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Gute Miene zum bösen Spiel. Der syrische Machthaber Baschar al Assad hat Giftgas gegen die Bevölkerung eingesetzt. Kamen einige Zutaten für das Gas aus Deutschland?

© picture alliance / dpa

Dual-Use-Güter: Bund genehmigt riskante Milliarden-Exporte in Krisenländer

Trotz strenger Regeln werden aus Deutschland große Mengen an potenziell gefährlichen Gütern in Krisenregionen und an fragwürdige Handelspartner versandt. Für die Unternehmen ist das ein Milliardengeschäft.

Der Tod durch Sarin ist ein kurzer und qualvoller. Kommt ein Mensch mit dem Nervengas in Kontakt, beginnen erst die Augen zu tränen, dann verkrampfen seine Muskeln; abhängig von der Gasdosis stirbt das Opfer schließlich nach wenigen Minuten oder Stunden. Obwohl der Einsatz von der internationalen Gemeinschaft geächtet wird, ist die Uno überzeugt davon, dass Syriens Machthaber Baschar al Assad das Gas im Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.

Woher aber bekam der Diktator die zur Produktion notwendigen Chemikalien? Nicht auszuschließen, dass zumindest Teile davon aus deutscher Produktion stammen. Denn Sarin-Gas basiert zu Teilen auf Fluorwasserstoff, einer marktgängigen Chemikalie, die auch zur Herstellung von Zahnpasta genutzt wird. 90 Tonnen davon wurden zwischen 2002 und 2006 nach Damaskus geliefert. Zwar beteuert die Bundesregierung, dass die fraglichen Ausfuhren „nach allen Erkenntnissen“ für zivile Zwecke genutzt wurden. Eine abschließende Untersuchung dieses Falles steht aber bis heute aus.

Um zu verhindern, dass harmlose Güter in die falschen Hände geraten, wurden 2009 eigentlich von der EU sogenannte Dual-Use-Verordnungen erlassen. Die Ausfuhr von Gütern, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können, soll damit strengen staatlichen Kontrollen unterworfen werden. In Deutschland ist für die Umsetzung der Verordnung das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zuständig, eine untergeordnete Behörde des Wirtschaftsministeriums. Allein: Selbst mit diesen Reglementierungen ist die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern für deutsche Unternehmen weiterhin ein Milliardengeschäft – und zumeist eines, das mit fragwürdigen Handelspartnern durchgeführt wird. Das geht aus Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen.

Dual-Use-Güter für Ägypten, Iran, Pakistan und Saudi Arabien

Allein im ersten Halbjahr 2014 wurden 4904 Ausfuhrgenehmigungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck erteilt, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linkspartei-Abgeordneten Jan van Aken. Der Gesamtwert der Exporte belief sich demnach auf rund 2,3 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte dieser Anträge – 2692 Bewilligungen mit einem Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden Euro – wurde dabei für Länder bewilligt, die aktuell bewaffnete Konflikte mit anderen Staaten austragen, in denen Minderheiten unterdrückt oder Menschenrechte missachtet werden.

Beispiele gefällig? Für Ägypten wurden 44 Ausfuhrgenehmigungen erteilt (7,5 Mio.), für Pakistan 28 (13,78 Mio.) und für Myanmar immerhin noch zwei (2,29 Mio.) Für Saudi-Arabien, das von einem der autoritärsten Regime weltweit regiert wird, wurden von der Bafa 115 Genehmigungen in Höhe von knapp 13 Millionen ausgesprochen.

Auch Iran wird von Deutschland seit Jahren mit Dual-Use-Gütern beliefert. Obwohl das Regime in Teheran nach Überzeugung der Uno den Bau von Nuklearwaffen anstrebt und mit harten Wirtschaftssanktionen belegt wurde, bewegte sich die Lieferung von deutschen Dual-Use-Gütern in den vergangenen fünf Jahren stabil im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich. 2012 machte der Anteil von Dual-Use-Gütern gar 13 Prozent an den deutschen Gesamtausfuhren nach Iran aus.

"Nach echter Kontrolle sieht das nicht aus“

Während der Gesamtwert der Ausfuhren über die Jahre hinweg erheblichen Schwankungen unterliegen kann, bewegte sich die Quote der Ablehnungsbescheide durch das Bafa im niedrigen, einstelligen Prozentbereich. Seit 2010 wurden insgesamt mehr als 43.000 Ausfuhrgenehmigungen beantragt, die Ablehnungsquote des Bafas liegt für diesen Zeitraum bei knapp drei Prozent. Grundsätzlich spreche zwar nichts gegen den Export von Dual-Use-Gütern, sagte Linken-Rüstungsexperte Jan van Aken, „es muss aber sehr genau geprüft werden, ob ein bestimmter Deal für militärische Zwecke missbraucht wird. Deshalb ist es erschreckend, dass praktisch alle Anträge durchgewunken werden – nach echter Kontrolle sieht das nicht aus.“

Gleichzeitig forderte er von der Bundesregierung ein gesetzliches Verbot von Dual-Use-Lieferungen an Staaten, die internationale Abkommen gegen den Einsatz von ABC-Waffen nicht unterschrieben haben.

Immerhin, zumindest wenn es um Exporte an das syrische Regime geht, scheint das Bafa seit 2011 sehr genau zu prüfen. Von 44 Ausfuhranträgen wurden lediglich 18 bewilligt. Für die syrischen Giftgasopfer kommt diese neue Akribie indes zu spät.

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