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Karl-Friedrich Stracke. Bei der Internationalen Automobil-Ausstellung im September in Frankfurt am Main stand der neue Opel-Chef im Rampenlicht.

© REUTERS

Elektromobilität: Opel-Chef Stracke: "Der deutsche Markt wird sich langsamer entwickeln"

Aufgewachsen ist Karl-Friedrich Stracke auf einem Bauernhof. Heute ist er Opel-Chef und spricht mit dem Tagesspiegel über Schuldenkrise, Elektromobilität – und die mögliche Rückkehr des Manta.

Herr Stracke, Opel ist ein europäischer Hersteller, und Europa ist in der Krise – wie sehr beunruhigt Sie das?

Man darf das nicht dramatisieren. Der Automobilmarkt hat sich im laufenden Quartal leicht abgekühlt, und das dürfte sich auch 2012 fortsetzen. Das Volumen in Europa wird sich zwar nicht gravierend verändern, aber spürbar reduzieren. Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass die Politik die Probleme der Euro-Zone schnell löst und nicht ins neue Jahr trägt.

Danach sieht es aber überhaupt nicht aus.

Die Lage ist in der Tat sehr instabil. Die Unsicherheit darf sich nicht hinziehen. Es steht viel auf dem Spiel. Die Wirtschaft hat sich gerade erst von der Rezession erholt.

An den Märkten wird eine weitere Rezession als ein Szenario gespielt.

So weit würde ich nicht gehen. Der Markt kühlt sich ab, und er verlagert sich. In Zentral- und Osteuropa erzielen wir einen besseren Absatz, in Südeuropa, insbesondere in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland, läuft es schlechter.

Bei den soliden Gewinnen, die Sie für 2012 versprochen haben, bleiben Sie aber?

Wir überprüfen unsere Planungen natürlich regelmäßig. Der Geschäftsplan für 2012 ist noch nicht abgeschlossen. Wir sind nach wie vor positiv gestimmt.

Könnten einzelne Opel-Standorte wieder unter Druck kommen, wenn die Griechenland-Krise nicht so schnell gelöst wird, wie Sie es sich wünschen?

Es bleibt bei unserem Ziel, den Absatz zu steigern und Marktanteile zu gewinnen. Hinzu kommt, dass wir bereits 20 Prozent Kapazität abgebaut haben. Das ist in dieser Abkühlungsphase ein Vorteil. Wir haben nicht die Überkapazitäten, die manche Wettbewerber noch haben.

Die Rabatte sind in Deutschland auf Rekordniveau. Wie lange geht das so weiter?

In unserer Branche findet ein harter Verdrängungswettbewerb statt. Kurzfristig kann die Industrie mit einer geringeren Marge auskommen, aber langfristig geht das nicht. Unser Weg ist, die Attraktivität unserer Autos zu steigern, dann können wir auch entsprechende Preise erzielen.

Sie wollen in jedem Segment vertreten sein. In der Oberklasse sind Sie das nicht.

Wir brauchen ein Auto oberhalb des Insignia, und daran arbeiten wir.

Sie meinen den Crossover-SUV, den Sie schon angekündigt haben.

Wir definieren dieses Konzept im Moment. Es muss ein eigenständiges Fahrzeug mit einem klaren Anspruch sein.

Opel-Fans wünschen sich häufig Ikonen zurück, etwa den Diplomat oder den Manta. Was können Sie damit anfangen?

Sehr viel. Ich verbinde viel mit unserer Marke. Ich hatte früher selbst einen Manta …

… mit oder ohne Fuchsschwanz?

Ohne. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Marke Opel wegen solcher Modelle und übrigens auch aufgrund unserer Erfolge im Motorsport viele treue Fans und Kunden hat. Das weckt viele Emotionen für die Marke. So ähnliche Autos wie den Manta, aber mit neuer Technik und neuem Design, kann ich mir gut vorstellen. Und auch im Motorsport wollen wir uns wieder stärker engagieren, zum Beispiel im Breitensport. Damit wollen wir unsere vielen, vielen Fans ansprechen.

Ihr letztes sportliches Modell, den GT, haben Sie aber eingestellt.

Einen richtigen Opel GT, der sich an unseren Klassiker von 1968 anlehnt, könnte ich mir in der Zukunft aber durchaus wieder vorstellen.

Der elektrisch betriebene Opel Ampera läuft in den USA vom Band. Wozu raten Sie mir: zum Ampera oder zum fast baugleichen, billigeren Chevrolet Volt?

Als Opel-Chef empfehle ich selbstverständlich den Ampera. Unser Auto hat ein zukunftsweisendes und unverwechselbares Opel-Design und bietet etwa eigens entwickelte Reifen mit geringerem Rollwiderstand. Vor allem bieten wir unseren Kunden aber ein Gesamtkonzept. Sie können bei uns Strom aus erneuerbaren Energien kaufen, den wir in Zusammenarbeit mit 30 Versorgern zu Sonderkonditionen anbieten. So hat der Ampera eine herausragende Umweltbilanz. Wir schicken ihnen einen Fachmann, der ihre Stromleitung zu Hause überprüft und gegebenenfalls nachrüstet. Außerdem erhalten sie einen persönlichen Berater, den sie 24 Stunden am Tag erreichen können, wenn sie eine Frage zu ihrem Auto haben. Mit so einem revolutionären, neuartigen Fahrzeug wollen wir auch eine neuartige Form von Service bieten.

In der neuen kleinen Modellreihe mit dem Arbeitstitel Junior, die 2012 startet, wollten Sie ab 2013 ein reines Elektrofahrzeug anbieten. Warum ist das vom Tisch?

