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Wirtschaft: Finanzinvestor kauft 150000 Wohnungen

Für sieben Milliarden Euro geht Eon-Tochter Viterra an Terra Firma/Mieterbund warnt vor Spekulanten

Düsseldorf/Berlin – Der Energiekonzern Eon trennt sich von seiner Immobilientochter Viterra und erhält dafür von der Deutschen Annington Immobilien Gruppe sieben Milliarden Euro. Die Tochter des britischen Finanzinvestors Terra Firma bezahle vier Milliarden Euro für das Eigenkapital von Deutschlands größter Wohnungsgesellschaft und übernehme Nettofinanzschulden und Rückstellungen von rund drei Milliarden Euro, teilte Eon am Dienstag mit. Viterra besitzt rund 150000 Wohnungen. Der Kurs der EonAktie legte gegen den Trend zu.

Der Energiekonzern entschied sich überraschend schnell für einen Käufer. Zuvor hatte Eon ein Bieterverfahren für Investoren eingeleitet und gleichzeitig einen möglichen Börsengang geprüft. Offenbar entschied sich der Energiekonzern jetzt wegen des hohen Kaufpreises gegen einen Börsengang. Analysten hatten bislang mit einem Erlös von nur sechs Milliarden Euro gerechnet. Mit dem Verkauf von Viterra schließt Eon die Konzentration auf das Kerngeschäft mit Strom und Gas weitgehend ab.

Terra Firma stieg im Jahr 2000 mit dem Kauf von rund 64000 Eisenbahnerwohnungen in den deutschen Immobilienmarkt ein. Mit dem Erwerb von Viterra verfüge der Finanzinvestor nun über eine „Plattform“, die mit weiteren Zukäufen ausgebaut werden soll, sagte Deutschland-Geschäftsführer David Pascall.

Durch die Übernahme von Viterra entsteht der mit Abstand größte Betreiber von Wohnimmobilien. Viterra bewirtschaftet rund 150000, Annington bislang 80000 Einheiten. Die beiden Unternehmen sollen zusammengelegt werden. Viterra ist vor allem im Ruhrgebiet, der Region Rhein-Main sowie in Berlin, München und Düsseldorf tätig. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Viterra knapp eine Milliarde Euro umgesetzt. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass Terra Firma auch an der norddeutschen Nileg mit 30 000 Einheiten interessiert ist, die bis zum Sommer verkauft werden soll.

Damit setzt sich der Verkauf deutscher Immobilien an Finanzinvestoren fort. Bereits in den vergangenen Jahren hatten vor allem kommunale und öffentliche Wohnungsgesellschaften große Bestände an Finanzinvestoren und Investmentbanken verkauft. Der US-Finanzinvestor Fortress hatte im Sommer 2004 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte die Berliner Wohnungsgesellschaft Gagfah mit rund 80000 Wohnungen für 3,5 Milliarden Euro erworben. Morgan Stanley und die Immobiliengesellschaft Corpus griffen bei 48000 Wohnungen von Thyssen- Krupp zu. Das US-Investmenthaus Cerberus bezahlte 2,1 Milliarden Euro für 65700 Wohnungen der Berliner GSW.

Die Deutsche Bank Research prognostiziert, dass bis zum Jahr 2010 gut eine Million Wohneinheiten vornehmlich an angelsächsische Käufer abgegeben werden. Hohe Renditen erzielen die Fonds vor allem durch den Weiterverkauf vorher renovierter Wohnungen an die Mieter oder in kleineren Paketen an andere Immobiliengesellschaften. So verkaufte Terra Firma bislang rund 8000 Wohnungen weiter. In den Eisenbahnersiedlungen ist der Leerstand deutlich gesunken. Die Mieten wurden leicht erhöht. Angelockt werden die Finanzinvestoren vor allem durch das große und vor allem günstige Angebot auf dem deutschen Markt für Wohnungsimmobilien. Leere Kassen nötigen die öffentliche Hand, insbesondere Länder wie beispielsweise Berlin, Immobilienbesitz zu verkaufen.

Wegen des zunehmenden Einfluss von ausländischen Investoren auf dem deutschen Wohnungsmarkt, befürchtet der Deutsche Mieterbund (DMB) Nachteile für seine Mitglieder. Anglo-amerikanische Investorengruppen machten Sozialwohnungen zu Spekulationsobjekten, sagte DMB- Präsidentin Anke Fuchs. Hartmann Vetter, Chef des Berliner Mietervereins stellte einen „deutlichen Rückgang beim Angebot preiswerter Wohnungen“ in den vergangenen zwei Jahren in Berlin fest.

Nach einer Studie der Landesbausparkassen (LBS) stagnieren die Wohnungspreise auf dem deutschen Markt auch 2005 – im zehnten Jahr in Folge. „Die scheinbare Entspannung auf den meisten Wohnungsmärkten ist nur eine Momentaufnahme“, sagte LBS-Verbandsdirektor Hartwig Hamm. Es sei „geradezu fatal“, wenn die Bundespolitik den Wohnungsmarkt sich selbst überlasse. Die Bevölkerungszahl werde bis zum Jahr 2020 um zwei Millionen steigen. Damit nicht bald wieder eine Wohnungsnot entstehe, besteht nach LBS-Angaben ein jährlicher Bedarf von 350000 neuen Wohnungen. Derzeit würden aber nur 275000 errichtet – zu wenig um die Nachfrage zu befriedigen. agr/juf/pk/HB/ball/mds

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