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Sieht Reformbedarf: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

© Thilo Rückeis

Leutheusser-Schnarrenberger: „Geschiedenen eine zweite Chance geben“

Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger über veränderte Lebenswelten und den Reformbedarf bei Sorge- und Unterhaltsrecht.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, Sie wollen es ledigen Vätern erleichtern, das Sorgerecht für das gemeinsame Kind zu bekommen. Warum heiratet das Paar nicht einfach?
Die Gesellschaft ist bunter geworden. Wir müssen die neue Lebenswelt respektieren und können nicht mit der Ehe ein Modell für alle vorgeben.

Was ist wenn Vater oder Mutter das gemeinsame Sorgerecht bekommen, sich dann aber so auseinander leben, dass sie nicht mehr in der Lage sind, gemeinsame Entscheidungen für das Kind zu fällen. Wird das gemeinsame Sorgerecht dann nicht zum Bumerang?
Probleme zwischen Vater und Mutter gibt es bei verheirateten wie bei nicht verheirateten Paaren. Es geht aber um das Wohl des Kindes. Warum geben wir nicht der unverheirateten Mutter bei der Geburt des Kindes zunächst das alleinige Sorgerecht und lassen die gemeinsame Sorge dann zu, wenn der Vater ausdrücklich erklärt, sie zu wollen? Ist die Mutter dagegen, kann sie nach meinem Vorschlag innerhalb von acht Wochen widersprechen. Zum Bumerang wird das Sorgerecht doch für das Kind, wenn der Vater gezwungen wird, die Familie vor ein Gericht zu ziehen, selbst wenn eigentlich überhaupt kein Streit herrscht. Ich will ein unbürokratisches Verfahren, das für den Normalfall den Gang zum Familiengericht und die damit verbundene Belastung vermeidet. Nur wenn Mutter und Vater sich überhaupt nicht einigen können, soll ein Familiengericht entscheiden, ob die gemeinsame Sorge das Kindeswohl gefährdet.

Nicht nur das Sorgerecht, auch das Unterhaltsrecht steht auf dem Prüfstand. Wo sehen Sie Reformbedarf?
Das neue Unterhaltsrecht sollte Geschiedenen eine zweite Chance geben, eine Familie zu gründen und auch zu finanzieren. Diesen Grundansatz unterstütze ich. Aber wir können nicht ignorieren, dass das Gesetz der Vorgängerregierung zu Problemen führt. Der Deutsche Juristinnenbund hat zu einer Unterschriftenaktion dagegen aufgerufen. Beklagt wird, dass das geltende Recht insbesondere Frauen benachteiligt, die zugunsten von Ehe und Familie ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben haben. Es ist zwar nicht mein persönliches Lebensmodell, wenn in einer Ehe nur der Mann berufstätig ist. Insbesondere bei den so genannten Alt-Ehen höre ich aber immer wieder, dass beim Unterhalt die besondere Situation der Frauen oft nicht angemessen berücksichtigt wird. Ich nehme diese Sorgen sehr ernst. Auch im Lichte der jüngsten Bundesverfassungsgerichtsentscheidung muss nun geprüft werden, an welchen Stellen Überarbeitungsbedarf besteht.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (59) ist seit 2009 Bundesjustizministerin. Die FDP-Politikerin und Juristin ist selbst verwitwet und kinderlos. Mit ihr sprach Heike Jahberg.

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