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So begehrt wie flüchtig: 90 Prozent aller Parfüms verschwinden schon nach einem Jahr wieder vom Markt.

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Ein großer Markt mit eigenen Regeln: Parfüm ist das beliebteste Last-Minute-Geschenk

Dufte Geschäfte: Jeder zweite Deutsche bekommt zu Weihnachten Parfüm. Immer häufiger wird das online bestellt - doch auch immer öfter gefälscht.

Von Maris Hubschmid

Noch zwei Tage bis Heiligabend – und in den Parfümerien steigt der Männeranteil rasant: Wenn die Zeit zum Fest knapp wird, besinnen sich Gatten, Söhne und Liebhaber gern auf ein Präsent, das seit Jahrzehnten seine Wirkung noch selten verfehlt hat. Im edlen Flakon, mit glänzender Verpackung, eine Kostbarkeit wie die Frau, die es bekommt (oder sich das zumindest einbilden soll) – Parfüm ist das perfekte Last-Minute-Geschenk.

Während der Einzelhandel insgesamt den 13. Dezember als den umsatzstärksten Tag im Weihnachtsgeschäft ausgemacht hat, ist für die Duftbranche besonders die Zielgerade entscheidend, bestätigt Martin Ruppmann, Geschäftsführer beim Verband der Vertriebsfirmen Kosmetischer Erzeugnisse (VKE). „Der verkaufsoffene Sonntag und die folgenden Tage bis Heiligmittag sind enorm wichtig. Da ist in den Geschäften Hochbetrieb.“

Insgesamt steht das Parfüm damit auf Platz zwei der häufigsten Geschenke. Laut Umfrage des Handelsverbands ist keine andere Warengruppe beliebter – lediglich Gutscheine liegen noch häufiger unter dem Baum.

Nur jedes zehnte Produkt überlebt das erste Jahr

In den vergangenen 50 Jahren sind die Umsätze rasant gewachsen. „Wer in der Stahlgießerei arbeitet, legt im Alltag kein Parfüm auf. Doch mit der Zahl der Bürojobs steigt auch der Parfümverbrauch“, sagt Elmar Keldenich, Geschäftsführer des Bundesverbands Parfümerien. Für dieses Jahr rechnet die Branche mit einem Plus von gut zwei Prozent. Damendüfte bringen knapp eine Milliarde Euro Umsatz, Herrendüfte etwa halb so viel. „Frauen nehmen gern einen leichten Duft im Büro und für abends einen, der knallt.“ Während Männer ein bis zwei Parfüms besäßen, probierten Frauen viel aus. „Nur zehn Prozent der Neulancierungen überleben die ersten zwölf Monate“, sagt Ruppmann vom VKE. „Davon nur 40 Prozent auch das zweite Jahr.“ Um die Verbraucher zu verführen, werden im großen Stil Proben ausgegeben. Zwei Milliliter, ohne die ein Milliardengeschäft undenkbar wäre: Einem Duft kann schließlich nur verfallen, wer ihn gerochen hat.

Umso erstaunlicher, dass auch online immer häufiger Parfüm gekauft wird. Douglas ist die Nummer eins mit großem Abstand, auf Platz zwei der Onlinehändler hat sich das Berliner Start-up Flaconi hochgearbeitet, das seinen Umsatz in diesem Jahr eigenen Angaben nach verdreifachen kann. Zehn bis 15 Prozent Marktanteil entfallen damit auf das 2010 gegründete Unternehmen vom Moritzplatz, das aus der Kette Thiemann hervorgegangen ist und aktuell 200 Mitarbeiter beschäftigt. Der Start war nicht einfach, sagt Gründer und Geschäftsführer Paul Schwarzenholz – nicht jeder kann Parfüm handeln. Er ist von der Gunst der Industrie abhängig. Weil die Inszenierung der Marke bedeutend ist, üben die Hersteller mehr Kontrolle aus als in anderen Branchen. Als vor Jahren die ersten Parfümerien anfingen, Flakons selber zu fotografieren und online zum Kauf anzubieten, hagelte es Abmahnungen. Selbst ein und derselbe Händler erhält Verkaufslizenzen nicht pauschal. So kann es sein, dass man in einzelnen Filialen bekannter Ketten einen Cartier-Duft vergeblich sucht. Zu klein, renovierungsbedürftig oder nicht das richtige Umfeld: Renommierte Marken wollen ihr Produkt nicht neben Ein-Euro-Shops präsentiert sehen. Von 2500 Fachgeschäften in Deutschland führe nur ein Teil Chanel- und Dior-Produkte, sagt Ruppmann.

