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Wirtschaft: Ende der Sommerzeit

Der Deutsche Gewerkschaftsbund braucht einen neuen Vorstand – und einen Nachfolger für Michael Sommer.

Berlin - Die Zukunft des DGB hängt an Frank Bsirske und Berthold Huber. Die Vorsitzenden der beiden größten Einzelgewerkschaften treffen sich demnächst, um ein paar Personalien zu besprechen. Das ist gar nicht so einfach, wie die Erfahrung zeigt. Denn es geht um den Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Bislang wurden die ordentlich dotierten Posten an der DGB-Spitze (der Vorsitzende bekommt im Monat gut 11 000 Euro) von der IG Metall, Verdi oder anderen Einzelgewerkschaften auch genutzt, um eigenes Personal zu entsorgen und zu versorgen. Nicht unbedingt zum Vorteil des DGB. „Wir brauchen in der Zukunft ein paar Dynamiker an der Spitze und keine selbstgefälligen Welt-Obergewerkschafter“, heißt es nun selbstkritisch in einer Gewerkschaft.

Mit dem Weltgewerkschafter ist DGB- Chef Michael Sommer gemeint: Vor anderthalb Jahren wurde der frühere Postgewerkschafter zum Präsidenten des Internationalen Gewerkschaftsbundes gewählt. Auf der großen Bühne fühlt Sommer sich wohl. Auch wenn dabei die internationale Abteilung in der DGB-Zentrale „zum Reisebüro des weltweit größten Gewerkschafters verkommt“, wie ein Gewerkschafter mosert. Überhaupt wird viel und gerne gelästert über Michael Sommer. Als er sich vor ein paar Monaten vier Fünftel des Magens wegoperieren ließ, kursierten gleich zwei Gerüchte: Er sei schwer krank und trete womöglich vorzeitig ab. Oder er habe sich den Magen verkleinern lassen, um schneller abnehmen zu können. Beim DGB selbst ist von verkapselten Magengeschwüren die Rede; Sommer gehe es ausgezeichnet.

Am 17. Januar feiert der oberste deutsche Gewerkschafter 60. Geburtstag – dabei den Ruhestand fest im Blick. Sommer, der immer seine Brötchen als Funktionär verdient hat, tritt in zweieinhalb Jahren ab. Im Mai 2014, auf dem nächsten DGB- Bundeskongress, muss aber nicht nur sein Nachfolger gewählt werden. Bis auf Annelie Buntenbach gehen alle DGB-Vorstände in Rente. Doch der Austausch des Spitzenpersonals soll so geschmeidig wie möglich und deshalb in Zwischenschritten erfolgen. Das heißt, zumindest Ingrid Sehrbrock, die als Erste die Altersgrenze von 65 erreicht, muss demnächst ersetzt werden. Und auch die Tage der Vorstände Claus Matecki und Dietmar Hexel, beide Jahrgang 1949, sind gezählt. Das Positive für die Nachfolger: Sie müssen keine Angst vor zu großen Schuhen haben.

„Man merkt, dass die alle nicht mehr kandidieren müssen“, heißt es in der DGB-Zentrale am Hackeschen Markt über die Vorstandsmitglieder. „Jeder macht sein Ding und versucht dabei, dem anderen das Förmchen wegzunehmen.“ Der Boss im Sandkasten ist natürlich Michael Sommer. Nicht mehr so larmoyant wie früher – Sommer sitzt seit gut zehn Jahren an der DGB-Spitze –, aber noch immer auf dem Egotrip. „Bei welchen Themen können wir den Vorsitzenden profilieren?“ Mit dieser Frage schlagen sich die engsten Sommer-Mitarbeiter Tag für Tag herum. Der Vorsitzende selbst hatte nach seiner dritten Wahl im Mai 2010 angekündigt, „die ganze Organisation umkrempeln“ zu wollen. Es blieb bei der Ankündigung.

