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Woher unsere Lebensmittel kommen: Drin, was nicht draufsteht

Hanseatischer Honig aus Argentinien, Apfelschorle aus China - viele Zutaten für unser Essen kommen von weit her. Das Problem: In den meisten Fällen erfahren die Verbraucher davon nichts..

Der Wiesenblüten-Honig von „Meine Hanse“ wird beworben mit dem Slogan „Feiner hanseatischer Genuss“. Auf der Rückseite des Glases, auf der „beste Rohstoffe aus der Region und aus aller Welt“ angepriesen werden, findet sich sogar das genaue Herkunftsland. Doch das hat herzlich wenig mit hanseatischem Genuss zu tun – der Honig kommt aus Argentinien. Auch der Wildblütenhonig von Dreyer, der mit der „Lüneburger Heide“ und einer idyllischen Landschaft wirbt, offenbart auf der Rückseite, dass die „sorgfältige Auswahl und Mischung von Honig aus EG-Ländern und Nicht-EG-Ländern“ dem Produkt „sein typisches Aroma“ verleihe.

Das ist legal, aber ärgerlich. Verbraucher müssen im Supermarkt sehr genau hinsehen, wenn sie ein Produkt von heimischen Bienen finden wollen. „Gut 80 Prozent des in Deutschland verkauften Honigs wird aus dem Ausland eingeführt“, sagt Armin Valet, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Das meiste kommt aus Südamerika. Denn die Deutschen verspeisen pro Jahr knapp 90 000 Tonnen des süßen Stoffs, ein Vielfaches dessen, was heimische Imker produzieren können.

Wer im Supermarkt genau wissen will, woher die Lebensmittel kommen, die er kauft, hat es schwer. Denn nur auf einigen Produkten müssen Angaben zum Herkunftsland stehen. Das gilt zum Beispiel für die meisten frischen Obst- und Gemüsesorten. Allerdings entfällt die Pflicht dann, wenn die Produkte bearbeitet wurden – etwa geschnitten oder geschält. Besonders streng sind die Vorgaben seit der BSE-Krise bei Rindfleisch. Hier muss sogar genau angegeben werden, wo das Tier geboren, aufgezogen und geschlachtet wurde. Hühnerfleisch muss dagegen nur gekennzeichnet werden, wenn es außerhalb der EU hergestellt wurde. Und auch hier gilt: Wird das Fleisch verarbeitet, etwa zu Wurst, oder landet es auf Pizzen und in Eintöpfen, muss nicht mehr angegeben werden, wo das Tier einmal gelebt hat.

Bei Eiern lässt sich anhand des Stempels genau nachvollziehen, aus welcher Haltungsart und welchem Betrieb sie kommen. Und auch Milch, Käse und Butter müssen nach ihrer Herkunft gekennzeichnet werden – allerdings wird hier nur der Verarbeitungsbetrieb angegeben, woher die Rohstoffe stammen, bleibt das Geheimnis des Herstellers. Anders beim Fisch: Auch bearbeiteter Fisch muss eine Angabe zum Herkunftsgebiet enthalten.

Bei verarbeiteten Produkten, die aus verschiedensten Zutaten zusammengesetzt sind – von der Kartoffelsuppe über Ketchup bis zum Müsli – gibt es dagegen gar keine verpflichtenden Herkunftsangaben. So muss auf dem Apfelsaft oder der Schorle nicht stehen, aus welchem Land die Früchte kommen. Aus Europa, könnte man denken. Doch weit gefehlt: Deutschland importierte 2011 mehr als 50 000 Tonnen Apfelsaftkonzentrat aus China – einem Land, in dem bekanntlich der Einsatz von Pestiziden oder Hygienevorschriften nicht sonderlich streng kontrolliert werden.

Richtig kompliziert wird es dann, wenn Lebensmittel im Ausland verarbeitet werden. So wurde jüngst ein italienischer Unternehmer verurteilt, der Tomatenmark „Made in Italy“ verkauft hatte. Das Konzentrat dafür stammte jedoch aus China, die italienische Firma hatte es nur pasteurisiert, Wasser und Salz hinzugesetzt. Auch Deutschland importiert verarbeitete Tomaten, den Großteil aus Spanien und Italien. 2011 kamen aber auch mehr als 28 000 Tonnen aus China.

Verbraucherschützer klagen schon seit langem über die Lücken bei der Kennzeichnung und fordern schärfere Vorschriften. Auf dem Portal Lebensmittelklarheit.de, das der Bundesverband der Verbraucherzentralen betreut, gingen in den vergangenen 18 Monaten knapp 7000 Beschwerden zu Produkten ein, von denen Kunden sich getäuscht fühlten. Auf Platz drei der Mängelliste: die Herkunftsbezeichnung.

Die EU arbeitet derzeit an einer Verbesserung der Kennzeichnung. In der Diskussion ist, ob künftig jedes frische Fleisch – von der Ziege bis zum Schwein – eine Herkunftskennzeichnung tragen muss, und ob das auch dann gelten soll, wenn Fleisch eine Zutat ist, etwa der Schinken auf einer Tiefkühlpizza. Auch bei Hauptzutaten – etwa den Tomaten im Ketchup – wird über eine generelle Pflicht diskutiert, das Ursprungsland anzugeben. Das wäre besonders interessant für Produkte, die eine geschützte Bezeichnung tragen, wie der Schwarzwälder Schinken. Denn diese „geschützte geografische Angabe“ (siehe Kasten) bedeutet nur, dass der Schinken im Schwarzwald hergestellt werden muss, das Fleisch dafür darf aber auch aus anderen Ländern kommen.

Noch in diesem Jahr will die Kommission einen Reformvorschlag vorlegen. Die Lebensmittelindustrie gibt sich abwartend. Man stehe im Dialog mit der EU. Allerdings gebe es in vielen Fällen komplexe Herstellungsprozesse, sagte der Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), Peter Loosen. „Es gibt auch Grenzen des Machbaren bei Herkunftsangaben.“

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