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Diskriminierung: Der Fluch des türkischen Namens

Bewerber mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt – trotz gleicher Qualifikation. Im internationalen Vergleich schneiden deutsche Arbeitgeber trotzdem verhältnismäßig gut ab.

Berlin - Sie sind hoch qualifiziert, sprechen hervorragend deutsch – und trotzdem haben sie schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt: Bewerber mit türkischem Migrationshintergrund werden bei der Einstellung in Deutschland „ethnisch diskriminiert“. Das geht aus einer Studie hervor, die das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) jetzt veröffentlicht hat.

Für die Studie hatten Forscher der Universität Konstanz mehr als 1000 fiktive Bewerbungen von Wirtschaftsstudenten um Praktikumsstellen in kleine, mittlere und große Firmen verschickt. Alle Bewerber waren deutsche Staatsbürger, Muttersprachler und zudem vergleichbar qualifiziert. Trotzdem erhielten Kandidaten mit Namen türkischer Herkunft rund 14 Prozent weniger positive Rückmeldungen aus den Unternehmen als Konkurrenten mit deutschen Namen.

In kleineren Betrieben war die Ungleichbehandlung noch stärker: Bewerber mit türkisch klingenden Namen hatten hier eine um 24 Prozent geringere Chance, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Die Forscher führen diesen Unterschied auf stärker standardisierte Auswahlverfahren in großen Unternehmen zurück. „Bei kleinen Firmen gibt es mehr Spielraum für subjektive Bewertungen“, sagt Leo Kaas, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Konstanz und Autor der Studie.

Dennoch scheinen sich manche Arbeitgeber trotz Vorurteilen umstimmen zu lassen. Wenn den Bewerbungen Empfehlungsschreiben beigelegt wurden, die auf persönliche Eigenschaften der Kandidaten eingingen, spielte die Herkunft kaum eine Rolle. Die türkischstämmigen Kandidaten hatten in diesem Fall fast gleiche Chancen wie ihre Mitbewerber mit deutschem Namen. „Wir vermuten, dass viele Arbeitgeber die Persönlichkeitseigenschaften von Bewerbern mit Migrationshintergrund schlechter einschätzen können“, sagt Kaas. Die zusätzlichen Informationen verringerten diese Unsicherheit.

Im internationalen Vergleich schneiden deutsche Arbeitgeber trotzdem verhältnismäßig gut ab: Für Länder wie die USA, Großbritannien oder Schweden ergaben ähnliche Studien eine deutlich größere Benachteiligung ethnischer Minderheiten. Allerdings untersuchten die Konstanzer Forscher ausschließlich Stellen für hoch qualifizierte Bewerber. „Es ist also denkbar, dass in Branchen, die weniger vom Fachkräftemangel betroffen sind, auch in Deutschland noch stärker diskriminiert wird“, meinen die Experten vom IZA.

Wer sich diskriminiert fühlt, sollte sich an eine Beratungsstelle wenden. „Diskriminierung ist keine Lappalie, sie sollte dokumentiert und gemeldet werden“, sagt Eren Ünsal, Leiterin der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung. Seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 verzeichnet die Landesstelle mehr Beschwerden. „Nicht die Diskriminierung ist stärker geworden, sondern die Menschen sind besser informiert“, sagt Ünsal. Das AGG soll vor Benachteiligungen im Arbeitsleben schützen und greift auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses, etwa bei Einstellungsverfahren. Jahel Mielke

In Berlin gibt es rund 20 Antidiskriminierungsberatungsstellen. Informationen unter www.berlin.de/lads

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