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Zentralbanken könnten bald nicht nur Dollar und Euro herausgeben - sondern auch eine eigene Digitalwährung.

© imago/Ikon Images

Digitales statt Bares: Schaffen Zentralbanken bald eigene Bitcoins?

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich meint: Zentralbanken sollten über die Schaffung einer eigenen Digitalwährung nachdenken. Das hat etwas mit dem schwindenden Bargeld zu tun.

Von Carla Neuhaus

Wer unter Finanzexperten einen Streit losbrechen will, braucht nur eine simple Frage zu stellen: Sollte man Bitcoins kaufen? „Auf jeden Fall“, werden die einen dann sofort ausrufen und mit dem Finger auf einen Chart zeigen, der einen rasanten Kursanstieg zeigt. Allein in den letzten zwölf Monaten verteuerte sich die Digitalwährung um mehr als 500 Prozent. Die Bitcoin-Enthusiasten sind begeistert – während die anderen nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die Kritiker bezeichnen die Digitalwährung nämlich als reines Spekulationsobjekt und warnen vor einer Blase, die jederzeit platzen könnte. Bitcoins sind ihrer Ansicht nach allenfalls etwas für Kriminelle und Spieler – aber auf keinen Fall etwas für Kleinanleger.

Umso mehr überrascht da der Aufruf der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) an die Zentralbanken, sich stärker mit Digitalwährungen auseinander zu setzen. Mehr noch: Die BIZ, die quasi die Zentralbank der Zentralbanken ist, fordert die Institutionen sogar dazu auf, über die Schaffung einer eigenen Digitalwährung nachzudenken. Die BIZ-Experten stellen sich darunter eine „neue Form des Zentralbankgelds“ vor: eines, auf das jeder jederzeit Zugriff hat, indem man Euro in die staatliche Digitalwährung tauscht.

Die Bitcoin-Macher wollten gegen das System aufbegehren

Die Idee klingt erstmal absurd. Warum soll es neben bisherigen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether nun auch noch staatliche Digitalwährungen geben? Zumal die Macher von Bitcoin und Co. die Digitalwährungen ja gerade deshalb entwickelt haben, weil sie sich unabhängiger vom herkömmlichen Finanzsystem und damit vor allem von den Zentralbanken machen wollten. Basteln sich die Zentralbanken nun ihre eigene Digitalwährung, läuft das der Ursprungsidee zuwider.

Und doch kann eine Art Staats-Bitcoin durchaus Sinn machen. So sehen das zumindest die BIZ-Experten und erklären das am Beispiel Schwedens. Das Land setzt bereits sehr viel stärker auf elektronische Bezahlverfahren als andere EU-Staaten – mit der Folge, dass das Bargeld immer weiter zurückgedrängt wird. In keinem anderen Land sind, gemessen an der Wirtschaftsleistung, nur noch so wenige Banknoten und Münzen im Umlauf wie in Schweden. Doch wird das Bargeld rar, hat das Folgen – und zwar nicht nur positive. Für die Verbraucher ist es natürlich praktisch, überall und jederzeit mit Karte zahlen zu können. Gleichzeitig werden die Menschen dadurch aber auch noch stärker von ihrer Bank abhängig. Solange es Bargeld gibt, können sie sich ihr Erspartes im Zweifel einfach auszahlen lassen: zum Beispiel dann, wenn sie Angst bekommen, dass ihre Bank pleitegehen könnte. Gibt es kein Bargeld mehr, fällt diese Möglichkeit weg – es sei denn, man schafft einen digitalen Ersatz etwa in Form einer staatlichen Kryptowährung.

Schweden denkt über eine eKrona nach

Aus eben diesem Grund arbeitet die schwedische Zentralbank tatsächlich schon an einer eigenen Digitalwährung namens eKrona. Noch ist offen, ob es sie wirklich einmal geben wird – bis Ende 2019 lässt sich die Riksbank für die Entscheidung Zeit.

Ecuador ist sogar einen Schritt weiter. Das Land, das seine eigene Währung durch die Hyperinflation 2000 verloren hat und seitdem den Dollar nutzt, hat als Alternative bereits eine staatliche Digitalwährung entwickelt. Nutzer können dort seit zwei Jahren über eine App auf dem Handy den Dinero Electrónico erwerben. Auch in anderen Zentralbanken denkt man darüber nach, eine staatliche Digitalwährung zu schaffen. In den USA wird zum Beispiel über einen Fed-Coin diskutiert, in Kanada über einen CAD-Coin.

Die Anonymität der Digitalwährung erinnert an Bargeld

Die Überlegungen der BIZ sind also längst nicht so weit hergeholt, wie das auf den ersten Blick scheint. Zwar glauben ihre Experten nicht daran, dass reine Digitalwährungen wie Bitcoin, Ether oder Ripple eine klassische Währung wie den Euro oder den Dollar einmal komplett ersetzen könnten. Doch sie erkennen an, dass diese Digitalwährungen gewisse Vorteile haben. Nutzer können sie nämlich anonym untereinander tauschen. Zahlt A 100 Bitcoins an B, muss A dafür nur dessen Bitcoin-Adresse kennen – nicht seinen richtigen Namen. Insofern ist eine Transaktion mit einer Digitalwährung ebenso anonym wie das Bezahlen mit Bargeld. Was für die einen ein Vorteil ist, sehen andere allerdings eher als großes Manko der Digitalwährung. Schließlich nutzen schon jetzt Kriminelle besonders gerne Bitcoins: etwa Hacker, die Unternehmen mit gestohlenen Daten erpressen und als Lösegeld Bitcoins fordern.

Die BIZ-Experten argumentieren allerdings, dass solche kriminellen Geschäfte mit einer staatlichen Digitalwährung je nach Ausgestaltung gar nicht möglich wären. So ist etwa vorstellbar, dass die Nutzer mit staatlichen Bitcoins untereinander zwar anonym handeln können, sie gegenüber der Zentralbank aber ihre Identität offen legen müssen. Außerdem, argumentiert die BIZ, dürften die Kurse einer staatlichen Digitalwährung weit weniger stark schwanken, als das zum Beispiel beim Bitcoin der Fall ist. Wie wichtig das sein kann, zeigen die letzten Wochen. Erst ist der Bitcoin-Kurs Anfang September beinahe auf 5000 Dollar angestiegen – bevor er zeitweise auf unter 3000 Dollar einbrach.

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