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Ein Mann fährt auf einer Autobahn in einem Pkw, der als Prototyp genutzt wird.

© dpa

Das autonome Auto: Selbstkontrolle der Industrie wird nicht funktionieren

Beim Thema autonomes Fahren sind Freiheitsrechte berührt. Gesetzgeber, Juristen, Verbraucherschützer, Philosophen und Theologen müssen sich einmischen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Am Anfang war das Pferd. Dann kam die Kutsche. Ihr baute man einen Motor ein, was nicht nur Pferde- und Droschkenbesitzer entsetzte. Aber aus Angst wurde Alltag, das Auto und der Verbrennungsmotor haben die Welt verändert. Heute sind die Vorläufer einer zweiten industriellen Revolution, in deren Zentrum wieder das Auto steht, unübersehbar. Doch anders als vor 130 Jahren verbinden sich damit zunächst mehr Hoffnungen als Ängste.

Das autonome, vernetzte und elektromobile Fahren werde zu weniger Unfällen im Straßenverkehr, mehr Komfort, weniger Schmutz und Lärm führen, wird versprochen. Roboterwagen sollen in allen Fahrsituationen kühl und schneller als jeder menschliche Fahrer reagieren können. Computer, Internet und Big Data machen es möglich. Der Mensch wird zum Beifahrer, die Maschine lenkt.

An dieser Stelle wird es jedoch unbehaglich. Computer sind eben nicht über Irrtum und Fehler erhaben. Ein „Gespräch“ mit dem Spracherkennungsprogramm auf dem Smartphone, ein Absturz des PC-Betriebssystems, ein unverständliches Telefonat im Funkloch zeigen es alltäglich – von Hacker-Attacken, Cyberkriminalität und einem tödlichen Tesla-Crash zu schweigen. Und da sollen Autofahrer bei Tempo 100 die Hände vom Lenkrad nehmen?

Tatsächlich werden noch Jahrzehnte vergehen, bis alle Autos autonom in einem großen Datennetzwerk auf der Straße unterwegs sind. 2040, so jüngste Prognosen, könnte es so weit sein. Erkennbar ist aber heute schon, wohin die Fahrt gehen soll. Oder besser: Wohin Autohersteller, Netzbetreiber, Softwareentwickler und Datensammler fahren wollen.

Der Diskurs muss in den nächsten Jahren fortgesetzt werden

Naiv wäre es, zu glauben, von den Geschäftsmodellen, die weit über den Transport von A nach B hinausgehen werden, seien Freiheitsrechte nicht berührt. Freiwillige Selbstkontrolle der Industrie wird nicht funktionieren. Deshalb ist es notwendig, dass die Techniker nicht unter sich bleiben, dass sich Gesetzgeber, Juristen, Verbraucherschützer, Philosophen und Theologen einmischen. Die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission hat in dieser Woche Leitlinien für das automatisierte und vernetzte Fahren präsentiert.

Dies ist ein erster Schritt in einem Diskurs, der in den kommenden Jahren fortgesetzt werden muss. Beeinflusst wird er von technologischen Sprüngen, deren Ausmaß und Richtung heute schwer prognostizierbar sind, aber vier der Leitlinien sollten als nicht mehr verhandelbar gelten: Im Falle eines Unfalls muss gelten: Sachschäden gehen vor Personenschäden. Alle Menschen sind vor dem Computer gleich, egal wie alt sie sind, wie gesund oder ob Mann oder Frau. Das System muss erkennen, wer fährt (Mensch oder Maschine), damit im Schadensfall klar ist, wer haftet. Souverän über die im Auto erzeugten Daten bleibt grundsätzlich der Fahrer, mit wenigen sicherheitsrelevanten Ausnahmen.

Verständigt sich die Wirtschaft mit dem Gesetzgeber auf diese Grundregeln, dann wäre das eine vertrauensbildende Maßnahme – und eine notwendige. Das in der vergangenen Woche in Kraft getretene Gesetz zum automatisierten Fahren regelt nur das Nötigste. An den kritischen Stellen, beim Datenschutz oder bei der möglichen Einschränkung von Freiheiten, bleibt es viel zu vage. Wer in Zukunft das Steuer aus der Hand gibt und den Computer entscheiden lässt, der will eins doch bleiben: ein mündiger Bürger.

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