In der Herstellung kostet ein Nobelduft nur fünf Euro

„Man kann eine Parfümmarke schnell kaputt machen“, sagt Flaconi-Chef Schwarzenholz, „wenn die Markenführung nicht stringent ist. „Davidoff Cool Water“ und „Jil Sunder Sun“ seien einmal Premiumprodukte gewesen. „Jetzt findet man sie in jeder Drogerie. Und ist man einmal mit dem Preis runtergegangen, bekommt man ihn nur schwer wieder hoch.“

Wer aber kauft Düfte im Internet? „Sinn macht das etwa für Menschen, die ihr Parfüm nachbestellen“, sagt Martin Ruppmann. Der Kauf im Netz ist bequem und spart Zeit. Dass vornehmlich Landbewohner die Option nutzen, um nicht eigens in die Stadt fahren zu müssen, entspricht nicht den Erfahrungen von Flaconi. „Die haben weitere Wege, aber Großstädter haben weniger Zeit.“ Online sei der Anteil an verkauften neuen Produkten zudem ebenso hoch wie im stationären Handel – etwa 40 Prozent. Schon über Schuhe hieß es einst, so etwas könne man nicht online kaufen. Doch die lassen sich anprobieren. Zwar dürfen Kunden Parfüm wie alle im Internet bestellten Waren 14 Tage lang zurückgeben, die Packung muss aber verschlossen sein. Die Berliner Parfümmanufaktur Frau Tonis mit zehn Mitarbeitern in der Zimmerstraße hat für Onlinekäufer einen Dufttest entwickelt: grün oder orientalisch? Extravagant oder modern?

Parfüm wird häufiger gefälscht als Textilien

Günstiger sind Parfüms im Internet nicht unbedingt. Schnäppchen kann man laut Stiftung Warentest überall machen. Die Berliner Parfümeriekette Diamant verspricht dauerhaft 23 Prozent Rabatt auf die unverbindliche Preisempfehlung, bei Aktionen einzelner Händler können online wie offline bis zu 40 Prozent gespart werden.

Bei extremen Vergünstigungen sei allerdings Vorsicht geboten, warnt der Parfümerieverband. „Kein Produkt wird heutzutage häufiger gefälscht als Parfüm“ – damit hat es sogar Textilien überholt. 2014 wurden bundesweit rund 1,5 Millionen Flakons sichergestellt. Fälschungen müssen nicht stinken, können aber die Gesundheit schädigen. Von Urin bis Frostschutzmittel hat man schon einiges in Billiggemischen gefunden.

Verbraucherschützer raten deshalb, darauf zu achten, dass ein Geschäft zur Website existiert. Beliefert werden Onlinehändler von den Herstellern offiziell nämlich nur, wenn es zumindest einen Standort gibt, an dem der Duft erlebt werden kann. Hinter Parfumdreams.de steckt die Parfümerie Akzente, der Anbieter Beautylane hat eine Filiale in Potsdam.

Unerreicht: "Chanel No 5"

Das Unternehmen Flaconi, jüngst vom Fernsehsender ProSiebenSat1 übernommen, betreibt neuerdings in der Hauptstadt einen Friseur- und Wellnesssalon und plant mindestens noch einen Flagshipstore. Schwarzenholz ist überzeugt, dass online und offline nebeneinander existieren können. „40 Prozent unseres Umsatzes machen wir in Zeiten, in denen der stationäre Handel nicht geöffnet hat.“ Online sei zudem die Auswahl deutlich größer: „Wir haben 15 000 Produkte auf Lager.“

Der unangefochtene Bestseller heißt trotzdem überall gleich. In Zusammensetzung und Aufmachung ist „Chanel No 5“ seit 1921 unverändert. Ein Phänomen, sind sich Händler einig – das könne man im Prinzip jedem schenken.

Auch online übrigens als Last Minute: Wer bis zum 22. um 14 Uhr mit Standardversand bestellt hatte, garantierten viele Händler, kann die Dame des Herzens am Heiligabend damit betören. Also los, Männer.

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