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Wirtschaft: Es geschieht immer öfter am helllichten Tag

In Berlin und im Speckgürtel der Hauptstadt nimmt die Zahl der Wohnungseinbrüche zu

Eigentlich war es ein ganz normaler Donnerstagnachmittag. Silke A. aus Kleinmachnow fuhr ihren achtjährigen Sohn Moritz zu einem Freund ins benachbarte Zehlendorf und erledigte danach ihre Einkäufe. Als es zwei Stunden später anfing zu dämmern, kehrte sie wieder zurück nach Hause. Alltagsroutine. Doch als die 43-Jährige die Haustür aufschloss, traute sie ihren Augen nicht: In dem gepflegten Siedlerhaus herrschte Chaos. Ausgeleerte Schubladen lagen umgekehrt auf Bergen von Büchern, Zetteln und Kleidung, durch die halb geöffnete Terrassentür zog ein kalter Wind.

Einbrecher hatten das Haus der Lehrerin in ein Trümmerfeld verwandelt und neben der wertvollen Uhrensammlung ihres Mannes auch Schmuck, Bargeld, einen Fotoapparat, Handys, teure Kugelschreiber und einen Laptop mitgehen lassen. Mit einem Spezialwerkzeug hatten sie die Terrassentür aufgehebelt und eine Beute von rund 30 000 Euro aus dem Haus geschleppt.

Kein Einzelfall in der beschaulichen Gemeinde Kleinmachnow. Allein in diesem Jahr gab es bislang 53 Einbrüche in Einfamilienhäuser, mithin schon jetzt 14 mehr als im Jahr 2010. Noch alarmierender als in Brandenburg sind die Einbruchsstatistiken jedoch in der Hauptstadt. Nach den jüngst veröffentlichten Einbruchsstatistiken stieg die Zahl der Wohnungs- und Einfamilienhauseinbrüche in Berlin bis zum 31. August im Vergleich zum Vorjahr um 1780 Fälle oder 34,2 Prozent auf insgesamt 6987.

Mario Heinemann von der Polizei Potsdam geht davon aus, dass sich die Einbruchszahlen in Kleinmachnow bis Jahresende noch verdoppeln könnten, denn die Hochsaison für Einbrüche in Einfamilienhäuser beginnt traditionell mit der dunklen Jahreszeit. Die an Zehlendorf grenzende Gemeinde ist unter Dieben besonders beliebt, denn in den 30er-Jahre-Häusern und Stadtvillen des Bildungsbürgertums lässt sich leicht Beute machen – zumindest lässt die Aufklärungsquote von derzeit 5,7 Prozent (2010: 2,6 Prozent) diesen Schluss zu. Viele Häuser verbergen sich hinter hohen Hecken, die Autobahn ist nur einen Steinwurf entfernt und das dichte und schwer überschaubare Straßennetz bietet viele Fluchtmöglichkeiten ins angrenzende Berlin. Mehr als die Hälfte aller gemeldeten Einbruchsdelikte in Brandenburg entfällt auf die Speckgürtelregionen wie Kleinmachnow, Teltow, Stahnsdorf, Potsdam-Babelsberg oder Falkensee.

In 50 Prozent aller registrierten Fälle stiegen die Diebe durch die Terrassentür ein, weitere 30 Prozent bevorzugten den Einstieg durchs Fenster. Nur etwa acht Prozent wählten den Weg durch die Haustür. Dabei agierten die Täter selten allein, sondern meist zu zweit oder dritt. Im Fall von Silke A. wollten die Beamten nicht ausschließen, dass einer der Täter Silke A. mit dem Auto verfolgte und seine Komplizen via Handy über ihren jeweiligen Standort unterrichtete.

Die bevorzugten Einbruchszeiten sind laut Heinemann wochentags zwischen neun bis elf Uhr und im Dämmern, wenn für die Diebe leicht sichtbar ist, ob jemand zu Hause ist oder nicht.

Geklaut wird, was sich gut transportieren lässt und „auf dem Trödelmarkt schnell verkauft werden kann“, so Michael Böhl vom Bund deutscher Kriminalbeamter. Nach seinen Erfahrungen entstammen die Einfamilienhaus-Einbrecher meist dem Milieu „reisender Tätergruppen, die durch ganz Deutschland ziehen“. Laut Berliner Kriminalitätsstatistik 2010 handelt es sich dabei um „kleine, spezialisierte, organisierte und nicht selten international vernetzte Gruppierungen“.

Ganz anders bei den Wohnungseinbrüchen: Hier sind in der Regel wenig spezialisierte und kaum organisierte Einzeltäter am Werk, die häufig dem Drogenabhängigenmilieu entstammen. Diese Täter suchten sich mit Vorliebe Altbauten in den innerstädtischen Bezirken Berlins aus, weil viele Wohnungs- und Balkontüren noch immer nicht gut gesichert seien und sich leicht knacken ließen. Dabei sei die Hemmschwelle einiger Täter laut Böhl so weit gesunken, dass die Täter sogar einbrechen, wenn die Bewohner in der Wohnung sind. Mehr als ein Drittel der Tatverdächtigen Wohnungsknacker in Berlin waren 2010 unter 21 Jahren, zehn sogar noch im Kindesalter.

Bei der Ursachenforschung für den dramatischen Einbruchsanstieg in der Hauptstadt tappt die Polizei offenbar im Dunkeln. Klaus Eisenreich von der Gewerkschaft der Polizei sieht in der schrumpfenden Personaldecke der Polizei einen möglichen Grund für die Zunahme der Verbrechen. So sei die Zahl der Polizeibeamten innerhalb von zehn Jahren von 20 000 auf 16 000 gesunken. „Es dauert einfach immer länger, bis die Polizei eintrifft, es fehlt an Ermittlungskapazität.“ Ein anderer Grund sei, dass die kriminalpolizeiliche Beratungsstelle inzwischen nach 30 Minuten kostenpflichtig geworden sei und viele Bürger die Kosten in Höhe von 40 Euro scheuen würden.

Silke A. helfen diese Erklärungen nicht weiter. Sie hat ihre Lehren aus dem Einbruch gezogen und eine neue Alarmanlage installiert. Nach dem Einbruch hatte sie Tage gebraucht, ihr Haus wieder aufzuräumen und alle Quittungen für die Versicherung zusammenzusuchen. Doch das eigentliche Problem ist ein anderes: Ihr Sohn Moritz mag nicht mehr allein zu Hause sein und wann immer sie ihre Haustür aufschließt, überkommt sie ein „ungutes Gefühl“. Die Angst wird sie wohl noch länger begleiten.

Weitere Informationen unter:

www.polizei-beratung.de

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