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Mut zur Lücke.

© picture alliance / dpa

Pilotprojekt: Der anonyme Bewerber kommt an

Im November startete ein Pilotversuch zur anonymen Bewerbung. Fünf Unternehmen und drei Verwaltungen sind beteiligt. Die Grünen fordern eine schnelle Ausweitung auf alle Ausschreibungen des Bundes.

Berlin - Zur Halbzeit des Pilotprojekts zur anonymen Bewerbung zieht Christine Lüders eine positive Bilanz: „Die bisherige Erfahrung zeigt: Anonymisierte Bewerbung ist machbar“, sagte die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes. In den meisten Fällen sei auch der Aufwand nicht höher als bei der traditionellen Bewerberauslese, teilweise sei er sogar geringer. „Damit sind die Behauptungen aus der Wirtschaft, anonymisierte Bewerbungsverfahren seien in Deutschland nicht machbar, widerlegt“, sagte Lüders.

Das Ende November gestartete Pilotprojekt der Bundesregierung, an dem fünf Unternehmen und drei Verwaltungen beteiligt sind, soll die etwa in den USA weit verbreitete anonymisierte Bewerbung auch in Deutschland populär machen. Ziel ist es, Menschen, die wegen ihrer Nationalität, ihres Alters oder Geschlechts in den Personalabteilungen womöglich durch das erste Raster fallen, eine Chance zu geben – und so den Pool potenzieller Kandidaten für die Wirtschaft zu erweitern.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte Lüders stützt ihre Zwischenbilanz auf Interviews der beteiligten Wissenschaftler mit den Personalmanagern der Teilnehmer. Dabei sind die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, das Kosmetikunternehmen L’Oréal, der Geschenkdienstleister Mydays, der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble sowie das Bundesfamilienministerium, die Bundesagentur für Arbeit in NRW und die Stadt Celle mit je einem Teil der Belegschaft. Bisher wurden mehr als 4000 anonymisierte Bewerbungen gesichtet und damit 111 Stellen besetzt. Die Beteiligten benutzen standardisierte Formulare, schalten sensible Daten bei Online-Bewerbungen blind, übertragen Daten in Tabellen oder schwärzen entsprechende Stellen.

„Ängste, dass es einen erheblichen Mehraufwand geben würde, haben sich nicht bestätigt“, sagte die Personalleiterin von Mydays, Tamara Hilgers. Unisono hätten die Personalmanager angegeben, dass sie verstärkt auf die Qualifikation achten, wenn sie in der ersten Runde keine Fotos oder Infos zu Alter, Herkunft und Geschlecht hätten, lautete das Zwischenfazit. Im Familienministerium etwa wurden Vorzimmerkräfte, Juristen und Ökonomen ausgewählt. Gut geeignet sei ein anonymes Verfahren auch für Auszubildende, sagte Lüders. Die Stadt Celle hat bereits angekündigt, auf Dauer mit der Anonymisierung arbeiten zu wollen. Lüders machte klar, dass es dem Bund keinesfalls um Zwang gehe, sondern nur darum, diese Art der Bewerbung bekannt zu machen. Das Ergebnis des Pilotprojekts soll im Frühjahr 2012 vorliegen.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock erklärte, Deutschland könne es sich gar nicht leisten, die Erwerbspotenziale von Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund ungenutzt zu lassen. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck forderte die Regierung auf, sämtliche Stellenausschreibungen des Bundes auf anonymisierte Verfahren umzustellen. Barbara Gillmann (HB)

Barbara Gillmann

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