zum Hauptinhalt
Manchmal ein Rätsel. Die vielen Bausteine der Riester-Förderung machen die Rente unübersichtlich. Anbieter nutzen das aus.

© dpa

Altersvorsorge: Die Ratlos-Rente

Riestern lohnt sich wegen der Zulagen – doch es ist teuer und kompliziert. Sparer durchschauen das komplizierte Regelwerk nicht und hohe Kosten zehren die staatlichen Zuschüsse auf.

Sibylle K. staunt nicht schlecht, als sie sich die Abrechnung ihres Riester-Vertrags ansieht, den sie Ende 2005 bei der DWS, der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, abgeschlossen hatte. Denn die 4685 Euro, die seither an Eigenleistung und staatlichen Zulagen auf ihr Fondskonto „Toprente Balance“ geflossen sind, waren bis Mitte April auf 4647 Euro geschrumpft. Seltsam, denkt sich Sibylle K.. Eigentlich sind die Aktienmärkte in dieser Zeit trotz der Finanzkrise unter dem Strich gestiegen, der Dax sogar um 31 Prozent, außerdem sind ja auch Dividenden und Zinszahlungen aus Anleihen geflossen. Übrig geblieben ist davon auf ihrem Konto nichts.

Sibylle K. ist nicht die einzige, die mit ihrer Riester-Anlage hadert. Kunden von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisen-Banken, fragen sich beim Blick auf ihren Fondsbestand, warum sie fast nur noch renditeschwache Rentenfonds in ihrem Depot haben. Bei den Käufern von Riester-Versicherungen wiederum werden nach Erkenntnissen der Stiftung Warentest bis zu 22 Prozent ihrer Beiträge von Kosten und Provisionen aufgezehrt.

Gleichzeitig hat sich gerade gezeigt, welche drastischen Folgen es haben kann, wenn Sparer das komplizierte Riester-Regelwerk nicht durchschauen: 1,4 bis 1,5 Millionen der 14 Millionen Riester-Kunden sollen den Staats-Bonus von 154 Euro pro Jahr plus 185 Euro je Kind zu Unrecht kassiert haben. Betroffen sind unter anderem Sparer, die wegen einer Gehaltserhöhung inzwischen weniger als vier Prozent vom Bruttoeinkommen selbst in ihren Vertrag einzahlen und damit keinen Anspruch mehr auf die volle Zulage haben.

Für Susanne Meunier, Altersvorsorge- Expertin bei der Stiftung Warentest, ist damit klar: „Die große Zahl an Rückbuchungen zeigt, dass viele Menschen das komplizierte System Riester nicht verstanden haben.“ Das bürokratische Dickicht müsse dringend gelichtet werden. Dennoch sollten die Kunden wissen, dass sie Änderungen von Familienstand, Gehalt, Wohnort oder Kinderzahl ihrem Anbieter von sich aus mitzuteilen haben. Finanz- und Arbeitsministerium haben in Aussicht gestellt, jenen Sparern unbürokratisch zu helfen und auf Zulagen-Streichungen zu verzichten, die nicht mutwillig gegen die Vorschriften verstoßen haben.

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht jedoch nicht nur den Sparer, sondern auch den Berater bei Fondsgesellschaft, Bank oder Versicherung in der Pflicht. Jeder Kunde, dem die Zulagen abgeknöpft würden, solle prüfen, ob sein Berater von den „förderschädlichen Umständen“ wusste. „Wer Abschluss- und Bestandsprovisionen für die gesamte Vertragsdauer einstreicht, sollte Verbraucher über alle Umstände der Förderung auch nach Vertragsabschluss informieren“, sagt Finanzexperte Niels Nauhauser. Je nach Vertrag sei hier sogar Schadenersatz denkbar. Nauhauser: „Alles zusammen zeigt, dass der Markt derzeit nicht funktioniert.“

Ein langfristig folgenreiches Problem seien auch die hohen Kosten, so der Finanzexperte. In vielen Fällen zehrten sie die staatliche Zulage komplett auf. Teilweise werde das Geld der Kunden auch gezielt in Produkte mit hohen Provisionen gelenkt. So zahlt der Kunde bei der DWS Riesterrente Premium anfangs 5,5 Prozent aller Eigenbeiträge über die gesamte Laufzeit an den Vertrieb, verteilt über fünf Jahre. Die Kosten stiegen dadurch unterm Strich auf 14 Prozent, hat Finanztest ausgerechnet. Gleichzeitig behinderten hohe Stornokosten einen Wechsel zur Konkurrenz.

Dass im Fall von Sibylle K. auch nach fünf Jahren keine Rendite erwirtschaftet wurde, liegt neben den Kosten auch an der speziellen Konstruktion der Altersvorsorge. Verantwortlich dafür ist auch ein Passus, nach dem die Anbieter dem Sparer die eingezahlten Beiträge und die staatlichen Zuschüsse bis zum Ende der Laufzeit garantieren müssen. Dies führt dazu, dass Aktienfonds zur Sicherung der Garantie in der Finanzkrise verkauft werden mussten, Verluste somit realisiert und das Geld in Rentenfonds umgeschichtet wurden, teilweise sogar dauerhaft. Im Depot von Sibylle K. etwa schichtete die DWS unzählige Male um. Dabei sind nicht nur bereits erzielte Gewinne verloren gegangen. An der Aufholjagd der Aktienmärkte seit 2009 war das Depot kaum beteiligt.

Verbraucherschützer verweisen dennoch auf Zulagen und Kapitalgarantie. „Durch die Förderung werden für den Kunden schlechte Produkte erträglich und gute Produkte richtig gut“, sagt Rentenfachfrau Meunier. Allerdings: Was am Ende konkret als Rente bleibt, weiß niemand. Denn die Riesterrente muss später voll versteuert werden. Es komme, so Meunier, daher auf die Wahl des individuell passenden Produkts an.

Sparern bis 35 Jahren empfiehlt sie einen klassischen Fondssparplan. Vom Fondssparen im Versicherungsmantel rät sie mit wenigen Ausnahmen ab: Die Fondspolicen litten unter hohen Kosten und schlechten Fonds. Klassische Rentenversicherungen sind bei den Kunden zwar die Favoriten, denn Versicherungen garantieren nicht nur die Beiträge, sondern auch eine Mindestverzinsung von 1,75 Prozent. Dennoch schmälern die hohen Provisionen und Kosten, die anfangs von den Einzahlungen abgezogen werden, die reale Rendite. Wer mit Banksparplänen riestert, muss zwar keine Abschlussgebühr zahlen, aber mit den aktuell schmalen Zinsen leben, die vielfach unter der Preissteigerung liegen.

Zur Startseite