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Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Die Lokführergewerkschaft GDL gibt nicht auf.

© dpa

GDL: Ein Lob des Streiks

Sie legen das Land lahm, provozieren immer wieder aufs Neue und bringen nicht nur Pendler zur Weißglut - die Lokführergewerkschaft GDL mit ihrem Chef Claus Weselsky als Hassfigur. Kann man die verteidigen? Ja. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andreas Oswald

Es reicht langsam. Ein ganzes Land als Geisel einer Gewerkschaft. Es trifft vor allem die Arbeitnehmer, die nicht wissen, wie sie zur Arbeit kommen sollen und wegen der Streiks große zusätzliche Mühen auf sich nehmen müssen, damit sie ihre Familien ernähren können. Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL ist aus Sicht der Betroffenen zutiefst unsozial. Die Frage ist auch, wie lange sich ein Land die Provokationen des GDL-Chefs Claus Weselsky anhören muss, der es offenbar genießt, die Rolle der wichtigsten Hassfigur Deutschlands einzunehmen.

Jeder, der auf diesen Mann schimpft, wird aber einräumen müssen, dass wir es mit einer ehrlich geführten, klaren und offenen Auseinandersetzung zu tun haben, in der nicht versucht wird, das eigene Partikularinteresse als Allgemeinwohl auszugeben oder mit vorgeschobenen Begründungen diplomatisch um Verständnis zu werben. Es ist nicht Aufgabe der Gewerkschaften, das Allgemeinwohl zu vertreten, ganz im Gegenteil. Ihre Aufgabe ist es, Eigeninteressen mit aller Macht durchzusetzen, so, wie das umgekehrt auch für die Arbeitgeber- und Bankenverbände gilt. Ohne diese Haltung der Gewerkschaften wären in der Geschichte nie Arbeitnehmerinteressen durchgesetzt worden, die wir heute für selbstverständlich halten.

Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL.
Claus Weselsky, Chef der Lokführergewerkschaft GDL.

© imago

Dass dieses Prinzip im Fall der GDL auf brachiale Weise gegen den Rest des Landes zur Geltung gebracht wird, macht es nicht falsch, im Gegenteil, es macht das Prinzip für alle, die es noch nicht kennen, deutlich. In gewisser Weise ist es bewundernswert, einen Konflikt durchzuhalten, bei dem in der Gesellschaft längst der letzte Rest an Verständnis aufgebraucht ist. Wo gibt es heute so etwas noch? Wer schimpft, dass er nicht rechtzeitig zur Arbeit oder zu seiner Verabredung kommt, vertritt umgekehrt auch ein egoistisches Interesse. Die Grundhaltung, alles müsse für das eigene Wohlergehen reibungslos funktionieren, ist eine Anspruchshaltung, die man sonst immer gerne Gewerkschaften vorwirft. Es ist nicht alles selbstverständlich, was den eigenen Interessen dient, das gilt für alle. Und morgens eine Stunde früher aufzustehen, tut ganz gut.

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