Diese Option haben wir für den Moment auf Eis gelegt. Wir sehen vorerst keinen ausreichenden Bedarf für ein ausschließlich elektrisch betriebenes Fahrzeug in dieser Form. Wir glauben, dass wir hingegen mit unserem RAKe …

… eine Art elektrischer Kabinenroller, den Sie auf der IAA vorgestellt haben …

… ein sehr interessantes Konzept anbieten könnten. Die Marktanalysen sind jedenfalls sehr vielversprechend.

Wie schnell könnte der RAKe auf den Markt kommen?

Zweieinhalb bis drei Jahre müsste man sicher rechnen.

Warum ist das Marktpotenzial für ein richtiges Auto mit E-Antrieb aus Ihrer Sicht nicht da? Fehlt es an staatlichen Anreizen?

Das spielt eine Rolle. Schauen Sie in die Niederlande: Da gibt es eine Kaufprämie von 7000 Euro, hinzu kommen steuerliche Anreize, so dass der Kunde unterm Strich zwischen 10 000 und 14 000 Euro an Kostenvorteilen hat. Oder schauen Sie nach Frankreich, wo es 5000 Euro Prämie gibt. Deswegen kommt ein Großteil der Bestellungen für den Ampera aus diesen Ländern. In Deutschland haben wir uns in der Nationalen Plattform Elektromobilität für einen anderen Weg entschieden und setzen auf Unterstützung für die Forschung. Der Markt für Elektromobilität wird sich auch in Deutschland entwickeln, aber langsamer als anderswo. Die Kunden haben Interesse an dieser Technologie, aber sie sind nicht unbedingt bereit, sehr viel mehr dafür zu zahlen.

Das Teuerste an so einem Auto ist die Batterie. Wie schnell werden die Preise sinken?

Das hängt von vielen Faktoren ab. Ich rechne damit, dass sich die Kosten noch zu einem gewissen Grad reduzieren werden und gleichzeitig die Speicherfähigkeit der Lithium-Ionen-Batterie nochmals etwas steigen wird. Aber dann ist die Entwicklung auch am Ende. Das wird aber nicht reichen. Aus Untersuchungen wissen wir, dass sich die Kunden an erster Stelle eine Reichweite von mindestens 300 Kilometern wünschen. Deswegen setzen wir auf das von uns entwickelte Prinzip der Reichweitenverlängerung, also zusätzliche Verbrennungsmotoren, um die Reichweite zu erhöhen. Beim Ampera ist das ein Vierzylinder, aber das Konzept ist auch mit Ein- oder Zweizylindern vorstellbar.

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Der Bund will drei bis fünf Regionen zu nationalen Schaufenstern für Elektromobilität machen. Haben Sie Präferenzen?

Ja. Opel ist für gute Ideen offen, die unseren strategischen Forschungsschwerpunkten entsprechen. Wir werden mit Hessen zusammenarbeiten, das habe ich Ministerpräsident Volker Bouffier bereits zugesagt. Außerdem führen wir Gespräche mit Nordrhein-Westfalen über ein mögliches Projekt. Und auch in Berlin hätten wir großes Interesse. Wir arbeiten bereits sehr gut mit den Landesregierungen zusammen, um Elektromobilitätsprojekte zu definieren und dadurch die Akzeptanz beim Kunden zu verbessern. Eines ist klar: Die Projekte müssen sich ergänzen, die Regionen dürfen nicht alle das Gleiche machen wollen.

Sie setzen bei elektrischen Fahrzeugen auch auf die Brennstoffzelle, also Wasserstoff. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Sie 2015 oder 2016 ein solches Modell wie geplant in den Markt bringen?

Erstens muss die Infrastruktur vorhanden sein, sonst können Sie ja nur in Ihrer eigenen Region unterwegs sein. Das Netz muss in etwa so sein wie das Netz für Erdgas heute. Am Anfang gab es nur ein paar solcher Tankstellen, inzwischen sind es europaweit mehr als 1500. Mit etwas Planung können Sie heute auch weite Strecken problemlos meistern. So muss es auch beim Wasserstoff sein. Ich muss von Rüsselsheim an die Adria kommen, ohne dass ich Angst haben muss, liegenzubleiben. Zweitens müssen die Kosten noch erheblich sinken, damit sich diese Technologie für die Kunden rechnet.

Die technischen Probleme sind gelöst?

Nahezu. Wir haben allein in Berlin zehn Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb, die seit Jahren völlig problemlos im Praxistest unterwegs sind und bereits zwei Millionen Kilometer abgespult haben. Auch der Betrieb im Winter funktioniert einwandfrei.

Das Interview führte Moritz Döbler

DER MANAGER

Karl-Friedrich Stracke (55) stammt aus einer nordhessischen Bauernfamilie. Den Hof überließ er seinen jüngeren Brüdern und ging vor mehr als 30 Jahren als Ingenieur zu Opel. Er hat hohe Posten beim Mutterkonzern General Motors (GM) in Detroit bekleidet. Seit April ist er Opel-Chef. Weil er im Job schon lange viel Englisch spricht, ist sein Deutsch inzwischen amerikanisch gefärbt.

DAS UNTERNEHMEN

Opel gehört seit 1929 zu GM. Die Blütezeit lag in den 70ern. GM rutschte 2008 in eine Existenzkrise und wollte Opel verkaufen. Für diesen Fall sagte die Bundesregierung Hilfen zu, die aber nicht gezogen wurden.

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