitlicher findet als ein Raucherbein, könnte 5,95 zahlen. Diese „Indo-Slipps“, wie der Hersteller sie nennt, sind aber „derzeit nicht verfügbar“, sagt Amazon.

Jesus für die Schachtel

Das Produkt des selben Herstellers aber in größerer Motivauswahl (zum Beispiel Jesus, Spinne, DDR, dicke Katze oder Russland) mit besserer Beschreibung und in verschiedenen Größen gibt es beim Online-Shop cardbox.de für 1,50 Euro - allerdings pro Stück und ebenfalls zuzüglich Versandkosten. Wer's mag.

Bleiben wir beim Online-Handelsmarktführer Amazon. Das nächste Angebot sind ein Set aus sechs Dosen, in die genau je eine Big-Box-Schachtel passt. Plastik, quietschbunt, marmoriert. Die Farben der gelieferten Schachteln erfolge zufällig, heißt es drohend. Sechs mal optische Geschmacksverirrung zum stolzen Preis von 8,49 Euro.

Wolf oder lieber Tiger?

Das nächste Produkt kann sich nicht recht entscheiden, was es sein will: Dose? Etui? Box? Immerhin ist es aus Aluminium, also leicht und stabil und in neutralem Design - von schwarz bis rot metallic. Kostet pro Stück 2,95 Euro und ist bei Amazon „auf Lager“. Die bisher solideste Alternative zur Ekel-Schachtel.

Die klassische Alternative aber, seit vielen Jahrzehnten bewährt, ist das Etui. Ein erster Treffer führt zu einem Shop bei Ebay. Der bietet flache Metalldosen für je 20 Zigaretten zu je 7,99 Euro plus 3,50 Versandkosten an: „Caripe Zigarettenetuis“. Die Motive reichen von ägyptischen Hieroglyphen bis zu einem einsamen Wolf oder wahlweise Tiger mit Kopfhörern. Warum auch immer. Es gibt auch schwarzen Leder-Look.

Es geht aber optisch noch schlichter. Zum Beispiel bei Manufactum. Der Wahlspruch der Kette: „Es gibt sie noch, die guten Dinge“. Dort gibt es heute für angemessene 9,80 Euro plus unverschämt hohe 5,95 Euro Versandkosten das „Zigarettenetui Stahlblech“. Wie bei dem Manufactum üblich, ist die Story zu dem Produkt mindestens so gut wie die das Produkt selbst. Der Kunde lernt etwas über den Herstellungsprozess - in diesem Fall: Das „Tiefziehen“, ein heute kaum noch angewandtes industrielles Massenproduktionsverfahren. Darauf eine Kippe.

Ein umstrittenes Thema

Und wer es total stofflich-kuschelig mag, findet auf dem Handarbeits-Portal Dawanda aktuell 95 verschiedene „Zigarettentaschen“ zwischen 5 und 59 Euro. Letzteres handgemachtes Spitzenprodukt zu stolzem Preis ist eigentlich ein Pfeifenbeutel beziehungsweise eine Tasche für losen Drehtabak - mit rosa Blumenstickerei. Aber dazu mehr nach der nächsten Sitzung des EU-Kommission.

Alles in allem bewegt sich der politische Beschluss, die Schockbilder auf Schachteln zu drucken, irgendwo zwischen dem „Nudging“ - dem „Anstupsen“ der Bevölkerung durch Regierungen (hier sehr schön erklärt) - und Regierungstechnologien, wie sie zum Beispiel in Michel Foucaults 1976 auf Deutsch erschienenem Werk „Überwachen und Strafen“ geschildert werden. Der Staat weiß, was gut ist für uns.

Die Meinungen dazu gehen - wie meist beim Thema Rauchen und auch in der Tagesspiegel-Redaktion - weit auseinander. „Schluss mit der Erziehung vom Staat“ schreibt Lutz Haverkamp. Unser Brüssel-Korrespondent Markus Grabitz sieht das ein wenig anders.

Wer das leidige Thema endlich hinter sich lassen will, kann es mit Allen Carrs Weltbestseller „Endlich Nichtraucher“ versuchen. Den gibt es bei Thalia (und anderswo) für 9,49 Euro. Der Autor dieser Zeilen fand Carrs Schreibstil unerträglich besserwissend und nur vermeintlich lustig - und raucht weiter. Aber Millionen anderen Süchtigen hat das Buch nachhaltig geholfen. Wer sich staatlich organisiert, aber nicht direkt beeinflusst, austauschen möchte: Tausende von Beiträge zum Thema finden sich in einem Forum auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false