Wenn die Vorsitzenden der mit Abstand größten DGB-Gewerkschaften, Huber von der IG Metall und Bsirske von Verdi, in den kommenden Monaten über die Nachfolger von Matecki, Sehrbrock und Hexel beraten, dann fällt die Vorentscheidung für den nächsten DGB-Chef und damit die Zukunft des DGB überhaupt. Sommers Nachfolger soll sich mindestens ein, besser noch zwei Jahre als ganz normales Vorstandsmitglied bewähren, bevor er dann 2014 Vorsitzender wird. Das Vorschlagsrecht liegt diesmal bei der IG Metall, nachdem Verdi/Bsirske mit Sommer den letzten Vorsitzenden benennen durfte. Drei Namen werden gehandelt: Der hessische IG-Metall-Chef Armin Schild, Hubers Büroleiter Michael Guggemos und der bayerische DGB-Chef Matthias Jena.

Der 50-jährige Jena will in Bayern bleiben. Schild, ebenfalls 50, und überaus ehrgeizig, hat andere Pläne. Mit Sigmar Gabriels Hilfe soll er in diesem Frühjahr Vorsitzender der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) werden. Gabriel möchte die SPD mit Hilfe Schilds wieder stärker mit den Gewerkschaften verknüpfen. Schild wiederum setzt auf einen Regierungswechsel 2013 und sieht seine Zukunft in der Politik.

Das gilt auch für Guggemos (56), der sich Ende der 80er Jahre als Juso-Vorsitzender versuchte und derzeit für IG-Metall-Chef Huber alle möglichen politischen Angelegenheiten koordiniert. Guggemos ist eigentlich ein Mann der zweiten Reihe – aber wenn er und Huber wollen, dann können Bsirske und die anderen Gewerkschaftschefs Guggemos kaum verhindern. Dessen Zeit in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale neigt sich dem Ende zu, denn Huber wird vermutlich im Herbst 2013 abtreten. Dann braucht Guggemos einen neuen Job.

So wie vor sechs Jahren der Büroleiter des damaligen IG-Metall-Chefs Jürgen Peters: Claus Matecki. Peters suchte eine lukrative und nicht sonderlich anspruchsvolle Verwendung für seinen Vertrauten und brachte ihn im DGB-Vorstand unter. Gerade die Industriegewerkschaften klagen gerne über die miese Performance des DGB, den sie selbst aber ganz maßgeblich ausstatten mit Personal, Ressourcen und Kompetenzen.

Das Profil eines DGB-Vorsitzenden ist schnell skizziert: Er (oder sie) muss die Gewerkschaften in der Öffentlichkeit präsentieren können, dabei darf er/sie nicht zu weit links stehen, um auch in der CDU gehört zu werden. Und er/sie sollte stärker als bisher zwischen den Einzelgewerkschaften schlichten und moderieren, denn diese wildern zunehmend in fremden Revieren: Verdi versucht, den Industriegewerkschaften Mitglieder abzujagen und umgekehrt. Das sind ärgerliche Konflikte untereinander, die der Dachverband eigentlich verhindern soll.

In den Sommerjahren an der Spitze des DGB hat der Dachverband fast zwei Millionen Mitglieder verloren. Inzwischen ist der Trend gestoppt, aber nicht gedreht – obwohl das Image der Gewerkschaften besser geworden ist, sie sich mit organisatorischen Veränderungen stärker auf die Mitgliedschaft ausrichten und sich die Funktionäre weniger mit sich selbst beschäftigen. „Der Apparat ächzt“, heißt es zum Beispiel in den Industriegewerkschaften über die Begleitmusik des Strukturwandels im eigenen Haus. „Und was machen die in Berlin beim DGB?“ Der Verdruss über Sommers DGB, an den die Einzelgewerkschaften zwölf Prozent ihrer Einnahmen abführen, ist nicht kleiner geworden. „Es täte uns allen gut, wenn wir einen ordentlichen Dachverband hätten“, seufzt ein Gewerkschafter. Spätestens 2014, wenn Bsirske und Huber eine gute Hand haben.

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