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Auf sieben Matratzen wurde die „Prinzessin auf der Erbse“ dem Märchen nach gebettet.

© Nikolai Chernyshev - Fotolia

Das Geschäft mit der Matratze: Wie man sich bettet

Ein großer Matratzenhändler muss alle Filialen schließen. Das Geschäft mit der Matratze sei ungemütlich, klagen Insider. Attraktiv ist es trotzdem, denn: Geschlafen wird immer.

Von Maris Hubschmid

Auf sieben Matratzen wurde die „Prinzessin auf der Erbse“ dem Märchen nach von ihrer Schwiegermutter in spe gebettet, um zu prüfen, ob es sich bei ihr auch wirklich um eine feinfühlige Adelige handelt. Wer ähnliche Tests plant, sollte in diesen Tagen vielleicht eine Filiale des rheinischen Händlers MFO besuchen: Das Unternehmen schließt zum 3. Mai sämtliche Standorte und verspricht Rabatte von mindestens 30 Prozent. Grund für den Ausverkauf ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs – er stufte den Namen der Firma, „Matratzen Factory Outlet“, Ende vergangenen Jahres als wettbewerbswidrig ein. Der Händler darf deshalb nicht länger bestehen.

Irreführend ist nach Ansicht der Richter, dass das Unternehmen die Matratzen, die es anbietet, selber produzieren ließ, und das eigens und ausschließlich für seine Läden. Verkauft wurden dort also keine Restbestände, wie der Name vermuten lässt. Für die 500 Filialen bundesweit bedeutet das das Aus. Auch die Fabrik „Bettina“, eine hundertprozentige Tochter westlich von Köln, werde die Produktion im Sommer einstellen, teilte das Unternehmen mit.

Der Matratzenmarkt ist attraktiv: Geschlafen wird immer. Alle sieben bis neun Jahre, empfiehlt der Tüv, sollten Matratzen gewechselt werden. Rund 923 Millionen Euro Umsatz machte die Branche laut Statistischem Bundesamt 2012 in Deutschland.

MFO darf als eine Ausnahme in diesem Markt betrachtet werden. Dessen Strukturen sind ungewöhnlich. Vielen kleinen Herstellern, 60 sind registriert, stehen wenige große Händler gegenüber. Vor einigen Jahren reichte ein Online-Versandhändler Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen Matratzenhersteller ein. Sein Vorwurf: Die Branche habe sich über Endkunden-Preise abgesprochen. Die Behörde sah genug Indizien, Ermittlungen aufzunehmen – das Verfahren dauert an. Ein Branchenkenner, der anonym bleiben will, bestätigt: „Es gilt seit Jahren die 300-Prozent-Regel. Gibt ein Hersteller die Matratze für 100 Euro ab, schlägt der Händler 300 Prozent drauf. Er verkauft sie also für 399.“ Die Produktionskosten pro Stück lägen dabei kaum über 75 Euro.

Der Druck am Matratzenmarkt soll von Bettenhäuser ausgehen

Der Beschwerdeführer beim Bundeskartellamt, Adam Szpyt, Betreiber des ersten Online-Matratzenshops Bett1.de, wird eigenen Angaben zufolge von Herstellern nicht mehr beliefert, weil seine Preise zu niedrig sind. „Ein Vertreter kam zu mir und sagte: „Wenn ihr die Preise nicht anhebt, machen wir euch fertig“, schildert er. Weil er keine Ware mehr bekomme, sei er auf Zwischenhändler und ausländische Lieferanten angewiesen. Zwei von Bett1 eröffnete Läden in Berlin am Bayerischen Platz und am Leipziger Platz habe er wegen des Boykotts der Fabrikanten jedoch aufgeben müssen. Szpyt führt mehrere Prozesse um Schadenersatz. Der Druck geht Insidern zufolge von den Bettenhäusern aus. Die drohten, jeden aus dem Sortiment zu schmeißen, dessen Produkte es anderswo billiger gibt.

Die Fabrikanten sind auf die großen Einkäufer angewiesen. Etwa zehn Prozent des Matratzengeschäfts entfallen auf den schwedischen Möbelkonzern Ikea. Der führt nur eigene Produkte – genau wie MFO. Weil sie keine Markenmatratzen verkaufen, entziehen sich die Firmen dem Druck der Branche. Die Mehrheit der Deutschen jedoch achtet beim Matratzenkauf auf Markennamen. Schlaraffia, Tempur, Dunlopillo und Metzeler sind die bekanntesten. Möbelhäuser wie Roller, Porta und XXXLutz sind in Einkaufsverbänden organisiert. Über sie laufen gut zwei Drittel des Matratzenhandels. Keines der angefragten Unternehmen wollte sich zu den Praktiken äußern.

Die Qualität ihrer Nächte ist den Deutschen viel wert.

Der Mensch schläft rund ein Drittel seines Lebens. Die Qualität ihrer Nächte ist den Deutschen viel wert: An die 1000 Euro kann die Schaumstoff-Unterlage kosten. „Frei schwebend, luftig leicht und doch abgestützt“ liegt man laut Werbung auf einem Modell von Dunlopillo mit besonders guter Luftzirkulation. Eine Untersuchung im Auftrag des NDR ergab jedoch, dass der Preis grundsätzlich nichts über die Qualität einer Matratze aussagt. Im Gegenteil: Die billigste, im Test eine der Kette Concord, hielt am längsten.

Boxspringbetten: der Trend zum Doppelstock

Sehr angesagt sind aktuell die sogenannten Boxspringbetten, die aus wenn nicht zwanzig, so doch immerhin zwei Matratzenlagen bestehen. Der Trend zum Doppelstock kommt aus Amerika und Hotels. Allein in Berlin haben sich inzwischen etliche Läden auf das Konzept spezialisiert. Zwischen 500 und 4000 Euro kosten die ausgestellten Modelle. Die Mehrheit stammt von skandinavischen und amerikanischen Herstellern, aber auch die deutschen Firmen haben längst nachgezogen, um am Erfolg teilzuhaben. Jedes fünfte verkaufte Bett in Deutschland ist bereits ein Boxspringbett.

Die Sache hat nur einen Nachteil: Bei Boxspringbetten tauschen die Besitzer die Matratzen seltener, weil Ober- und Unterteil genau aufeinander abgestimmt sind. Hotelbetreibern kommt das wohl zupass. Erst recht, wenn man den Umfragen Glauben schenkt, wonach jeder fünfte von ihnen schon erlebt hat, dass Gäste Matratzen mitgehen ließen. MFO wird von dem Boxspring-Hype nun nicht mehr profitieren. Gerüchte, ein Großteil der Filialen werde bereits einen Tag nach Schließung wieder unter anderem Namen eröffnen, wollte das Unternehmen nicht bestätigen. Da bleibt nur: Abwarten und Erbsen zählen.

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